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Auf der Liste der zehn Top-Exportmärkte Berliner Unternehmen ist nur Polen vertreten.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wirtschaftsmärkte im Osten: Warum Berliner Unternehmen nicht nach Osteuropa exportieren

Im Osten nichts Neues: Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall scheuen sich viele Mittelständler noch, in osteuropäische Nachbarländer zu exportieren – doch warum?

Als vor 30 Jahren der Eiserne Vorhang fiel, eröffnete sich Berlins Wirtschaft beinahe über Nacht ein neuer, gigantischer Absatzmarkt direkt vor der eigenen Haustür. Doch die Unternehmer zögerten. Noch bis heute scheuen sich viele kleine und mittelständische Unternehmen aus der Region, in Richtung Osteuropa zu exportieren.

Beispiel Polen: Im vorigen Jahr exportierten Berlins Firmen Waren und Dienstleistungen mit einem Gesamtwert von 700 Millionen Euro in das östliche Nachbarland. Auf der Liste der zehn Top-Exportmärkte reichte das gerade mal für Platz sieben. Und Polen ist damit nach wie vor der einzige osteuropäische Handelspartner für Berliner Unternehmen, der es in die Top-10 schafft.

Erst auf Platz elf folgt als zweitwichtigster Exportpartner im Osten: Russland. Trotz der Sanktionen wegen der Krise in der Ukraine ist das Land immer noch ein bedeutender Abnehmer. Hier gab und gibt es zum einen historisch enge Verflechtungen, zum anderen sind nicht alle Branchen gleichermaßen betroffen.

Neue Geschäftsfelder brauchen Zeit und Geduld

Das nur wenige Autostunden von Berlin entfernte Tschechien, das wirtschaftlich floriert und wo die Arbeitslosenquote niedrig ist, folgt mit 330 Millionen Euro auf Platz 14. Es tut sich dort etwas: Die Berliner Exporte in das Land sind in den vergangenen Jahren um 64 Prozent gestiegen.

Verglichen mit den Top-10 der Berliner Absatzmärkte ist Tschechien jedoch ein kleiner Markt, daher fällt der Export in absoluten Zahlen im Gegensatz zu Ländern wie den USA oder China viel geringer aus, erläutert Svenja Fritz, Sprecherin der Senatsverwaltung für Wirtschaft.

Neue Geschäftsfelder brauchen Zeit und Geduld, sind sich Experten einig. „Der bilaterale Handel Richtung Osteuropa ist sicher noch ausbaufähig und dabei ist gerade der EU-Binnenmarkt für die Internationalisierung der Berliner Wirtschaft von herausragender Bedeutung“, sagt Jochen Brückmann, Bereichsleiter Internationale Märkte der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK).

Unterschiede, je weiter man in Richtung Osten schaut

Potenzial im Osten sieht auch die Leiterin der Commerzbank in Brandenburg, Nikola Köller: „Wir sind ganz grundsätzlich der Überzeugung, dass die Berliner und Brandenburger Wirtschaft von einem deutlich höheren Export in den Osten auch global profitieren würde.“ Die Wachstumsraten seien durchaus attraktiv und machten die Länder interessant.

Die wichtigsten Exportmärkte für Berlin.
Die wichtigsten Exportmärkte für Berlin.

© Tsp/Klöpfel

Wobei es hier noch recht starke Unterschiede gibt, je weiter man in Richtung Osten schaut: Neu-EU-Handelspartner Rumänien mit 210 Millionen Euro liegt gleich hinter Tschechien auf Platz 15. Weit abgeschlagen finden sich Bulgarien (Platz 47), Serbien (Platz 57) oder Nordmazedonien (Platz 101).

Berliner Unternehmen exportieren neben pharmazeutischen Erzeugnissen – hier beträgt das Exportvolumen etwa 1,8 Milliarden Euro – vor allem Geräte wie Elektromotoren und elektrische Generatoren, elektrische Transformatoren, Waren wie Kabel und Drähte, medizinische Geräte, Spezialfahrzeuge und Kraftmaschinen (Turbinen).

Doch was ist der Grund, weshalb osteuropäische Länder wie Rumänien oder Bulgarien nicht so hoch im Kurs stehen bei Berliner Unternehmen?

Politische Entwicklung und sprachliche Barrieren als Hindernisse

Hier sind sich die Experten einig. Die politische Entwicklung in einigen Ländern, sprachliche und kulturelle Barrieren, aber auch Währungsrisiken tragen dazu bei, dass kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) den Markteintritt scheuen.

Die Hypovereinsbank unterstützt Berliner Firmen seit vielen Jahren bei der Ost-Expansion: Sie bietet Außenhandelsfinanzierungen an und sichert ihre Kunden zudem gegen Währungsrisiken ab. Die Kursschwankungen seien manchmal so groß, dass der Gewinn, den eine Firma mit dem Handelsgeschäft machen wollte, dahin ist, sagt Stephan Hemmerich, Leiter des Firmenkundengeschäfts der Hypovereinsbank in der Region Ost.

„Durch unser internationales Netzwerk können wir Unternehmen länderübergreifend beraten und sie nicht nur mit Konten, Zahlungsverkehr oder Absicherungen, sondern auch mit lokaler Expertise bei Formalitäten unterstützen“, sagt Hemmerich.

Auslandsgeschäft ein wichtiger Erfolgsfaktor für Wachstum

Das Finanzinstitut sieht für Berlins Exportwirtschaft aber noch einigen Aufholbedarf. In Berlin stehe jeder zwölfte Arbeitsplatz „direkt in Bezug zum Auslandsgeschäft“, schildert Hemmerich. Deutschlandweit sei es hingegen jeder achte. „Das Auslandsgeschäft ist seit vielen Jahren ein wichtiger Erfolgsfaktor für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze in Berlin“, sagt er.

Dabei seien auch die Ausfuhren in Länder wie Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina beachtlich: Wenn auch langsam, wachsen diese durchschnittlich von mehr als acht Prozent, was er als „sehr positiv“ bewertet.

Seidenstraße als Chance für Osteuropa

Bei der Konkurrenz sieht man es ganz ähnlich. Die osteuropäischen Länder hätten als „unmittelbar verlängerte Werkbank kerneuropäischer Länder durchaus profitiert und schöpfen hieraus weiter positive Wachstumsimpulse“, sagt Mathias Paulokat, Sprecher der Commerzbank.

Er sieht insbesondere die neue Seidenstraße, das transkontinentale Infrastrukturprojekt, das Europa mit China auf 10.000 Kilometer Länge verbinden soll, als große Chance für Osteuropa. „Davon dürften die osteuropäischen Länder als Anrainerstaaten profitieren“, prognostiziert Paulokat.

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