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Mode: Ausstellung „Connecting Afro Futures“: Afrikanische Mode im Kunstgewerbemuseum

Jenseits von alten kolonialen Zöpfen will die Ausstellung „Connecting Afro Futures“ zeigen, wie es um die aktuelle afrikanische Mode bestellt ist.

„Das Projekt ist tausendmal größer als ich“, sagt José Hendo. Die ockerfarbene Stoffbahn, die im Treppenhaus des Kunstgewerbemuseums hängt, ist über zehn Meter lang. Es ist das längste jemals hergestellte Stück Stoff aus Rindentuch. Paul Katamiira hat es in Uganda aus der Rinde des Feigenbaums Mutuba gefertigt, aus denen die Designerin José Hendo Kleider genäht hat. Mit diesem Material wird dem Besucher sehr plakativ nahegebracht, was es in der Modeausstellung „Connecting Afro Futures“ zu entdecken gibt, wenn man sich mit aktueller afrikanische Mode beschäftigt: Es ist die Auseinandersetzung mit einer sehr langen Vergangenheit, die durch die Mode wieder eine unerwartete Zukunft hat.

Rindentuch ist eine der ältesten Textilien der Menschheit, es durfte auch bis ins 19. Jahrhundert nur von den Mitgliedern des jahrtausendealten Königshauses Buganda tragen werden. Die Unesco erklärte den Stoff 2008 zum Kulturgut des immateriellen Welterbes. Heute gibt es das Rindentuch kaum noch, viele Bäume wurden gefällt, um Platz für Felder zu schaffen. José Hendo glüht geradezu, als sie im Kunstgewerbemusem um ihre weit ausladenden Roben kreist. Sie erklärt, warum sie das steife, lederartige Material, dass sich nur zu gut für dramatisch ausladende Entwürfe eignet, für ihre Präsentationen verwendet. Um die Schönheit zu zeigen und damit Aufmerksamkeit zu erregen für all die Verschwendung, die heute durch Kleidung betrieben wird, und all den Müll, der uns umgibt. Deshalb sammelt sie mit ihrem Sohn vor ihrer Haustür in London Plastikflaschen und überzieht sie mit Rindentuch für einen surreal anmutenden Kopfschmuck. Sie kombiniert den terrakottafarbenen Stoff mit zerschnittenen alten Jeans zu einem weiten Bahnenrock. In Uganda pflanzt José Hendo Bäume, weil der älteste Stoff der Welt alle Eigenschaften hat, die für die Zukunft gebraucht werden. Er ist nachwachsend, haltbar, kommt ohne Schadstoffe aus und schafft mit seiner Herstellung Arbeit in Afrika.

Die Beschäftigung mit der eigenen Identität, der Heimat und der Fremde sprechen aus allen in der Ausstellung präsentierten Arbeiten der acht afrikanischen Designerinnen und Designer. Vor allem jene, die in der Diaspora leben, bauen mit ihren Entwürfen Brücken von ihrer Herkunft hin zu ihrer neuen Heimat – ob das nun London, Berlin oder Paris ist – und wieder zurück.

„Weit weniger gilt das für die Designer, die in Afrika leben“, sagt die Kuratorin des Kunstgewerbemuseums Claudia Banz. „Die machen einfach.“ Genau das ist auch Teil des Ausstellungskonzepts. Die acht Designer bekamen eine „Carte blanche“, um das zu zeigen, was sie bewegt und das moderne Afrika ausmacht.

Denn hier geht es einmal nicht um kulturelle Aneignung. Weder sind die Perlen der Massai zu sehen, die John Galliano einst für das französische Luxushaus Dior verwendete, noch die bunten Waxprints, die in Holland hergestellt und nach Afrika exportiert werden und immer dann auftauchen, wenn afrikanische Mode für den globalen Markt adaptiert wird. Noch geht es um traditionelles Kunsthandwerk. Claudia Banz ist sichtbar stolz, dass hier die erste zeitgenössische Schau für afrikanische Mode in einem deutschen Museum zu sehen ist.

Ihre Herkunft ist für Nabukenya Allen, die sich Njola nennt, das wichtigste Fundament.

Zum ersten Mal trafen sich die ausgewählten Designer im November 2018 zu einem Workshop in Berlin, weitere Treffen folgten im senegalesischen Dakar und in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Dort entdeckte Claudia Banz auch eher zufällig das Designertrio Tondo und die Designerin Nabukenya Allen, die aus den Slums stammen und nicht aus gut situierten Verhältnissen wie die Diplomatentochter Adama Paris, die die Dakar Fashion Week gründete und sich ein internationales Netzwerk aufgebaut hat.

Ihre Herkunft ist für Nabukenya Allen, die sich Njola nennt, das wichtigste Fundament. Mitten im letzten Ausstellungsraum hängt eine schwere Jacke aus zerschnittenen Autoreifen, geschnitzten Flipflopsohlen und geflochtenen Plastikschnüren mit grob gestrickten Ärmeln. Es ist eine trutzige Schutzweste, die schwer auf den Schultern des Trägers liegt und ihn gleichzeitig provozierend bunt und angriffslustig aussehen lässt. Zusammen mit Bewohnern der Slums stellt Njola ihre Produkte her und verkauft sie dort auch an einem Stand am Straßenrand. Für die Eröffnung der Ausstellung verlässt die junge Designerin zum ersten Mal Uganda.

Dass jeder hier zeigen kann, was er oder sie für wichtig hält, ist gleichzeitig die Stärke und Schwäche der Ausstellung. Werden so die Motivationen und Positionen der einzelnen Designer sehr deutlich, bleibt die Ausstellung dadurch andererseits segmentiert und lässt nur erahnen, welchen Stellenwert afrikanische Mode innerhalb und außerhalb des Kontinents inzwischen hat und wie groß die Veränderung und Entwicklung in den vergangenen Jahren war. Da hilft ein Blick auf die Onlineplattform „fashionafricanow“ von Beatrace Angut Oola. Von Deutschland aus zeigt die Modeagentin, was sich in der afrikanischen Modeszene tut – und das ist eine Menge. Neben Südafrika sind in Westafrika Nigeria und der Senegal führend, in Ostafrika Uganda. Beatrace Angut Oola gab vor fast zwei Jahren den Anstoß zu dieser Ausstellung und kümmert sich um einen wichtigen Aspekt der Ausstellung, den der Haare.

Im Ausstellungsraum „Afro Hair District“ stellt sie heraus, warum die Beschäftigung mit Haaren gleichzeitig eine mit der eigenen Identität ist. In einem Regal stehen alle Produkte, die für afrikanisches Haar gemacht sind. „Kennen Sie eines davon?“, fragt Angut Oola. Sie macht damit auf sehr einfache Art deutlich, wie sehr sich afrikanisches Haar von anderem unterscheidet und wie sehr die Art, wie vor allem afrikanische Frauen ihre Haare tragen, für ein wachsendes Selbstbewusstsein steht. Seine Haare „natural“ zu tragen, also nicht geglättet, ist noch nicht lange etwas, das stolz macht. Jede Designerin hat etwas zu ihren Haaren zu erzählen, zum Beispiel Lamula Anderson (zum Interview geht es hier) oder Adama Paris, die ihre Haare als Kind hasste und erst als Erwachsene damit zu experimentieren begann. Deshalb hat sie sie auch zu ihrem zentralen Thema für die Ausstellung gemacht – und nicht ihre Mode, mit der sie zu den bekannteren Designerinnen Afrikas gehört. Auf Schwarz-Weiß-Fotos ist sie mit verschiedenen afrikanischen Frisuren zu sehen. Auf allen strahlt sie den Stolz aus, richtig zu sein, genau so, wie sie ist.

„Connecting Afro Futures“ im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum läuft bis zum 1. Dezember. Infos zu aktueller afrikanischer Mode online auf fashionafricanow.com - mehr zur Mode hier.

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