zum Hauptinhalt
So wie man es spricht. Die Rechtschreibung sollte lautorientierter, systematischer und dadurch leichter lernbar werden.

© Ullstein/Rufenach

25 Jahre Rechtschreibreform: Aus Kuß wurde Kuss, aus Ketchup aber doch nicht Ketschup

Die am 1. August 1998 eingeführte neue Rechtschreibung sollte lautorientierter, systematischer und leichter lernbar sein. Und sorgte jahrelang für heftige Debatten. Was hat sich durchgesetzt?

Von Jacqueline Melcher, dpa

Sprache ist lebendig, entwickelt sich fortlaufend weiter. Doch das, was sich verändert, wird häufig heftig debattiert. Am Dienstag, den 1. August, jährt sich die Einführung einer der wohl umstrittensten Neuregelungen der deutschen Orthografie: Die Rechtschreibreform wird 25 Jahre alt.

Mit dem Vorhaben sollte das komplizierte Regelwerk der deutschen Rechtschreibung lautorientierter, systematischer und dadurch leichter lernbar gemacht werden. Zehn Jahre beriet eine Expertenkommission, bevor Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und die Länder mit deutschsprachiger Minderheit 1996 eine entsprechende Erklärung unterzeichneten.

Doch der Widerstand war groß: Kritiker argumentierten, die Neuregelung stifte Verwirrung und Unsicherheit. Eine Klage gegen die Reform vor dem Bundesverfassungsgericht blieb ohne Erfolg.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Am 1. August 1998 traten die Regeln dann schließlich in Behörden und Schulen in Kraft. Einiges hat sich damals geändert, manches wurde mit der Zeit wieder zurückgenommen, vieles gilt nach wie vor. Was sich gegen alle Empörung und Widerstand durchgesetzt hat – und was nicht:

Das wohl prominenteste Opfer war das „ß“

Eines der prominenten Opfer der Rechtschreibreform war das scharfe „S“ oder Eszett (ß), das damals aus vielen Wörtern verschwand. Aus „daß“ wurde „dass“, aus „Kuß“ der „Kuss“. Denn seit der Änderung gibt es eine eindeutige Regel: Auf kurz gesprochene Vokale folgt ein Doppel-„S“ - zum Beispiel auch in „Schloss“ oder „Genuss“. Auf lang gesprochene Vokale oder einen Doppellaut folgt hingegen ein „ß“, zum Beispiel in „Spaß“ oder „heiß“.

Wenn bei Wortzusammensetzungen drei gleiche Konsonanten aufeinandertrafen, wurden diese nach alter Rechtschreibung nur dann alle geschrieben, wenn darauf ein weiterer Konsonant folgte. War der nächste Buchstabe ein Vokal, blieb es bei doppelten Konsonanten. Es hieß also „Schifffracht“ mit drei „f“, aber „Schiffahrt“ mit zwei.

Nach der Rechtschreibreform werden in solchen Fällen nun grundsätzlich immer alle drei Konsonanten geschrieben. Es heißt also „Schifffahrt“, „Kontrollleuchte“ und „Balletttänzer“. Wenn die Zusammensetzung dadurch unübersichtlich und schwer lesbar wird, darf man dem Duden zufolge aber auch einen Bindestrich zur Hilfe nehmen. Aus „Metalllegierung“ wird dann etwa „Metall-Legierung“.

Manches Neue hat sich nicht durchgesetzt

Mit neuen „eingedeutschten“ Schreibweisen sollten Fremdwörter im Zuge der Reform in die deutsche Sprache integriert werden. Von den alternativen Varianten konnten sich über die Jahre manche mehr und manche weniger durchsetzen. Das „ph“ in aus dem Griechischen stammenden Wortteilen wird allgemein immer häufiger durch die damals eingeführte Schreibweise mit „f“ ersetzt. Dann schreibt man etwa „Geografie“ statt „Geographie“ und „Saxofon“ statt „Saxophon“. Richtig sind beide Varianten.

Es gab aber auch Schreibweisen, die sich im Gebrauch nicht durchsetzen konnten. Viele neue Varianten wurden vom Rat für deutsche Rechtschreibung deswegen wieder zurückgezogen. So wird „Schikoree“ seit 2011 wieder ausschließlich „Chicorée“ geschrieben, „Grislibär“ ist wieder der „Grizzlybär“, und die ebenfalls kaum verwendeten Schreibweisen „Ketschup“ und „Majonäse“ wurden 2016 aus dem Wörterverzeichnis des Rates gestrichen. Der Rat wurde 2004 ins Leben gerufen, beobachtet die Entwicklung des Sprachgebrauchs und aktualisiert auf dieser Grundlage das amtliche Regelwerk.

Auch bei der Getrennt- und Zusammenschreibung von Wörtern brachte die Rechtschreibreform einige Vereinheitlichungen. Grundsätzlich getrennt geschrieben werden seitdem Verbindungen von zwei Verben („spazieren gehen“ statt dem ehemaligen „spazierengehen“), Verbindungen von Nomen und Verben („Rad fahren“ statt „radfahren“) und Verbindungen mit dem Verb „sein“ („dabei sein“ statt „dabeisein“).

Kehrtwende. „Grislibär“ ist seit 2011 wieder der „Grizzlybär“.

© Mammal Spatial Ecology and Conservation Lab at WSU

Seit der Reform zusammengeschrieben wird hingegen „irgendjemand“ und „irgendetwas“. Wahlfreiheiten gibt es etwa bei „sodass“ (auch: „so dass“), „aufgrund“ (auch: „auf Grund“) und „mithilfe“ (auch: „mit Hilfe“). Die 1998 eingeführten Getrenntschreibungen von „Eis laufen“ und „Kopf stehen“ wurden aber 2006 zugunsten der früheren Zusammenschreibungen „eislaufen“ und „kopfstehen“ wieder aufgehoben.

Nur solche Regeln setzen sich durch, die den Schreibgebrauch einer Mehrheit der Lesenden und Schreibenden berücksichtigen.

Sabine Krome, Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung

Groß- oder kleinschreiben? Einige Wörter, die nach alter Rechtschreibung kleingeschrieben wurden, zeigen sich heute mit großen Anfangsbuchstaben – und andersherum. Aus „heute mittag“ wurde „heute Mittag“, aus Paarformeln wie „arm und reich“ oder „jung und alt“ wurde „Arm und Reich“ und „Jung und Alt“. Das „Grimmsche Märchen“ wurde das „grimmsche Märchen“ (darf aber mittlerweile auch mit Apostroph „Grimm'sches Märchen“ heißen) und die Anredepronomen „du“ und „ihr“ dürfen - anders als das formelle „Sie“ - ebenfalls kleingeschrieben werden.

Positives Fazit von Duden und Rechtschreibrat

Nach Beobachtungen des Rates für deutsche Rechtschreibung sei die Reform inzwischen „vollständig angekommen“, sagt Geschäftsführerin Sabine Krome. „Manche Lesende und Schreibende wissen überhaupt nicht mehr, wie nach alter Rechtschreibung geschrieben wurde. Dass manche Menschen nicht danach schreiben und immer noch von „der neuen“ Rechtschreibung sprechen, ist wohl eher ein Generationenproblem.“

Vor allem die neuen Regeln zur Groß- und Kleinschreibung, zur Bindestrich-Schreibung und zur Worttrennung hätten sich gut durchgesetzt, sagt Krome der Deutschen Presse-Agentur. Umstritten waren lange Zeit die Getrennt- und Zusammenschreibung sowie die Fremdwortschreibung. „An den ursprünglichen Regelungen zu diesen Bereichen wäre die Reform schon vor 1996, aber auch danach, fast noch gescheitert.“ Mit der vollständigen Neuerarbeitung und Aktualisierung des Amtlichen Wörterverzeichnisses 2023 und den Anpassungen des Regelwerks sei aber in diesen Bereichen eine grundsätzliche Klärung erzielt worden.

Auch die Dudenredaktion wertet die Reform 25 Jahre später laut Leiterin Kathrin Kunkel-Razum als Erfolg. „Inzwischen ist die öffentliche Diskussion dazu verebbt, andere Sprachthemen sind – wieder – in den Fokus gerückt“, sagt sie. Etwa im Zusammenhang mit der Debatte ums Gendern würden aber immer wieder Parallelen zur Rechtschreibreform gezogen.

Auch vor diesem Hintergrund habe die Reform gezeigt, dass sich nur solche Regeln durchsetzten, die „den Schreibgebrauch einer Mehrheit der Lesenden und Schreibenden berücksichtigen“, sagt Krome. „Nur dann fühlen sich die Menschen mitgenommen und nur dann sind sie auch bereit, Veränderungen mitzutragen.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false