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Rock'n'Roll in der Heilig-Geist-Kirche in Werder (Havel).

© Andreas Klaer

Debatte um Gotteshäuser: Wie viel Rock'n'Roll verträgt die Kirche?

In einem Brandbrief beklagt eine Kirchengängerin in Werder die Rockkonzerte in ihrer Kirche. Doch die Gemeinde steht hinter den Veranstaltungen.

Schwarze Lederkluft, lange, strähnige Haare, rauchige Stimme. Der Sänger dröhnt ins Mikro: „I'm on the highway to hell, On the highway to hell“. Das Publikum jubelt. Ein Scheinwerfer taucht das Kruzifix am Altar der Heilig-Geist-Kirche im brandenburgischen Werder (Havel) in pinkes Licht.

Hard Rock und Heavy Metal in einer Kirche? Seit sechs Jahren pilgern Rockfans aus ganz Deutschland zwei Mal im Jahr auf die Werderaner Insel, eine halbe Stunde mit dem Auto südwestlich von Berlin gelegen, um zwischen Kirchenbänken zu feiern.

Für die Veranstaltungsreihe „Rock’n church“, die der Werderaner Werbegrafiker und leidenschaftliche Rocker Hendrik Scholz organisiert, bekommt er viel Lob. Doch nicht jedem passt, was er da macht.

Eine gläubige Christin hat ihm jüngst einen vierseitigen Brief geschickt, ihm unter anderem Gotteslästerung vorgeworfen. Die Diskussion, wie viel Rock in einer Kirche sein darf, ist in Werder neu entfacht.

"Mit der Hölle gedroht"

„Die Frau hat mir mit der Hölle gedroht“, sagt Scholz. Der 62-Jährige zuckt dennoch mit den Schultern, er sei Atheist und verstehe davon nichts. „Sollte es einen Gott geben, hat er sicher nichts dagegen, wenn in seinem Haus viele Menschen glücklich sind.“

Scholz, der die Vorwürfe nicht unkommentiert lassen möchte, hat Passagen des Briefes im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht. Am Ende seines Beitrages fragt er die anderen Nutzer: „Soll ich weitermachen oder verletze ich zu sehr die Gefühle der Christen?“

Bei Coverbands wie von AC/DC oder Black Sabbath und Songtexten in denen die Hölle so prominent besungen wird, kann der ein oder andere Gläubige sich leicht auf die Füße getreten fühlen. Die Kirche als spiritueller Ort, als Ort, an dem man ehrfürchtig sein sollte, wird damit infrage gestellt. So die Befürchtung.

Die Bedenken kennt Pfarrer Georg Thimme gut. Lange hatte er zu Beginn der Konzertreihe im Gemeindekirchenrat mit den anderen Mitgliedern diskutiert. Sehr kontrovers, wie Thimme berichtet.

"Die Mehrheit ist aufgeschlossen"

Am Ende aber war klar, dass die evangelische Gemeinde das außergewöhnliche Format doch in ihren heiligen Räumen haben möchte. „Dass nicht alle der 3000 Mitglieder das gut finden ist klar, aber die Mehrheit steht dem Projekt aufgeschlossen gegenüber“, sagt Thimme, der selbst auch Rockfan ist.

Thimme verfolgt einen pragmatischen Ansatz: „Das Christentum lebt von der Begegnung mit anderen Menschen.“ Kirche sei zudem ein öffentliches Gebäude, und in der Kirche habe es schon immer Musik gegeben. Welche, das sei nirgendwo festgelegt.

Also wieso nicht auch Rock und Heavy Metal? In der Heilig-Geist-Kirche werde mittlerweile das ganze musikalische Spektrum abgedeckt: Von Musicals über Pop bis hin zu klassischen Orgelkonzerten.

Zudem seien die Konzerte eine gute Möglichkeit mit den Gästen, die womöglich sonst nicht so oft in Kirchen gehen, ins Gespräch zu kommen. Immer wenn Pfarrer Thimme auf die Konzerte geht, seien „gute Gespräche entstanden“.

Die Kirche wieder vollmachen

Ein Rockkonzert in der Kirche, das mache auch etwas mit dem Publikum. Nicht zuletzt werde bei den Rockern eine Sensibilität für den Glauben, für Christen geweckt. „Auch wenn sie nicht an Gott glauben, bekommen sie eine Ahnung davon, dass Kirche ein besonderer Ort ist.“

Und auch Hendrik Scholz bestätigt, dass das Publikum nach den Konzerten wie verwandelt ist. „Die helfen mir beim Stühle zusammenräumen, sie umarmen mich – und das auf einem Rockkonzert.“

Angefangen hat alles vor sieben Jahren mit einem flapsigen Versprechen. Damals lud Scholz, der auf einem Hausboot wohnt, Pfarrer Thimme zu sich ein. Er hatte zuvor die Heilig-Geist-Kirche an einem Wochenende besucht und war erstaunt, wie wenig Menschen im Gottesdienst saßen.

Scholz, der sich für Kirchenarchitektur interessiert, fragte Thimme, „ob ich ihm seine Kirche mal richtig vollmachen sollte“.

Nichts Menschen- oder Kirchenverachtendes

Thimme willigte ein, diskutierte mit dem Gemeindekirchenrat. Am Ende gab es grünes Licht und eine klare Regel: In der Moderation und den Liedtexten darf nichts Menschen- oder Kirchenverachtendes vorkommen.

Bei den ersten Terminen von „Rock’n church“ war Thimme noch dabei – mittlerweile vertraut er Scholz. Die Kirche ist regelmäßig voll. Neue Kirchenmitglieder zu gewinnen, darum geht es dem Pfarrer nicht. Eher darum, offen auf andere Menschen zuzugehen, Kirche auch mal anders zu denken. Und er ist stolz, dass seine Kirche auch Rock kann.

Den Brief der Werderanerin möchte der Pfarrer nicht kommentieren. Muss er auch nicht. Die Antworten aus dem sozialen Netzwerk geben Scholz genügend Rückendeckung. Die Ansichten der Frau seien fundamentalistisch. Man sei froh, dass die Werderaner Kirche Christen und Nicht-Christen durch Musik miteinander verbindet.

Eva Schmid

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