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Die Johanna-Eck-Schule war 2010 aus der Fusion von Werner-Stephan-Hauptschule und Dag-Hammarsjköld-Realschule hervorgegangen.

© Susanne Vieth-Entus

Update

Wechsel an der Spitze der Johanna-Eck-Schule: Berlins umstrittenste Schulleiterin wird abgelöst

Nach dem massenhafte Lehrerschwund und zuletzt der Kündigung der Sozialarbeiter gibt Scheeres einen Wechsel an der Spitze der Sekundarschule bekannt.

Die Bildungsverwaltung zieht Konsequenzen aus der massenhaften Abwanderung von Lehrern und weiteren Mitarbeitern der Tempelhofer Johanna-Eck-Sekundarschule. „Wir nehmen eine Veränderung in der Leitung vor“, gab Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses bekannt.

Der aktuelle Anlass sei der Rückzug des freien Trägers KIDS e.V., der seit 13 Jahren die Sozialarbeit an der Schule gestaltet hatte und nun ebenfalls die Schule verlassen will. Dies hatte der Tagesspiegel am Montag exklusiv berichtet. Dem Vernehmen nach ist die umstrittene Leiterin Mengü Özhan-Erhardt beurlaubt worden. Welche neuen Aufgaben sie übernehmen soll, ist nicht bekannt. Dem Vernehmen nach könnte der neue kommissarische Konrektor erst mal die Geschäfte führen.

Wie berichtet, hat ein Großteil des Kollegiums in den vergangenen zwei Jahren die Schule verlassen. Einige Lehrer waren zwangsversetzt worden, viele Krankheitsfälle – auch anderer Mitarbeiter – wurden beklagt. Allein zu diesem Sommer bestätigte die Bildungsverwaltung den Abgang von 17 Lehrern.

Im Mittelpunkt der Kritik stand der Vorwurf, dass die Leiterin nach einem „Freund-Feind-Schema“ agiere. Die Bildungsverwaltung äußerte sich zu diesem und anderen Vorwürfen in den vergangenen Monaten trotz wiederholter Nachfragen nicht, sondern hielt stets an der Personalie fest. Trotz der breiten Kritik und der großen Unruhe, die im Kollegium entstanden war, wurde Özhan-Erhardt nicht innerhalb der zweijährigen Probezeit abberufen.

Die erfolgreichen Konzepte - großteils verloren

Je größer die Unruhe und die Zahl der Abwanderungen waren, desto mehr wuchs das Unverständnis darüber, dass die Leiterin bleiben durfte. Während in weniger drastischen Fällen von Zerwürfnissen zwischen Personal und Leitung Schulleiter versetzt wurden, ließ die Verwaltung Özhan-Erhardt stets auf ihrem Posten – selbst als renommierte Projekte und Besonderheiten der Schule wie die Anti-Gewalt- und Vertrauensschüler-Programme, das spezielle Sprachförderkonzept sowie die Förderung von Kindern mit Förderbedarf in geistiger Entwicklung zusammen mit dem Personal verloren gingen.

Die Lage verschlechterte sich noch dadurch, dass dem Kollegium durch Scheeres’ Antidiskriminierungsbeauftragte Rassismus gegenüber der türkischstämmigen Leiterin vorgeworfen wurde. Diesen Vorwurf haben die Lehrer bis heute nach eigenen Angaben nicht verkraftet, zumal sie es waren, die Özhan-Erhardt vor über zwei Jahren durchaus als Leiterin wollten.

Der pauschale Rassismus-Vorwurf wurde auch gegenüber Kollegen ausgesprochen, die beteiligt waren, als die Vorgängerschule der Johanna-Eck-Schule, die Werner-Stephan-Hauptschule, zur ersten Schule Berlins mit dem Programm „Schule ohne Rassismus“ wurde.

Auch Eltern melden sich zu Wort

Zu Beginn des neuen Schuljahres war es Özhan-Erhardt gelungen, etliche neue Kräfte zu gewinnen. Allerdings meldeten sich beim Tagesspiegel Eltern zu Wort, die weiterhin über chaotische Abläufe und auch über fehlende Deutschkenntnisse mindestens eines Fachlehrers klagten. Ganz anders eine Mutter, die sich als neu gewählte Gesamtelternvertreterin beim Tagesspiegel meldete und schrieb, dass sich ihre Tochter in ihrer Klasse "eigentlich ganz wohl" fühle. Als Mutter von vier Kindern habe sie "noch nie eine so innovative, engagierte und kluge Schulleiterin getroffen" wie Özhan-Erhardt.

"Viel zu lange gewartet"

Auf den vorangegangenen Personalschwund an der Schule und auf die Kritik an fehlenden Deutschkenntnissen von Lehrern nahm in der aktuellen Viertelstunde des Bildungsausschusses der schulpolitische AfD-Sprecher Franz Kerker Bezug und fragte Scheeres nach einer Stellungnahme, was die Senatorin zum Anlass nahm, die Abberufung Özhan-Erhardts bekannt zu geben.

„Man muss der Schulbehörde den Vorwurf machen, mit diesem Schritt viel zu lange gewartet zu haben, nachdem so viel verbrannte Erde entstanden ist zum Leidwesen der Schüler und der Kollegen und Kolleginnen, die die Schule haben verlassen müssen – mehr oder weniger freiwillig“, meldete sich nach Bekanntwerden der Entscheidung Reiner Haag zu Wort, einer der profiliertesten ehemaligen Lehrer der Schule. „Der verantwortliche Schulrat wusste über die Vorgänge detailliert Bescheid und hätte vorher intervenieren müssen“, steht für Haag fest. Wenn jetzt der von Özhan-Erhardt in die Schule geholte neue Konrektor als kommissarischer Schulleiter eingesetzt werde, blieben „die falschen Seilschaften bestehen“, lautet Haags Einschätzung. Seines Erachtens sei es besser, jetzt „ein kompetentes Team bestehend aus pensionierten Schulleitern an die Schule zu schicken, um diesen Scherbenhaufen zu beseitigen“.

Proteste zugunsten der Leiterin werden erwartet

Viel zu tun gibt es - das machen nicht nur die Elternberichte über den schwierigen Schulstart nach Ferienende deutlich: Als die Abberufung Özhan-Erhardts am Donnerstag im Kollegium bekannt gegeben wurde, soll es spontan Protestbekundungen gegeben haben: Das Kollegium besteht inzwischen überwiegend aus Lehrern, die von Özhan-Erhardt an die Schule geholt wurden. Dass sich ihre Getreuen demnächst auch öffentlich mit der Leiterin solidarisieren, einen Protestbrief verfassen oder sich anderweitig artikulieren werden, wurde von Beobachtern angekündigt. Auch aus der Elternschaft werden Proteste zugunsten der Schulleiterin erwartet.

Große Pläne und lancierte Vorwürfe

Trotz der offensichtlichen massiven Probleme in der Personalführung beharrte die SPD in Tempelhof-Schöneberg bis zuletzt darauf, dass die Johanna-Eck-Schule zur Gemeinschaftsschule ausgebaut werden sollte, was geschätzt eine Verdreifachung des Kollegiums und der Schülerschaft zur Folge haben würde. Zusammen mit dem grünen Partner in der bezirklichen Zählgemeinschaft lud die SPD noch Anfang August zu einer Veranstaltung in die Schule, um für das Vorhaben „Gemeinschaftsschule“ an dem Standort zu werben. Dem Vernehmen nach hat erst der Abgang von KIDS e.V. dazu geführt, dass auch die SPD im Bezirk aufhorchte.

Die Missstände an der Schule wurden vor knapp einem Jahr publik. Die Bildungsverwaltung konterte damals die Vorwürfe gegen die neue Leiterin mit dem Rassismusvorwurf gegen das Kollegium. Zudem wurde lanciert, dass eine hohe Menge Bargeld in einem Schultresor gelegen habe - eingesammelte Elternbeiträge für Lernmittel -, obwohl das Geld hätte auf ein Konto eingezahlt werden müssen.

Später wurde allerdings von der Verwaltung klar gestellt, dass sich niemand bereichert habe. Dennoch wurde der Vorgang skandalisiert. Zudem gab es Vorwürfe hinsichtlich der Verwendung von Personalmitteln. Die Frage, ob die Vorwürfe so schwer wiegen, dass sie disziplinarrechtliche Konsequenzen haben, blieb in der Vergangenheit immer unbeantwortet.

"Die Schule kann auf viele anerkannte Konzepte aufbauen"

"Ich wünsche der neuen Leitung viel Erfolg dabei, Ruhe an die Schule zu bringen und dabei den ambitionierten Prozess des Umbaus zur Gemeinschaftsschule in Abstimmung und kooperativ mit allen Beteiligten stufenweise zu entwickeln", sagte am Abend die Vorsitzende des bezirklichen Schulausschusses, Martina Zander-Rade (Grüne). Dabei könne die Schule "auf viele anerkannte Konzepte und Projekte der Vergangenheit aufbauen". Im Mittelpunkt müssten dabei aber insbesondere die Schülerinnen und Schüler stehen.

Gähnende Leere. Auf vielen Seiten der Johanna-Eck-Homepage steht nur: "Der Inhalt wird aktualisiert".
Gähnende Leere. Auf vielen Seiten der Johanna-Eck-Homepage steht nur: "Der Inhalt wird aktualisiert".

© Susanne Vieth-Entus

Wie viele Angebote es zumindest einmal gab, lässt sich anhand der Homepage der Schule rekonstruieren: Etliches - wie etwas das Projekt "Coole Klasse", die "Schülerexperten", das Konzept des Streitschlichtens, das Schulversprechen oder das "soziale Lernen in der Eingangsphase" - ist noch als Stichwort vorhanden: Wenn man die Begriffe anklickt, erscheint aber seit langem die Zeile "Der Inhalt wird aktualisiert".

Überall prangt der Name der Schulleiterin

Andere Menüpunkte bestehen nur noch in veralteten Texten und Bildern: Seit 2016 - dem Zeitpunkt des Amtsantritts von Özhan-Erhardt - reißen die meisten Berichte aus dem Schulleben auf der Homepage ab. Und dann gibt es noch große und über Jahre gewachsene Bestandteile des Schullebens wie die "Guardian Angels", die nicht einmal mehr als Stichwort auf der Seite zu finden sind. Nur wer den Begriff im Suchfeld eingibt, findet den Inhalt - und sieht, mit welcher Intensität einst am friedvollen Schulleben gearbeitet wurde.

Stattdessen erscheint - das galt zumindest bis Donnerstagabend - unter jedem Menüpunkt der Name Özhan-Erhardts. Auch das ist ungewöhnlich: Üblicherweise findet man die Namen von Schulleitern auf den Schulhomepages nur unter dem Stichwort "Schulleitung" und im Impressum. 

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