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© Reuters/Leah Millis

Antworten auf Trump und AfD: Kann man den Rechtspopulismus mit seinen eigenen Waffen schlagen?

Die Erfolge autoritärer Politiker lassen Demokraten ratlos zurück. Doch wer sich deren destruktive Strategien aneignet, schwächt die freie Gesellschaft, statt sie zu schützen.

Hannes Soltau
Ein Kommentar von Hannes Soltau

Stand:

Alle Gegenwehr der Demokraten nützte am Ende nichts. Das texanische Parlament hat den von US-Präsident Donald Trump forcierten, hochumstrittenen Zuschnitt der Wahlkreise im südlichen Bundesstaat beschlossen. Er soll den Republikanern bei den nächsten Kongresswahlen die Mehrheit sichern. Und wieder liegt die Frage auf der Hand: Sollte die Opposition mit denselben Waffen zurückschlagen? Oder: Dürfen demokratische Werte gebeugt werden, um die Demokratie zu verteidigen?

Längst scheint der MAGA-Bewegung in den USA jedes Mittel recht, um die eigene politische Macht zu sichern: Desinformation, menschenverachtende Rhetorik, Angriffe auf Institutionen oder Einschränkungen des Wahlrechts.

Der kalifornische Gouverneur und mögliche kommende demokratische Präsidentschaftskandidat Gavin Newsom erklärte jüngst, es reiche angesichts dessen nicht, sich an den Händen zu halten, Mahnwachen zu veranstalten und darüber zu reden, wie die Welt sein sollte. „Wir müssen die Karten annehmen, die uns ausgeteilt wurden. Und wir müssen Feuer mit Feuer bekämpfen.“

Und so kopiert er neuerdings Trumps populistischen Tonfall in sozialen Medien, inklusive persönlicher Verunglimpfungen. Als Antwort auf Texas strebt Newsom aber auch einen Neuzuschnitt der Wahlkreise in Kalifornien zugunsten der Demokraten an.

Auch in Deutschland ist die Versuchung, dauerhaften politischen Einfluss über demokratische Gepflogenheiten zu stellen, beobachtbar. Die verhinderte Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht hat gezeigt, wie leicht parteipolitische Kampagnen und Fake News das Vertrauen in zentrale Institutionen beschädigen können.

Gleichzeitig ringen die etablierten Kräfte seit Jahren mit einer Antwort auf die Erfolge der Rechtsextremisten bei Wahlen und in Umfragen. Nicht erst mit der Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht versuchen Linkspopulisten breite Teile der Bevölkerung auf ähnliche Weise emotional abzuholen wie die AfD. Und wieder werden komplexe politische Lösungen auf einfache Antworten und Feindbilder reduziert.

Es droht eine Abwehrspirale

Auf den ersten Blick mag einiges für diese Logik der Aneignung sprechen. Wenn rechte Agitatoren ihre Machtinstrumente bis an die Grenze der Legalität ausreizen, darf man nicht tatenlos zusehen. Sonst verschieben sich die Spielregeln unwiderruflich zugunsten der Antidemokraten.

Wer der „America First“-Rhetorik in den USA und der AfD-Propaganda hierzulande etwas entgegensetzen will, kommt nicht umhin, den nüchternen Politikersprech gegen eine leidenschaftlichere, klarere Sprache auszutauschen. Doch wer destruktive Strategien kopiert, nimmt langfristige Schäden in Kauf.

Wir müssen die Karten annehmen, die uns ausgeteilt wurden. Und wir müssen Feuer mit Feuer bekämpfen.

Gavin Newsom, Gouverneur von Kalifornien

Die Demokraten in den USA berufen sich gerne auf ihr Image als Partei der Faktentreue, der Rechtsstaatlichkeit und der Fairness. „Wenn sie tief sinken, dann steigen wir hoch“, hielt Michelle Obama 2016 fest. Wenn progressive Kräfte nun aber dieselben Mittel wie ihre Gegner anwenden, untergraben sie nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit.

Es droht vielmehr eine Abwärtsspirale, in der demokratische Regeln und Gepflogenheiten zunehmend gebeugt oder gebrochen werden. Der Preis wäre hoch: eine weitere Erosion der Rechtsstaatlichkeit, die Beschädigung von Parlamenten und Wahlverfahren.

Den eigenen Blindstellen zuwenden

Was also tun? Sicher ist: Die Demonstration moralischer Überlegenheit allein reicht nicht. Denn auch jenseits politischer Machtverhältnisse hat sich das Misstrauen gegen die freie Gesellschaft längst eingenistet.

Ob unter US-Präsident Biden oder Bundeskanzler Scholz: Liberale Demokraten haben es versäumt, die gesellschaftlichen Widersprüche zu adressieren, die ihre eigene Politik mit hervorgebracht hat - die Vergrößerung ökonomischer Ungleichheit, das Auseinanderdriften von urbanen Eliten und ländlichen Milieus, die Reduktion des Politischen auf Verwaltungsakte.

Diese gesellschaftlichen Wunden sind der Nährboden für die Erreger des Populismus. Wer als Demokrat aus der reinen Abwehrhaltung herausfinden will, muss sich den eigenen Blindstellen bewusst werden.

Es bleibt ein schmaler Grat zwischen der Versuchung, es den Feinden der freien Gesellschaft gleichzutun, und der Gefahr, zivilisatorische Errungenschaften durch Passivität preiszugeben. Ob dieser Weg zu besseren politischen Verhältnissen führt, wird sich zeigen. Sicher ist nur: Abseits davon wartet der Abgrund.

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