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Zu niedrige Besoldung: Das Geld muss nachgezahlt werden – und zwar an alle Berliner Beamten
Jahrzehntelang wurden Berliner Beamte zu niedrig bezahlt. Aber nur ein Teil soll dafür entschädigt werden. Die schwarz-rote Koalition muss für ihre Versäumnisse einstehen.

Stand:
Jetzt hat Berlins schwarz-rote Koalition ein Problem: 95 Prozent der sogenannten A-Besoldung der Landesbeamten sind zu niedrig und damit verfassungswidrig. In den A-Besoldungsgruppen sind die meisten Beamten eingestuft. Auf das Land kommen jetzt Nachzahlungen in Millionenhöhe zu. Und nicht nur das: Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können sich die Beamten nun gewiss sein: Das Land Berlin als Dienstherr hat seit fast zwei Jahrzehnten seine Fürsorgepflicht missachtet.
Alles begann mit dem rot-roten Senat von Klaus Wowereit in den Nullerjahren und seinem Sparsenator Thilo Sarrazin. Gewiss: Rot-Rot musste radikal sparen. Und tat es bei den Beamten auf eine Weise, die – wie nun schwarz auf weiß nachzulesen ist – verfassungswidrig ist.
Doch den Fall allein Sarrazin anzulasten, wäre falsch. Das ganze Ausmaß ist noch viel größer. Denn nicht nur die SPD und ihre damaligen Koalitionspartner, die Linke und ihr Vorgänger, die PDS, sind verantwortlich für die rechtswidrig zu niedrige Besoldung.
Auch alle nachfolgenden Senate und Koalitionen haben trotz klarer Warnsignale immer weitergemacht und nichts korrigiert: CDU und Grüne sitzen also mit im Boot. Getan haben die Verantwortlichen aller Parteien in Regierungsverantwortung nichts. Alle ließen das Problem weiter links liegen, es gab jahrelang nur geringe Anpassungen. Die Schere zwischen dem Sold der Beamten und der sonstigen Entwicklung der Tariflöhne und Preise wurde immer größer.
Oder praktisch formuliert: Wenn ein Beamter mit Familie und Kindern in der unteren Stufe am Ende nicht viel mehr übrig hat als ein Haushalt von Bürgergeldempfängern, dann kann etwas nicht stimmen.
Denn dann verletzt der Staat als Dienstherr das sogenannte Abstandsgebot des Solds zum Armutsrisiko und seine sogenannte Alimentationspflicht. Und das Ausmaß dessen wird gern vergessen. Denn nach dieser Pflicht hat der Dienstherr den Beamten und ihren Familien lebenslang einen amtsangemessenen Unterhalt zu gewähren.
Bekommen nach reiner rechtlicher Lehre nur die Beamten eine Nachzahlung, die Widerspruch gegen die Soldhöhe eingelegt haben, stiftet das den nächsten Unfrieden.
Alexander Fröhlich
Die Beamten stellen sich dafür auf Lebenszeit in den Dienst des Staates. Das alles, so ist es im Beschluss aus Karlsruhe nachzulesen, hat „die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten im Interesse einer fachlich leistungsfähigen, rechtsstaatlichen und unparteiischen Verwaltung zu gewährleisten“. Und schließlich: „Das Berufsbeamtentum sichert auf diese Weise das Prinzip der freiheitlichen Demokratie gegen Übergriffe zusätzlich ab.“
All das – und auch um das Ausmaß des jahrelangen Verstoßes – wussten alle Koalitionen seit Wowereit und Sarrazin, aber sie setzten es aufs Spiel. Spätestens im Jahr 2000 hätte auch dem Letzten klar sein müssen, dass auf Berlin ein dicker Brocken zurollt. Denn damals hatte das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die Besoldung für Richter und Staatsanwälte in Berlin zu niedrig und verfassungswidrig war.
Jetzt muss die Politik entscheiden, wie sie mit dem Spruch aus Karlsruhe umgeht – und steckt dabei in der nächsten Zwickmühle. Bekommen nach reiner rechtlicher Lehre nur die Beamten eine Nachzahlung, die Widerspruch gegen die Soldhöhe eingelegt haben, stiftet das den nächsten Unfrieden.
Das wissen auch die Gewerkschaften. Nachdem der Dienstherr jahrelang das Vertrauen seiner Beamten gebrochen hat, sollten Senat und Abgeordnetenhaus weise entscheiden. Allen Beamten sollte das Geld nachgezahlt werden, andernfalls schreiben sich die Ungerechtigkeiten fort. Und auch für die Zukunft ist der Blick auf Sparzwänge klargestellt: Beamtenbesoldung ist nicht beliebig kürzbar und muss der wirtschaftlichen Entwicklung folgen.
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