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Berlin: Wohnen in der Puppenstube

Stadtlust gegen Landlust: Brandenburgs Orte mit historischen Zentren werben um Bewohner und Touristen.

Potsdam - Mit dem Schlagwort „Stadtlust“ gehen 31 Brandenburger Orte mit historischen Zentren in diesem Jahr auf Werbetour um neue Einwohner und um Touristen. Die sollen die in den vergangenen Jahren aufwendig sanierten Straßen und Plätze mit Leben füllen. „Was nutzen uns Puppenstuben ohne Menschen?“, fragte Neuruppins Bürgermeister Jens-Peter Golde stellvertretend für seine Amtskollegen bei einem Treffen am Freitag in Potsdam. „Wir müssen die Vorteile der Innenstadt mit ihren Geschäften, Restaurants, Ärzten, Schulen und ihrer Kultur viel stärker als Chance betrachten.“ Bestes Beispiel sei das für fünf Millionen Euro zu einer modernen Bibliothek umgebaute Alte Gymnasium im Neuruppiner Zentrum. Innerhalb eines Jahres habe sich die Zahl der Leser von 750 auf 1300 erhöht. Auch jeder zehnte Tourist in der Fontane-Stadt besuche das Gebäude.

„Auch lange Zeit vernachlässigte Viertel wie der Neue Markt gewinnen immer mehr an Attraktivität“, sagte Golde. „Inzwischen schließen wir Schritt für Schritt die Baulücken, die durch den Abriss von Ruinen entstanden sind.“ Um Eigentümer und Interessenten besser zusammenzubringen, will die 1992 gegründete Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ das Internetportal „Altstadtbörse“ in Kürze freischalten.

Während Orte in der Nähe Berlins wie Werder (Havel), Altlandsberg oder Potsdam sehr gut nachgefragt werden, gibt es in den meisten anderen Mitgliedsstädten wie Dahme (Mark), Ziesar, Perleberg, Kyritz und Templin noch viele Angebote. Die meisten Interessenten an einer Wohnung in einem historischen Zentrum, so haben die Bürgermeister festgestellt, wollen ein „überschaubares Grundstück oder ein Haus“ für eine Familie. Wichtig seien außerdem ein Stellplatz für das Auto sowie ein Garten. Das ähnelt zwar den Motiven für die zuletzt arg strapazierte „Landlust“. Aber der Bürgermeister von Treuenbrietzen, Michael Knape, sagte dazu: „In den Städten erhalten sie noch echte Nachbarschaften, und zwar nicht selten zwischen Jung und Alt.“

Deshalb richten sich die Werbetour „Stadtlust“ und die Altstadtbörse nicht nur an junge Familien. Gerade Paare ohne schulpflichtige Kinder kehren vom Haus im Grünen wieder verstärkt zurück in die Stadt. Diese könnten beispielsweise ins ehemalige Gefängnis inmitten der Kleinstadt Luckau ziehen, eine Autostunde südlich Berlins. Im einstigen Kloster sind die ersten zehn barrierefreien Wohnungen fertig, 13 weitere folgen. Dazu kommen auf dem geschichtsträchtigen Areal eine Kita, das Kreisarchiv und die als Kulturstätte genutzte Klosterkirche.

Peitz bei Cottbus richtete in zwei Fachwerkhäusern am Markt Wohnungen und einen Spreewaldmarkt ein, während Wittstock den Umbau eines Kontor- und Wohngebäudes einer Tuchfabrik zur Bibliothek feierte. Insgesamt flossen in die Rettung der historischen Bausubstanz der Städte zwischen 1991 und 2013 rund 683 Millionen Euro aus Bundes- und Landeskassen. Bauminister Jörg Vogelsänger sicherte den Bürgermeistern eine weitere Finanzierung „auf hohem Niveau“ zu. Das mühevoll Geschaffene müsse erhalten bleiben. Viel Geld habe auch der Abriss nicht mehr benötigter Plattenbauten gekostet. Rund 60 000 Wohneinheiten seien „vom Markt genommen worden“.

Mit großer überregionaler Aufmerksamkeit können in Kürze zwei Städte mit historischen Zentren rechnen. Doberlug-Kirchhain zwischen Berlin und Dresden bereitet sich auf die erste Brandenburger Landesausstellung vor, die Pfingsten im restaurierten Schloss eröffnet wird. Wo bis 1989 Soldaten gedrillt wurden, hängen dann wertvolle Kunstwerke über die Beziehungen zwischen Preußen und Sachsen. Anlass ist das 200. Jubiläum des Wiener Kongresses, der Europa neu ordnete und große Teile Sachsens den Preußen zuordnete. Die ganze Stadt macht sich für die Ausstellung fein. Noch ein Jahr länger Zeit hat die Stadt Brandenburg. 2105 zur Bundesgartenschau wird sie unter anderem die traditionelle Blumenhalle beherbergen. Bis dahin soll auch der Bahnhof ein attraktives Aussehen erhalten. Claus-Dieter Steyer

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