
© Getty Images/Bevan Goldswain (Symbolfoto)
Flüchtlinge aus Afghanistan: Der lange Weg zur eigenen Familie
Die Partnerwahl ist für viele Geflüchtete ein großes Problem: Die Traditionen des Herkunftslandes und die Gegebenheiten in Deutschland sind schwer miteinander zu vereinbaren.
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Auf der Flucht zählt nur eins: Das Leben zu retten. Nach der Flucht aber wächst irgendwann der Wunsch, das Leben zu gestalten und eine Familie gründen. Viele Flüchtlinge finden sich dabei zwischen den Kulturen wieder. Da sind auf der einen Seite die Traditionen des Herkunftslandes und auf der anderen Seite die Gebräuche und Gesetze in Deutschland.
Für Flüchtlinge aus Afghanistan ist dieser Prozess besonders komplex. In Afghanistan beginnt die Verlobungszeremonie, wenn die älteren Familienmitglieder des Jungen das Haus des Mädchens besuchen und dort den Heiratsantrag stellen. Sie bringen der Familie des Mädchens Geschenke wie Stoff, Süßigkeiten und Obst.
Die Ältesten beider Familien besprechen die Details der Ehe, die Mitgift und die Bedingungen. Wenn sie sich einig werden, sprechen der Junge und das Mädchen in Anwesenheit ihrer Familien miteinander. Am Ende wird das Datum der Verlobung und der Hochzeitsfeier festgelegt. Respekt vor den Älteren und die Einhaltung traditioneller Bräuche sind in dieser Zeremonie von großer Bedeutung. Wie lässt sich das in Deutschland leben? Drei junge Menschen erzählen.
Aamad, 35 Jahre, seit 2015 in Deutschland
Bis Afghanen hier in Deutschland eine Familie gründen können, sind oft viele Hürden zu nehmen. Meist bekommen wir anfangs immer nur für ein paar Monate die Aufenthaltsgenehmigung und wissen nicht, ob wir danach dann abgeschoben werden. In Brandenburg muss man in dieser Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft wohnen. Man kann keine eigene Wohnung mieten, das Sozialamt würde das nicht bezahlen. Also wohnt man auf engem Raum mit den anderen Flüchtlingen zusammen. Bei mir hat es neun Jahre gedauert, bis ich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hatte. Seit sechs Monaten ist es nun endlich so weit.
Ich bin seit drei Jahren verlobt, meine Familie hat in Afghanistan eine Frau für mich gefunden. Jetzt haben wir die Familienzusammenführung beantragt.
Wir können dir unsere Tochter nicht geben, sagten sie.
Aamad, Flüchtling aus Afghanistan.
Manchmal werde ich gefragt, warum ich eine Frau aus Afghanistan heiraten will, obwohl das so kompliziert ist. Ich habe früher mal versucht, eine Frau hier in Deutschland zu heiraten. Aber die Familie hatte sehr hohe Erwartungen. Sie wollten, dass ich erst einen deutschen Pass, eine Wohnung und ein Auto habe. Sie sagten: „Wenn du keinen unbefristeten Aufenthalt hast, kann es jederzeit sein, dass du abgeschoben wirst. Da können wir dir unsere Tochter nicht geben.“
Später habe ich eingewilligt, eine Frau aus Afghanistan zu heiraten. Aber ich fürchte, bis meine Frau nach Deutschland kommen kann, dauert es noch lange. Ich bin jetzt 35, wenn sie kommt, bin ich vielleicht zu alt, um eine Familie zu gründen.
Mariam, 24 Jahre, aus dem Iran
Als ich neu nach Deutschland kam, habe ich im Heim einen Mann kennengelernt. Er war auch Iraner. Wir haben uns verlobt. Dann wollte der Mann, dass ich Kopftuch trage. Aber ich wollte das nicht. Wir hatten in unserem Heim einen deutschen Sozialarbeiter, mit dem ich mich gut verstanden habe. Mein Verlobter dachte, da läuft vielleicht etwas zwischen uns. Als mein Asylantrag abgelehnt wurde, fiel ich in Depressionen. Der Sozialarbeiter wollte mich ablenken und hat mich ins Kino eingeladen. Mein Verlobter wollte das nicht tolerieren. Da haben wir uns getrennt. Jetzt habe ich einen anderen Freund.
Habib, 33 Jahre, aus Afghanistan
Ich lebe jetzt seit fast neun Jahren als Flüchtling in einer kleinen Stadt. Ich haben die Sprache gelernt und eine Ausbildung gemacht. Dann wollte ich heiraten. Mein erster Versuch ist gescheitert. Die Familie kam aus Afghanistan, sie hat vier Töchter, eine davon gefiel mir und ich habe um ihre Hand angehalten. Die Familie waren Paschtunen. Sie haben gesagt: Du sprichst nicht Paschtu, Du gehörst nicht zu unserer Volksgruppe. Sie haben den Heiratsantrag abgelehnt. Ich hätte gedacht, dass solche Denkmuster im 21. Jahrhundert nicht mehr zählen. Aber ich wurde eines anderen belehrt. Ich lebe immer noch alleine.
Vor vier Jahren habe ich mich mit einer Frau in Afghanistan verlobt. Wir haben online geheiratet. Dafür haben wir uns im Zoom mit einem Iman getroffen. Der hat mich dreimal gefragt, ob ich diese Frau heiraten möchte, und ich habe dreimal ja gesagt. Ich weiß nicht, ob diese Eheschließung in Deutschland anerkannt wird – in einigen Fällen passiert das, in anderen nicht. Sonst muss ich in den Iran reisen und bei der Botschaft dort eine Heiratsurkunde beantragen.
Die Familie meiner Frau hat die Hochzeit mit einem großen Fest gefeiert, ich konnte nicht dabei sein, aber ich habe das Fest bezahlt. Ich habe einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt. Jetzt warte ich darauf, dass meine Frau einen Termin bei der Botschaft in Pakistan oder Iran bekommt, um die Hochzeitsdokumente vorzulegen und dann auch nach Deutschland zu kommen. Aber das kann lange dauern.
Ich finde: Für Menschen, die sich hier gut integriert haben, die ihren Lebensunterhalt verdienen und eine Familie ernähren können, sollte die Familienzusammenführung erleichtert werden.
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