
© dpa
Eine Stunde Arbeit kostet 42 Euro : Deutschland ist laut einer Studie wettbewerbsfähig
Die Arbeitskosten sind hierzulande um fünf Prozent auf 41,90 Euro gestiegen. Osteuropa holt auf. Hoher Leistungsbilanzüberschuss bleibt problematisch.
Stand:
Alles wird teurer, auch die Arbeit. Im vergangenen Jahr stiegen die Arbeitskosten je Stunde um fünf Prozent auf 41,90 Euro, im Jahr zuvor betrug der Anstieg sogar 6,5 Prozent. „Wir liegen bei den Arbeitskosten im oberen Mittelfeld“, schreibt das Wirtschaftsinstitut IMK der Böckler-Stiftung in einer aktuellen Studie. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sei in Bezug auf die Lohnkosten stabil. Energiepreise, Bürokratie und schlechte Infrastruktur belasteten die Unternehmen stärker als die Lohnkosten, meint IMK-Direktor Sebastian Dullien.
Zu den Arbeitskosten zählen der Bruttolohn, die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen und Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung. Mit Arbeitskosten von 41,90 Euro pro Stunde lag Deutschland 2023 an fünfter Stelle unter den EU-Ländern hinter Luxemburg, Dänemark, Belgien und Frankreich. In diesen Ländern liegen die Stundenwerte zwischen 53,60 und 42,70 Euro. Im Durchschnitt der EU verteuerte sich die Arbeit 2023 um 5,6 Prozent und im Euroraum um 5,1 Prozent. Das IMK hat Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat ausgewertet.
„Alte“ EU-Länder wie Portugal (16,10 Euro) und Griechenland (16,60 Euro) liegen mittlerweile hinter osteuropäischen EU-Staaten wie Slowenien (26 Euro), Estland (18,30), Tschechische Republik (18) oder Slowakei (17,20). Die übrigen baltischen Staaten sowie Kroatien, Polen und Ungarn weisen Stundenkosten zwischen 14,80 und 13,30 Euro aus. Schlusslichter sind Rumänien und Bulgarien mit Arbeitskosten von 10,80 und 9,20 Euro pro Stunde, allerdings bei Zuwächsen von 16,9 Prozent beziehungsweise 14,5 Prozent im vergangenen Jahr, schreibt das IMK.
Schwache Produktivität
Relevant für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und der Volkswirtschaft insgesamt sind die Lohnstückkosten, die das Verhältnis von Arbeitskosten und Produktivität abbilden. Die Lohnstückkosten seien 2023 in Deutschland zwar kräftig um 6,6 Prozent gestiegen und damit stärker als im Euroraum (6,1 Prozent). „Ein wesentlicher Grund war neben der hohen Inflation die schwache Produktivitätsentwicklung infolge der schleppenden Konjunktur“, schreibt das IMK.
Es gebe jedoch keine Anzeichen für eine Preis-Lohn-Spirale. Und langfristig gesehen liege die Lohnstückkostenentwicklung unterhalb der Zielinflation der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent und habe damit „im Hinblick auf das Kriterium der makroökonomischen Stabilität im Euroraum eher etwas zu langsam als zu schnell zugenommen“.
Seit der Jahrtausendwende, als die Bundesrepublik letztmalig eine fast ausgeglichene Leistungsbilanz aufwies (seitdem immer Überschüsse), seien die Lohnstückkosten im Jahresmittel um lediglich 1,6 Prozent gewachsen. „Das ist schwächer als in den anderen großen Mitgliedsstaaten des Euroraums und auch weniger als mit dem Inflationsziel der EZB von 2,0 Prozent vereinbar gewesen wäre“, schreibt das IMK.
2023 habe es erneut einen sehr hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss gegeben, der nach Schätzungen der EU-Kommission rund 284 Milliarden Euro oder 6,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug. Die Kommission ordnet Überschüsse ab sechs Prozent als problematisch ein.
Kritik an den enormen Export-Überschüssen gibt es immer wieder, zumal aus den USA mit ihren hohen Außenhandelsdefiziten. Das Ungleichgewicht provoziere Finanz- und Schuldenkrisen, weil Ländern mit hohen Überschüssen solche gegenüberstünden, die ihre Importe mit hohen Schulden finanzieren müssten. Deutschland müsse deshalb mehr tun, um die Binnennachfrage zu stärken und so den Überschuss zu reduzieren, etwa durch höhere Investitionen in die Infrastruktur.
Auch Donald Trump hatte während seiner Amtszeit als Präsident immer wieder die deutschen Überschüsse kritisiert, die zulasten der USA gingen. In den Jahren des moderaten Joe Biden rutschte das Thema in den Hintergrund, nach der Wahl im November könnte sich das indes wieder ändern.
Die Industrie hat in Deutschland eine größere Bedeutung als in anderen Ländern. 2023 betrugen die Stundenkosten in Deutschland 46 Euro. Im EU-Vergleich rangiert die Bundesrepublik damit wie im Vorjahr auf Position vier als Teil einer Gruppe von Industrieländern, die deutlich über dem Euroraum-Durchschnitt von 37,70 Euro liegen. Dazu zählen Dänemark mit industriellen Arbeitskosten von 51,40 Euro, Belgien (49,70), Österreich (46,10), Luxemburg (45,80), die Niederlande (45,60), Frankreich (44,60), Schweden (42,80) und Finnland (41,60).
Im privaten Dienstleistungssektor lagen die deutschen Arbeitskosten zuletzt mit 39,80 Euro an siebter Stelle nach Luxemburg, Dänemark, Belgien, Frankreich, Schweden und den Niederlanden, wo die Stundenwerte zwischen 58,80 Euro und 40,60 Euro lagen. Der Durchschnitt im Euroraum betrug 34,80 Euro, in der gesamten EU 31,80 Euro.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: