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Neubauwohnungen in Hakenfelde (Spandau)

© IMAGO STOCK&PEOPLE

Wohnungsnot in Berlin: In Berlin wohnen? Zieht doch nach Spandau!

Es heißt, es mangele Berlin an Bauland. Der Ausweg: Brachen in nicht ganz so zentral gelegenen Stadtteilen entwickeln – zum Beispiel in Spandau.

Doppelte Enttäuschung für alle Wohnungssuchenden in der vergangenen Woche: Erst meldeten Berlins Statistiker, dass immer noch nicht genug gebaut wird, um die vielen Neuberliner mit Wohnraum zu versorgen. Und dann verkündete die landeseigene Förderbank am Wochenende, dass fast 60.000 Wohnungen genehmigt sind, aber viele davon jahrelang nicht gebaut werden. Der Senat verfehlt seine Ziele im Wohnungsbau und steht unter Druck. Der Ausweg: Brachen in nicht ganz so zentral gelegenen Stadtteilen entwickeln, zum Beispiel in Spandau.

„Möbel Manne“, orangeleuchtender Hosenanzug, wehende Haare, jagt seinem Hund nach. Der Trödler hat eine der wilhelminischen Hallen aus rotem Backstein gemietet, die sich auf dem früheren Exerziergelände einen guten Kilometer Luftlinie von der Spandauer Altstadt aneinanderreihen. Bis kurz nach der Wiedervereinigung nutzten auch die britischen Truppen dieses Gelände. Heute werkelt hier eine bunte Mischung Gewerbetreibender. Auto-Schrauber sind klar in der Mehrheit, aber auch das Technische Hilfswerk kam hier unter und „Meyers göttliches Meublement“ bietet Tische, Schirme, Skulpturen und Devotionalien aus Fernost an.

Einen Katzensprung vom Havelufer entfernt

Während des kalten Krieges soll hier ein Teil der „Senatsreserve“ gelagert haben, tonnenweise Lebensmittel für den Fall einer neuerlichen Blockade Berlins durch die Sowjetunion. Aber hier liegt auch die Zukunft der Stadt: Eine Siedlung aus sanierten Baudenkmälern, ergänzt um Town- und Miethäuser, einen Katzensprung vom Havelufer entfernt und der Halbinsel Eilswerder. Man kann sich hier aber auch ein gemischtes Quartier vorstellen mit Neubauten für Vivantes, Gewerbeflächen und Wohnhäusern, wie der Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD) es anregt, und das Land möge bitte Eigentümer bleiben.

Der Bund hat hier die „Schlossbauhütte“ untergebracht mit den Steinmetzen, die hier an den großen Skulpturen und den kleinen Kartuschen feilen, an Löwenköpfen, Blumengirlanden, kurz am ganzen „Bildprogramm“ der Schlossfassade.

Auch in Spandau steigen die Mieten

Der Bund ist hier auch der Hausherr, genauer: die Bima, eine bundeseigene Firma, die dessen Liegenschaften verwaltet und auch diese Gewerbefläche hier – nach nicht immer ganz durchsichtigen Kriterien vermietet. So jedenfalls sagt es Alf Thode, der hier an seinen beiden Harleys schraubt oder vor der Tüv-Abnahme auch mal am Auto eines Kumpels. „Da kann man mehr draus machen“, sagt Schulz. Mit dem „Dragoner Areal“ vergleicht er das Gebiet. Das ist etwas schief, denn das hier ist Spandau und nicht das sagenumwobene Kreuzberg.

Weil sich aber bekanntlich nicht jeder eine Wohnung im innerstädtischen Kiez leisten kann, steigt längst auch die Nachfrage nach Wohnungen in Spandau und deshalb steigen auch hier die Mieten. Und weil die Große Koalition ja eine neue „Liegenschaftspolitik“ inklusive billiger Vergabe von Bauland in den unter Wohnungsnot leidenden Ballungsgebieten versprach, könnte es hier für das Land Berlin Grundstücke zum Nulltarif geben, sodass Wohnungen für weniger als zehn Euro je Quadratmeter entstehen können. Gerade an solchen günstigen Mietobjekten fehlt es am meisten. Dass es hier Nachfrage gibt, zeigt der Rundgang über das Gelände, vorbei an drei Betonsegmenten aus der Mauer, an der verlassenen Alliierten-Tankstelle, weiter hoch zum Askanierring: Hier gibt es bereits Neubauten, die die historische Häuserzeile ergänzen.

Begehrlichkeiten gibt es auch beim Chef von Vivantes. Dessen Klinikum liegt am anderen, südlichen Ende der Gewerbebrache: „Vivantes wollte der Bima Grundstücke abkaufen, aber der Bund hat abgelehnt“, sagt Schulz. Vielleicht ist das aber nicht ganz falsch: Statt das Gebiet nach dem Zufallsprinzip häppchenweise an die nächstbesten Interessenten zu verkaufen, erst Mal einen Plan zur Entwicklung des ganzen Areals entwerfen und das Gebiet dann abschnittsweise bebauen. Schulz jedenfalls fordert eine Übernahme der Fläche durch Berlin und eine Entwicklung durch Landesfirmen.

Eine Fläche, groß wie die Europa-City

Die frühere Bahn-Tochter CA-Immo hat das mit ihrer Gleis- und Contain-Umschlag-Brache nördlich vom Hauptbahnhof gemacht. Heute, rund ein Jahrzehnt nach dem ersten Ideen-Wettbewerb ist die neue "Europa-City" mit den Dutzenden von Neubauten in Grundzügen schon erkennbar. Auch für die Bebauung der Brache am Askanierring gibt der Bezirk Spandau im Juli eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, um zu schauen, was geht. Dass alles sehr schnell gehen kann, wenn man erst mal einen Plan hat, zeigt der Neubau des „Penny“ gegenüber der Brache. Das sei im vergangenen Jahr in kürzester Zeit hochgezogen worden, erzählt Alf, wendet sich ab, greift zu seinem Schraubenschlüssel und murmelt: „Hauptsache, sie jagen uns nicht vom Hof.“

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