
© Sophie Wanninger
Zwischen Paris Hilton und Dolly Parton : „Pleasure“-Premiere in der Berliner Schaubühne
Ein bisschen Lesung, ein bisschen Interview, ein bisschen Glamour: Im Studio der Schaubühne stellte Jovana Reisinger Ende ihr neues Buch „Pleasure“ vor.
Stand:
Austern essen gegen den Klassismus. So oder so ähnlich, könnte man das neue Buch der Filmemacherin, Künstlerin und eben auch Autorin Jovana Reisinger zusammenfassen. „Pleasure“ heißt es – und weil es jetzt schon seit einiger Zeit auf dem Markt ist, sollte am Donnerstag endlich Premiere gefeiert werden.
Das passiert im ausverkauften Studio der Schaubühne am Lehniner Platz, in Form einer Lesung, die immer mal wieder durch ein Gespräch mit der „Zeit“-Journalistin Anna Mayr unterbrochen wird. Das ist insofern genial, als Mayr auch Bücher schreibt und ähnliche Themen wie die in „Pleasure“ beschriebenen behandelt: sozialer Aufstieg und ein gewisser, damit verbundener Gestus.
Während Mayrs bekanntestes Buch aber „Die Elenden“ heißt und von der Unterschicht, den Arbeitslosen, den Armen erzählt, ist „Pleasure“ ein rund 300 Seiten dickes „Manifest für den Glamour, eine Lanze für das Rumliegen, die Völlerei und den Kitsch“, wie es auf dem Einband heißt. Dahinter steht eine Mischung aus Essay, Pamphlet und Autobiografie, die dem Leser weiß machen möchte, dass Luxus kein monetärer Zustand, sondern Lebensgefühl ist – oder wenigstens sein sollte.
Stellenweise ist es schwer zu auszumachen, wo Reisinger einfach gute Unterhaltung und wo sie doch so etwas wie Didaktik unterbringen möchte. Dass das sich die beiden Aspekte ihrer Arbeit ausgerechnet am Genuss beißen, ist lustig und wahrscheinlich provoziert: Während ihrer Schaubühnen-Premiere jedenfalls trägt Reisinger ein schulterfreies, ausladendes, schwarzes Ballkleid und lenkt das Gespräch mit der seriös-zurückhaltend gekleideten Mayr immer mal wieder auf ihre „sauteuren“ Gucci-Schuhe. Tipps, an die „Letzte Generation“, wie diese ihren Aktivismus ein bisschen fröhlicher gestalten könnte, will sie nicht geben. Und auch ihr Marketingkonzept für Robert Habeck würde sie nur mit ordentlicher Bezahlung offen legen.
Wenn Reisinger liest, klingt sie wie eine ausgebildete Schauspielerin, ihr zum Großteil sehr junges, äußerst gut gekleidetes Publikum hat sie im Griff. Gebannt und meist an genau den richtigen Stellen lachend, verfolgt es das, was da knapp zwei Stunden vor minimalistischer Kulisse der Bühnenbildnerin Lena Marie Emrich passiert und holt sich hinterher brav das Autogramm von der Champagner trinkenden Autorin.
Wie viel Fassade die Aufmachung ist, ist schwer zusagen. Dass Reisinger sich als mit Kulturpreisen überhäufte Autorin und Künstlerin an Frauen wie Paris Hilton, Julia Fox oder Dolly Parton orientiert, scheint jedenfalls nur ein Widerspruch für diejenigen, die „Pleasure“ nicht leben, die sich erst noch befreien müssen von ihren schamvollen und genusslosen Zwängen.
Jovana Reisinger verkauft aber kein Patentrezept, wie das zu erreichen ist, sie verkauft eine Idee, ein Traum oder eine Fantasie, die sie sich für sich selbst kreiert hat.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: