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Erstmals ist eine Wölfin auch durch Berlin gestreift.

© picture alliance / Bernd Thissen/dpa

Wildtiere in der Stadt: Junge Wölfin besucht Berlin - und zieht weiter

Erstmals hat eine Wölfin Berlin besucht. Der städtische Wildtierexperte ist aus dem Häuschen, die Wölfin dagegen hielt es nur kurz in Stadtnähe aus.

Es war Ende Januar, und es war Juli. So heißt die Wölfin, die als erste ihrer Art erwiesenermaßen durch Berlin gestreift ist – außerhalb von Zoo & Co., versteht sich. Tief im Südosten, wo der Bezirksbürgermeister Igel heißt und Corona sich im Wald verirrt, war sie nachts unterwegs und ruhte am Tag, teils in Sichtweite der S-Bahnstrecke zwischen Grünau und Eichwalde.

Sie war aus Sachsen gekommen, von der Muskauer Heide her, wo sie vor bald zwei Jahren geboren und von Wolfsbeobachtern mit einem Sender bestückt worden ist. Der meldete einen Abstecher nach Polen und dann eine Wanderung etwa entlang der A 13 – inklusive mehrfacher unfallfreier Querung der Autobahn!

Zwischen Schönefelder Kreuz und Zeuthen ging’s nach Berlin, wo die Fähe sich im Wald zwischen Schmöckwitz und Grünau herumtrieb, mal links und mal rechts des Adlergestells und manchmal auch nahe menschlicher Besiedlung, ohne je dort aufzutauchen.

Man weiß das so genau, weil auf Berliner Wunsch hin die Positionsmeldungen des Senders vom Vierstundentakt auf stündlichen Rhythmus hochgeschaltet worden waren – auch wenn das viel Saft aus den Batterien zog.

Vielleicht den Wolf fürs Leben gefunden

„ Es ist der erste wirkliche Nachweis eines Wolfs in Berlin“, berichtet Derk Ehlert. Der Wildtierexperte der Umweltverwaltung, zu dessen Berufsbild sonst die Sichtung verwackelter Hundebeweisfotos und unscharfer Augenzeugenberichte gehört, wird euphorisch, wenn er von jenen Tagen erzählt.

Die Wölfin ist mit einem Sender versehen, mit dem sich ihre Bewegungen nachverfolgen lassen.
Die Wölfin ist mit einem Sender versehen, mit dem sich ihre Bewegungen nachverfolgen lassen.

© Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Nur mit Mühe hielt es ihn im Büro, bis „Juli“ am 1. Februar frühmorgens Berlin fast auf demselben Weg verließ, auf dem sie gekommen war. Stunden später war Ehlert auf ihren Spuren unterwegs und fand – nichts außer einer plattgelegenen Stelle im Unterholz nahe einem Waldweg.

[Ein gerissenes Schaf im Herbst 2019 in Berlin-Gatow, unter Verdacht ein Wolf - oder doch ein Hund? Gab viel Geschrei, hier das Ergebnis. Immer konkret: unsere Bezirks-Newsletter vom Tagesspiegel leute.tagesspiegel.de]

Ehlert fühlte sich wie im Märchen, was auch daran lag, dass sein Schützling sich nicht wie im Märchen verhalten hatte, sondern nach Lehrbuch. Also maximal unauffällig. „Selbst Leute, die mit ihren Hunden dort mehrmals täglich im Wald unterwegs sind, hatten nichts bemerkt.“ Und wenn, dann hätten sie nicht flüchten müssen. Ehlert rät für den Fall einer Wolfsbegegnung nur dringend zum Fotografieren und zum Freuen.

Und Juli? Lief durch die Biotope, die die Menschheit ihr gelassen hat, zurück nach Sachsen, schaute in Polen vorbei – und machte sich bald wieder auf den Weg nach Berlin, aber umlief die Stadt diesmal ostwärts und zog hinauf bis zum Müritz-Nationalpark.

Während unsereins nicht mehr an die Ostsee durfte, erreichte sie den Darß, aber blieb dort nicht, sondern drehte südwärts ab, um sich nach mehr als 1000 Kilometern seit ihrem Berlinbesuch auf einem Truppenübungsplatz bei Neubrandenburg niederzulassen.

[Mehr aus Treptow-Köpenick lesen Sie hier in unserem Tagesspiegel-Bezirksnewsletter: leute.tagesspiegel.de]

Gut möglich, dass sie dort den Wolf fürs Leben gefunden hat.

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