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Im Streit zwischen Frank Zander und seinem Vermieter warten beide auf das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg.

©  Georg Wenzel/dpa

Berühmteste Baustelle von Berlin-Charlottenburg: Wie der Streit zwischen Frank Zander und seinem Vermieter alle Beteiligten zermürbt

Zwischen dem Sänger und seinem Vermieter stand zwischenzeitlich eine Annäherung im Raum. Die ist jetzt vom Tisch – am Donnerstag verhandelt das Gericht.

An diesem heißen Juni-Nachmittag liegt über der Neuen Kantstraße in Charlottenburg eine träge Ruhe. Junge Mütter und Väter karren auf Fahrrädern kleine Kinder nach Hause, der Verkehr fließt zum Feierabend langsam dichter. Aus einem der Häuser unter den Gerüsten kommt eine Frau heraus, sie ist um die 60, an ihrer Seite ein Mädchen und ein Junge, beide etwa acht oder neun Jahre alt. „Das ärgert mich wirklich, dass hier Baustelle ist“, sagt das Mädchen. Die Frau erwidert mit einem Schmunzeln im Gesicht: „Das ärgert aber vor allem Herrn Zander.“

Die Geschichte von der Baustelle an Frank Zanders Haus ist im Stadtteil gut bekannt. Und doch hätte der Schlagersänger auf diesen Ruhm gerne verzichtet, sagt er. Denn das Ganze sei für ihn belastend. Der Streit um den Dachausbau über seiner Wohnung im vierten Stock an der Witzlebenstraße endete mit einer Kündigung. Zander und seine Frau Evelyn müssen nun nach 54 Jahren ausziehen. Und Zander wehrt sich dagegen. Am Donnerstag verhandelt das Amtsgericht Charlottenburg den Fall.

Begonnen hatte alles vor zwei Jahren, als der neue Hauseigentümer – Michael Pribil aus Pullach bei München – beschloss, im Dachgeschoss vier neue Wohnungen zu bauen. Die von ihm beauftragte Firma brach die Schlösser zum Dachboden auf – ohne Rücksprache mit Zander, der die Räume seit mehr als 30 Jahren gemietet hatte.

Der Konflikt, der sich daran entzündete, eskalierte im Laufe der Monate immer weiter. Die Familie litt unter den Bauarbeiten, Zander beschwerte sich darüber in den Medien und in den sozialen Netzwerken. Nachdem der Sänger in einer Fernsehsendung der „Bild“ von den „Arschlöchern aus München“ sprach, bekam er eine fristlose Kündigung. „Das ist mir herausgerutscht“, sagt Zander heute. Sein Vermieter lässt das nicht gelten. Denn Zander hatte das Gleiche bereits vor der „Bild“-Sendung in einem Podcast mit Barbara Schöneberger gesagt – und zudem von einer „Vereinigung von Idioten“ gesprochen. „Von einem Ausrutscher kann nicht mehr die Rede sein“, sagt Pribil.

Pannen auf der Baustelle und verletzte Gefühle

Die verschiedenen Auffassungen sind für den Konflikt symptomatisch. Denn es scheint dabei mindestens so sehr um Umgangsformen – und damit letztlich um verletzte Gefühle – wie um Fakten zu gehen.

Zu den Fakten zählen unter anderem diverse Pannen auf der Baustelle. Die Baubehörde verhängte deshalb zwischenzeitlich einen Baustopp wegen Einsturzgefahr. Dabei durfte Zander laut seinem Anwalt Michael Nuschke zwei seiner Zimmer nicht mehr betreten. Zuletzt war ein Teil von Zanders Decke in seiner Wohnung heruntergekracht – ein Bauarbeiter habe versehentlich auf eine undichte Stelle getreten, hieß es. Der Vermieter hatte sich öffentlich dafür entschuldigt. Dennoch sei die Lage kaum auszuhalten gewesen, sagt Zander dem Tagesspiegel. „Das Jahr war für uns eine Tortur.“

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Im Hauseingang stapeln sich derzeit Kartons voller Bauteile, an der Wand lehnen Metallstangen. „Inzwischen ist der Großteil der Baustelle zwar weg“, sagt Zander. „Oben bröckelt‘s aber immer noch.“ Laut dem Vermieter sollen die neuen Wohnungen Anfang August einzugsbereit sein. „Wegen Herrn Zanders Dachboden-Beschwerde hat sich die Fertigstellung um ein halbes Jahr verzögert“, sagt Pribil.

Davon verlangt er für zwei Monate und vier Tage, solange hatte Zander den Boden nicht geräumt, 12.000 Euro Schadensersatz. Dabei endete der erste Prozess, in dem Pribil wegen der Räumung des Dachs geklagt hatte, nach Angaben des Vermieters zunächst mit einem Vergleich. Rechtsanwalt Nuschke bestreitet das und spricht von einem „Versäumnisurteil“, das der Vermieter angenommen habe. „Das ist etwas, was man etwa dann tut, wenn man seine Chancen vor Gericht als schlecht einschätzt und sie später verbessern will.“

Mittlerweile hat der Hauseigentümer die Einigung revidiert. Am nächsten Termin, der vom 22. April auf 17. Juni verschoben wurde, soll es nun um zwei verschiedene Verfahren gehen. Im ersten klagt Pribil nun auch wegen der Räumung der Wohnung aufgrund der Kündigung. In dem anderen klagt wiederum Zander gegen seinen Vermieter; er will für die Dauer der Baustelle eine Mietminderung. Pribil sieht sich mit der Kündigung allerdings im Recht. „Alles, was ich wollte, war eine Entschuldigung von Herrn Zander wegen seiner Beschimpfung“, sagt er. „Stattdessen scheint man sogar noch einen drauf legen zu wollen.“

Ein Vermittlungsversuch scheitert

Die Fronten haben sich mittlerweile so verhärtet, dass zwischen Mieter und Vermieter eine Annäherung kaum noch möglich erscheint. Das Gericht muss nun klären, wer den Prozess im juristischen Sinne gewinnt.

Belastend – das lässt sich jetzt schon sagen – ist die Angelegenheit für alle Beteiligten. „Meine Eltern leiden unter der ungewissen Zukunft sehr“, sagt Marcus Zander, der Sohn und Manager von Frank Zander, „und ich mit ihnen auch.“ Um seine Mutter, die die Wohnung von ihrem Vater bekam und damit als erste einzog, mache er sich am meisten Sorgen. „Für sie wäre ein Umzug fast noch schlimmer als für meinen Vater.“ Frank Zander erzählt, dass seine Frau in den vergangenen Monaten eine Hautkrankheit entwickelt habe: Prorigo Nodularis. „Das hat auch etwas mit dem Stress zu tun.“

Der Dreck im Treppenhaus und vor der Haustür, der Baulärm ab sieben Uhr morgens – „rattern, bohren, hämmern, sägen!“ – habe sie verzweifeln lassen. Die Lage setzt aber auch dem Vermieter zu. „Ich musste mich davon abschotten, deshalb habe ich dem Anwalt alle rechtlichen Schritte überlassen“, sagt Pribil. Er habe eine solche Entwicklung weder beabsichtigt noch vorausgesehen. Dass Herr Zander seine weitaus größere mediale Präsenz zum eigenen Vorteil nutze, finde er mehr als schade. „Ich will Frieden“, sagt Pribil.

Bis zum Deckenbruch in Zanders Wohnung hatten beide Parteien noch nie persönlich miteinander gesprochen. Das hat sich inzwischen geändert. Ein Berliner Kommunalpolitiker, der beide kennt, wollte vermitteln und stellte den Kontakt her. Marcus Zander rief Pribil an. Beide betonen, wie vielversprechend das erste Telefonat lief und wie sehr sich darauf freuten, auf den Rechtsbeistand zu verzichten.

Das ging schief. Warum, bleibt unklar – denn ab jetzt hat jede Seite wieder ihre eigene Sicht der Dinge. Zanders Sohn sagt, es habe ihn überrascht, wie ausgefeilt und „knallhart“ Pribils Angebot war, das unmittelbar auf das Telefonat folgte. Er beruft sich auf das laufende Gerichtsverfahren und will dabei keine Details nennen. Als Grund dafür vermutet er aber, dass es dem Vermieter vor allem ums Geld geht: „Die Miete, die meine Eltern zahlen, dürfte inzwischen ein Vielfaches wert sein.“

„Das wird uns zermürben“

Pribil dementiert. Noch immer habe er nicht vor, die neuen Wohnungen im Haus weiterzuverkaufen. Sollte er im renovierten Gebäude, das jetzt auch über einen Aufzug verfügt, die Miete anheben, dann um maximal zehn Prozent. Noch sei aber keine Mieterhöhung geplant, sagt er. „Auch wenn es so gut ins Klischee passt: Ich bin kein Miethai.“ Im ersten Telefonat habe Marcus Zander ihm gesagt, dass er vorhabe, für seine Eltern in einigen Jahren ohnehin eine andere Wohnung zu suchen, um die bald Achtzigjährigen näher bei sich zu haben. Pribil habe ihn dann gebeten, den Zeitpunkt dafür selbst zu bestimmen und das in einem Vertrag festzulegen. Daraufhin sei Zanders Sohn hochemotional und rüde geworden. Seitdem habe er von den Zanders nichts mehr gehört.

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„Vielleicht habe ich damit einen Fehler gemacht“, sagt Zanders Sohn dazu. Als Familienmitglied laufe man Gefahr, doch die Kontrolle über seine Emotionen zu verlieren. „Deshalb sollte man die Anwälte machen lassen.“ Noch einen Gesprächsversuch wagen, will er nicht mehr: „Ich habe dabei am ganzen Körper gezittert.“ Auch Pribil will sich nicht mehr darauf einlassen. „Ich konnte diese Reaktion nicht nachvollziehen“, sagt er.

Was er in dem Vertrag allerdings verlangt habe, sagt Pribil, sei gewesen, dass Mieter und Vermieter sich vertragen. Und zwar so, wie sie sich auch gestritten hatten: öffentlich. Mit Handschlag. Sollte es vor dem Gericht keine Einigung geben, haben beide Seiten bereits angekündigt, in Revision zu gehen. „Das wird uns zermürben“, sagt Frank Zander.

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