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Giffey gilt als Hoffnungsträgerin der SPD. Sie kam mit blendender Laune zur Klausur der Berliner Fraktion in Nürnberg.

© imago images/Reiner Zensen

Ministerin, Landesvorsitzende oder Regierende?: Wie Franziska Giffey sich für den Kampf mit Michael Müller warmläuft

Eine fröhliche Familienministerin besuchte die SPD-Fraktionsklausur am Wochenende. Ihre Art sorgte für Begeisterung - doch Michael Müller wird nicht aufgeben.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Michael Müller war gerade nicht im Saal. Er musste sich in den dunklen Anzug werfen und von Nürnberg nach Würzburg fahren. Als Wahlkampfhelfer für die bayerischen Genossen, die vor wichtigen Kommunalwahlen stehen.

So bekam der SPD-Landeschef und Regierende Bürgermeister nicht mit, dass Franziska Giffey am Samstagnachmittag den neobarocken Sitzungsraum im Hotel Le Meridien stürmte, in dem sich die Berliner SPD-Fraktion drei Tage lang über eine sozialdemokratische Klimapolitik den Kopf zerbrach.

Unbekümmert plauderte die Bundesfamilienministerin drauf los. „Hallo, ihr Lieben!“ Sie sei seit Freitag im bayerischen Kommunalwahlkampf unterwegs, unter anderem in Augsburg und Nürnberg. „Da hab’ ich gedacht, wenn man schon mal in der Gegend ist, muss man wenigstens vorbeischauen.“ Giffey fand es toll, dass sich die Parteifreunde aus Berlin „mit den wichtigen Themen der Stadt auseinandersetzen“. Eine starke Sozialdemokratie sei nötig, auch in Berlin.

Fröhlich, wie sie gekommen war, beendete die Ministerin nach 15 Minuten ihren Kurzauftritt, ein paar Genossen nötigten sie noch zu Selfies, dann war sie schon fast wieder weg.

Aber dann lief ihr doch noch der Berliner SPD-Chef Müller über dem Weg, sie begrüßen sich freundlich. Guten Tag, guten Weg. Und tschüss!

Noch tun sie sich nicht weh – das kann sich aber ändern

Noch haben beide eine unterschiedliche Rolle und tun sich nicht weh. Das könnte sich aber schon bald ändern.

Müller will kämpfen, das war auch auf der Fraktionsklausur zu spüren. Am Sonnabend schwor er in einem knackigen Appell die Genossen auf den bevorstehenden Wahlkampf 2021 ein. Und dass die Berliner SPD dieses Jahr nutzen müsse, um ein eigenes Profil zu gewinnen. „Es ist das Jahr der Chancen – und das müssen wir nutzen!“

Der Beifall der Abgeordneten war nicht stürmisch, aber anerkennend. Will Müller es doch noch einmal wissen? Keiner weiß es, abends bei Wein und Bier wird aber fleißig spekuliert.

Wahl zum Landesvorstand im Mai

Und was will Giffey, die seit über einem Jahr in der Berliner Partei als geheime Reserve für die Spitzenkandidatur bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 gehandelt wird? Vielleicht auch als neue SPD-Landeschefin. Der Vorstand der Berliner Sozialdemokraten wird im Mai neu gewählt. Noch ist nichts geordnet, es wird frei spekuliert. Was wohl auch daran liegt, dass Müller wie Giffey sich überhaupt nicht in die Karten schauen lassen, die Zahl der Berater und engen Vertrauten ist auf beiden Seiten an einer Hand abzuzählen. Und die verraten nichts, auch wenn sie was wissen sollten.

Der frohsinnigen Giffey, der auch bei einem Kurzauftritt, wie hier in Nürnberg, die Herzen der Genossen zufliegen, stand an diesem Wochenende immerhin ein Michael Müller gegenüber, der für seine Verhältnisse sehr entspannt war. Auch wenn die persönliche Distanz zwischen beiden bei der kurzen Begegnung auf dem Flur mit Händen zu greifen war. Müller gibt den Regierungschef, der noch große Projekte anschieben will. Sie die Ministerin, die in den nächsten eineinhalb Jahren noch viel zu tun hat.

Michael Müller schwor die Genossen schon mal auf den Wahlkampf 2021 ein.
Michael Müller schwor die Genossen schon mal auf den Wahlkampf 2021 ein.

© dpa

Klar ist nur: Was zu entscheiden ist in der Berliner SPD, entscheidet sich zwischen den beiden. Die jahrelange Rivalität zwischen dem Regierungschef und dem ehrgeizigen, einflussreichen und exzellent vernetzten SPD-Fraktionschef Raed Saleh spielte – wie schon länger – auch auf dieser Klausurtagung in Nürnberg keine Rolle.

Der eine frotzelte über den anderen, wenn der andere nicht mit am Tisch saß. Aber mehr nicht, die Zweckgemeinschaft zwischen der Führung im Roten Rathaus und der Fraktionsspitze funktioniert ganz gut. Der SPD geht es schlecht, da hilft es nicht, noch mehr zu zündeln.

Allein oder als Doppelspitze – aber in keinem Fall mit Müller

Also blieb es auch an diesem Wochenende beim Parkettgeflüster. Will Müller tatsächlich bleiben, auch gegen Widerstände der Partei? Oder geht er in den Bundestag oder verschwindet ganz in der Versenkung, weil er sich möglicherweise verzockt? Auch Giffey betreffend bleibt es fraktionsintern nur bei Vermutungen – aber auch gewissen Anforderungen.

Klar ist: Die Entscheidung fällt zwischen Giffey und Müller. Die alte Rivalität zwischen Müller und Fraktionschef Saleh spielte keine Rolle.
Klar ist: Die Entscheidung fällt zwischen Giffey und Müller. Die alte Rivalität zwischen Müller und Fraktionschef Saleh spielte keine Rolle.

© picture alliance / dpa

Wenn sie Spitzenkandidatin werden wolle, was der SPD-Landesverband voraussichtlich erst im Frühjahr 2021 entscheidet, müsse sie im Mai dieses Jahres Flagge zeigen und für den Landesvorsitz kandidieren, war zu hören. Allein oder als Doppelspitze, in keinem Fall mit Müller. Das wiederum würde den noch Regierenden bis zur Berliner Wahl in seinem Amt bedeutend schwächen, heißt es.

Und beeinträchtigt die Führung eines sehr komplizierten, sehr linken Landesverbands nicht die Arbeit und Reputation der Bundesministerin? Auch diese Frage bleibt vorerst ohne Antwort. Es war auf der Klausurtagung auch niemand zu finden, der weiß, ob Giffey für den Bundestag kandidieren will. Irgendwie passt alles nur schwer zusammen und es sieht so aus, als wenn sich frühestens im April, nach den SPD-Vorstandswahlen auf Bezirks- und Ortsverbandsebene, der Nebel lichtet. „Wir warten, dass sie bald was sagt“, meinte am Samstagabend eine Genossin. Und zwar mehr als nur „Hallo“.

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