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Yasamin (links) und Ana gehören zu den Demonstranten, die gegen das iranische Regime auftreten.

© Frank Bachner

„Wir lassen uns nicht einschüchtern“: Angriff auf Gegner des iranischen Regimes in Berlin

In Mitte sind erneut Demonstranten gegen das iranische Mullah-Regime attackiert worden. Die Angreifer hätten sie schon seit Tagen beobachtet, sagen die Opfer.

Yasamin hält ein zerbrochenes Holzschild in den Händen, als sie sagt: „Jetzt haben wir ein Gefühl dafür bekommen, wie es den Frauen im Iran jeden Tag geht. Ich hatte heute Nacht Alpträume.“ Der Mann, der das Schild zerbrochen hat, hat Yasamin auch mit einem Messer bedroht, gegen 23 Uhr in der Nacht zum Sonntag, direkt vor dem Naturkundemuseum in Mitte.

Zwölf Stunden später steht Yasamin vor mehreren Zelten, neben ihr lehnt ein Schild mit der Aufschrift „WOMAN LIFE FREEDOM“ an einem Baumstamm, und die 21-Jährige Iranerin, die nur ihren Vornamen nennt, sagt auch: „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir hatten gewusst, dass etwas passieren würde. Wir hatten uns mental darauf vorbereitet.“

Zwei Wochen nach einer Attacke auf Demonstranten gegen das iranische Regime vor der Botschaft in Dahlem ist nun hier etwas passiert. Es ist die nächste Attacke auf Gegner des islamischen Regimes, das Proteste brutal unterdrückt.

Die Gruppe „Feminista“ demonstriert beim Naturkundemuseum

Die Frauenrechtsgruppe „Feminista“ demonstriert hier auf einer Grünfläche seit sechs Wochen gegen das Mullah-Regime. Auf der anderen Straßenseite ist die Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Die Aktivisten fordern mit ihrem Protestcamp die Partei von Außenministerin Annalena Baerbock auf, den Iran politisch zu isolieren und die von Baerbock angekündigte feministische Außenpolitik umzusetzen.

Zur Vorbereitung auf eine mögliche Attacke gehörte auch personelle Verstärkung. Rund 30 Personen umfasst der Kern der Demonstranten, rund 200 Unterstützer helfen ihnen. „Wir haben sofort nach dem Vorfall in Dahlem dafür gesorgt, dass nachts nicht mehr einer allein Wache hält“, sagt Yasamin. In Dahlem wurden drei Männer so attackiert, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten.

In der Nacht haben fünf Menschen Wache gehalten

Und weil in der Nacht zu Sonntag fünf Menschen die Augen offen gehalten hatten, rannte gleich eine Gruppe von ihnen los, als sie sahen, wie ein Mann in 20 Meter Entfernung ein Schild zerbrach, auf dem eine Parole zum Sturz des Regimes geschrieben war. Das Schild hatte an einem Baumstamm gelehnt. Zwei Frauen, gehüllt in einen islamischen, knöchellangen Hijab, und ein Mann sahen dem Täter zu.

Jetzt zeigen wir bei Demonstrationen unser Gesicht.

Ana, iranische Demonstrantin

Alle vier flüchteten im Anschluss. Doch die Verfolger holten den Täter ein, er hatte noch das zerbrochene Schild in der Hand. Plötzlich, sagt Yasamin, habe er ein Messer gezogen und sie bedroht. Doch in Sekundenschelle, sagt Yasamin, tauchten Polizisten auf und nahmen den 26-Jährigen, einen Mann mit deutschem Pass, vorläufig fest.

Der 26-Jährige war am Sonntagmittag wieder auf freiem Fuß, der Staatsschutz ermittelt gegen ihn. Sein Begleiter wird derzeit nur als Zeuge vernommen, die beiden Frauen flüchteten unerkannt.

Männer hatten das Camp der Demonstranten gefilmt

Die Männer hatte Yasamin schon zuvor gesehen. „Sie hatten uns vor drei Tagen fotografiert.“ Die 21-Jährige zeigt auf mehrere Bäume. „Dort haben sie gestanden. Außerdem sind sie an unserem Camp vorbeigelaufen und haben uns mit dem Handy gefilmt.“

Soheil und Ana sind jetzt dazu gestoßen, auch sie nennen nur die Vornamen. Ana, 33 Jahre alt, eine Unterstützerin, lebt seit neun Jahren in Berlin. Soheil ist Teil des Kerns, er sagt: „Natürlich hatte man nach Dahlem Angst, aber nicht allzu große. Wir lassen uns nicht einschüchtern.“

Ana lächelt, als sie es hört. Sie erklärt an einem Beispiel, wie sehr die Angst nachgelassen hat. „Früher“, sagt die Iranerin, „haben wir bei Demonstrationen Covid-Masken getragen, damit man uns nicht erkennt. Jetzt zeigen wir bei Demos unser Gesicht.“

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