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Die Realpolitik entscheidet, ob CDU und Linke ihren Zettel in die Nein-Box werfen oder nicht.

© dpa

BER: Zwitterpartie beim Flughafendesaster

Mal sind sie Stütze der SPD in der Krise, mal Kritiker: Warum CDU und Linke je nach geografischem Standpunkt mal Ja oder mal Nein zu den Regierungen in Berlin und Brandenburg sagen müssen.

Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer wählt ein drastisches Bild, wenn man ihn auf die Rolle des kleineren Berliner Koalitionspartners anspricht: „Die CDU unterstützt die SPD wie der Strick den Gehenkten.“ Will sagen: Theoretisch könne die Berliner Union die SPD jederzeit fallenlassen – aus eigenem Interesse wird die erst vor gut einem Jahr wieder an die Regierung gekommene Partei aber warten, „bis sie bei Wahlen stark genug ist und einen anderen Koalitionspartner in Aussicht hat“, sagt der FU-Politologe.

Das ist ein Teil der Erklärung des bemerkenswerten Wechselspiels, das in den vergangenen zwei Wochen in den Landesparlamenten Berlins und Brandenburgs zu erleben war: Während die Oppositionsparteien CDU in Brandenburg und Linke in Berlin alles daran setzten, die jeweiligen SPD-Regierungschefs wegen ihrer unrühmlichen Rolle im Aufsichtsrat des künftigen Großflughafens BER aus dem Amt zu jagen, stellten sich die Regierungsparteien CDU in Berlin und Linke in Brandenburg loyal hinter die jeweiligen Koalitionspartner und Regierungschefs. Ein Verhalten, das die „Süddeutsche Zeitung“ so kommentierte: Hier sehe man, „wie schnell politische Verantwortung sich verflüchtigt, wenn es auf den Machterhalt ankommt“.

Die Kritisierten sehen das anders oder nennen zumindest gewichtige Gründe für ihr Verhalten. „Wenn Parteien in einer Koalition miteinander verbunden sind, gehen sie eben gemeinsam durch Dick und Dünn – und wenn es notwendig ist, deckt man sich auch gegenseitig“, sagt Dieter Dombrowski, seit vergangenem Herbst Fraktionschef der CDU im Brandenburger Landtag. Einen Verrat an politischen Prinzipien sieht er darin nicht: Demokratie setze nun mal auf Beständigkeit – und darauf, dass Parteien in der Opposition eine andere Rolle spielen als in der Regierung. Säße Dombrowski nicht im Brandenburger Landtag, sondern im Berliner Abgeordnetenhaus, hätte er „aus der politischen Arithmetik heraus“ den Sozialdemokraten Wowereit genauso unterstützt, wie er jetzt dessen SPD-Aufsichtsratskollegen Platzeck angegriffen habe. Dem warf Dombrowski kürzlich vor, er habe „jahrelang zugesehen, wie getrickst und getäuscht wurde“.

Wieso in der Berliner CDU derartige Vorwürfe gegen Wowereit nur hinter vorgehaltener Hand zu hören sind und man nach außen hin loyal zum Koalitionspartner auftritt, fasst Florian Graf, der CDU- Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, ganz sachlich so zusammen: „Zur Koalition mit der SPD gibt es für uns allein aufgrund der noch vor uns liegenden großen Aufgaben dieser Legislaturperiode keine ernst zu nehmende Alternative.“ Eine Aussage, die spiegelbildlich auch vom Linken-Fraktionschef im Brandenburger Landtag kommen könnte, Christian Görke. Der betont zudem die „grundsätzlichen Unterschiede“ zwischen dem Agieren Platzecks und Wowereits, um zu erklären, wieso man den einen attackiere und den anderen stütze. „Platzeck hat sich der Verantwortung gestellt, indem er selber die Vertrauensfrage gestellt hat – Wowereit hat sich weggeduckt“, sagt Görke, dessen Partei seit 2009 in Potsdam mit der SPD koaliert und dies bis mindestens 2014 weiter tun will. Außerdem habe Platzeck angekündigt, mehr Transparenz beim BER herzustellen und Fehler der Vergangenheit wettzumachen. „Das Gelingen des Projekts verträgt kein parteipolitisches Hickhack“, sagte Görke in der Plenarsitzung, in der über Platzecks Vertrauensfrage abgestimmt wurde.

Anders als Platzeck wird Wowereit von der Linken wegen seiner Aufsichtsratsrolle sehr wohl persönlich für das Debakel in Haftung genommen. „Sie kapitulieren bei dem einzigen Thema, das Sie bislang in dieser Legislaturperiode interessiert hat“, hielt der Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, dem von der Aufsichtsratsspitze zurückgetretenen Wowereit bei der Debatte über den Misstrauensantrag vor. Berlin habe, anders als von der CDU behauptet, „selbstverständlich eine Regierungskrise“.

Politikwissenschaftler Neugebauer findet das beinahe spiegelbildlich gegensätzliche Agieren der Oppositionsparteien nicht prinzipien- oder verantwortungslos, sondern er sieht darin einen typischen Fall von Realpolitik: „Die Interessen sind primär darauf gerichtet, die Rolle der Partei im Wettbewerb zu stärken und vor allem an die Wähler im jeweiligen Bundesland zu denken.“ So sei das nun mal in der Politik.Meinungsseite

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