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Berlin: Zwang zur Einigung

Bleibt der Senat jetzt bei seinem Nein zu mehr Gehalt im öffentlichen Dienst, erhalten Beschäftigte 2010 automatisch zehn Prozent mehr

Auf das Land Berlin kommen ab 2010 erhebliche Mehrausgaben für den öffentlichen Dienst zu – selbst wenn der Senat bei den von den Gewerkschaften Verdi, Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geforderten Tariferhöhungen hart bleibt. Sollte nämlich bis dahin keine neue Einigung erzielt worden sein, haben die 60 000 Arbeiter und Angestellten nach dem Ende des Solidarpaktes einen Anspruch darauf, wieder ohne Reduzierung der Arbeitszeit zu arbeiten und dafür die vollen Bezüge zu erhalten. Der Senat müsste dann wegen einer durchschnittlichen Erhöhung um zehn Prozent 150 Millionen Euro mehr für die öffentlich Beschäftigten aufwenden.

Damit wäre aber auch die Vereinbarung, auf weiteren Personalabbau zu verzichten, vom Tisch, sagt Kristina Tschenett, Sprecherin von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Dennoch will der Senat an seiner harten Linie festhalten und den Vertrag bis 2009 nicht antasten. Mit dem im Sommer 2003 vereinbarten Solidarpakt wollte der Senat über die Laufzeit bis Ende 2009 knapp drei Milliarden Euro sparen. In diesem Jahr spart der Solidarpakt 180 Millionen Euro bei den Arbeitern und Angestellten ein. Insgesamt gibt der Senat 6,3 Milliarden Euro für die öffentlich Beschäftigten aus.

Eine Verlängerung des Solidarpaktes über diesen Zeitpunkt hinaus ist für die Gewerkschaften derzeit kein Thema. „Die Verknüpfung mit der Arbeitszeit hat sich nicht bewährt. Die Arbeit ist ja nicht weniger geworden“, sagt GEW-Sprecher Peter Simran. Deswegen hätten sich bei vielen Beschäftigen jede Menge Überstunden angehäuft. Das reine Auslaufen des Solidarpaktes alleine genügt den Gewerkschaften jedoch nicht. „Dann wären wir 2010 bei dem Gehaltsniveau von 2003“, sagt Astrid Westhoff, Verdi-Verhandlungsführerin. Das sei nicht akzeptabel, im Vergleich zum Bundesgebiet würde man zwei Tarifrunden hinterherhinken. „Das wäre ein Skandal“, sagt Westhoff. Die Gewerkschaften haben dem Senat bis zum 29. Januar ein Ultimatum gestellt, in Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag einzusteigen. Zurzeit fordern sie vor allem drei Einmalzahlungen von je 300 Euro.

Dem Senat drohen nicht nur bei den unmittelbar beim Land beschäftigten Mitarbeitern Konflikte. Am kommenden Donnerstag gehen auf Bundesebene die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst für den Bund und die Kommunen weiter; die Gewerkschaften haben Gehaltsverbesserungen von acht Prozent gefordert. Von den Verhandlungen sind in Berlin viele öffentliche Einrichtungen wie Museen und Fachhochschulen betroffen, aber auch Wasserbetriebe (BWB) und die Stadtreinigung (BSR). Durchaus vorstellbar, dass Verdi beispielsweise bei der BSR die Muskeln spielen lassen und dort zu Warnstreiks aufrufen wird, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Mit einer noch höheren Lohnforderung ist die Gewerkschaft zudem in die Haustarifverhandlungen bei der BVG gegangen. Hier fordert sie zwölf Prozent mehr – mindestens aber 250 Euro – für die Beschäftigten. Ein „Horrorszenario“ wäre, wenn Verdi sowohl bei BSR als auch bei der BVG gleichzeitig zu Streiks aufrufen würde, heißt es auf Arbeitgeberseite.

Die Verhandlungen auf allen drei Ebenen werden kompliziert. Wie bei den vergangenen Tarifrunden. Die Abschlüsse beim Land Berlin und bei der BVG wurden zur Chefsache. Die Eckpunkte der Tarifverträge, in deren Mittelpunkt jeweils die Beschäftigungssicherung stand, wurden von dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und dem Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske vereinbart.

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