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Brief eines elfjährigen Holocaust-Opfers: „Böse Menschen schlagen die Juden und niemand kommt uns zu Hilfe“
Die elfjährige Jüdin Rachel Mintz wurde in Polen während des Holocausts ermordet. Um einen Brief des Mädchens wird jetzt in Israel vor Gericht gestritten.
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Ein Gericht in Israel hat die Versteigerung des Briefes eines elfjährigen jüdischen Mädchens aus Polen gestoppt, das während des Holocaust ermordet worden war. Die israelische Familie von Rachel Mintz aus Zawiercie (Warthenau während der deutschen Besatzung Polens) habe gegen den Verkauf Einspruch erhoben, berichtete die israelische Zeitung „Haaretz“ am Dienstag.
Die für Dienstagabend geplante Versteigerung sei von dem Bezirksgericht in Tel Aviv zunächst untersagt worden. Der Verkäufer und die Familie sollten sich binnen einer Woche einigen, sonst müsse der Streit vor Gericht geklärt werden.
Der auf Hebräisch geschriebene und 1937 ins damalige Palästina geschickte Brief beschreibe das Leben des Mädchens angesichts antisemitischer Übergriffe, hieß es in dem Zeitungsbericht. „Ihr habt bestimmt gehört, was in Polen passiert“, schrieb Mintz unter anderem. „Böse Menschen schlagen die Juden und niemand kommt uns zu Hilfe. Alle polnischen Juden sehnen sich danach, rasch ins Land Israel zu kommen.“
Der Brief sei Teil einer Sammlung von insgesamt fünf Schreiben jüdischer Kinder aus Polen, die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 an Kinder in Palästina geschickt worden seien, schrieb „Haaretz“. Der Verkäufer sei der strengreligiöse Journalist und Geschäftsmann Dudi Zilbershlag, Vorstandsmitglied der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Laut der Zeitung weigerte Zilbershlag sich, den Brief von Rachel Mintz der Familie oder dem Archiv von Yad Vashem zu übergeben.
Verwandte wollen, dass der Brief in ein Archiv kommt
Adva Lotan, Nichte von Rachel Mintz, sagte „Haaretz“: „Die Tatsache, dass ein Mensch in dieser Position mit Gegenständen von Holocaust-Opfern Handel treibt, bedeutet eine riesige Missachtung der Opfer.“ Die Familie will den Brief einem historischen Archiv wie Yad Vashem zukommen lassen.
Zilbershlag sagte der Deutschen Presse-Agentur, er werde Yad Vashem eine qualitativ hochwertige Kopie des Briefs zur Verfügung stellen. Die Briefe seien Teil des Nachlasses eines Schuldirektors in Haifa „und die Familie des Absenders hat keinerlei Rechte daran“, sagte er. „Ich habe die Briefe gerettet, sie wären sonst verloren gegangen.“ Die anderen vier Briefe sollen laut „Haaretz“ wie geplant versteigert werden.
Yad Vashem schrieb am Dienstag in einer Stellungnahme: „Es ist moralisch inakzeptabel und extrem geschmacklos, wenn jemand mit persönlichen Gegenständen, Artefakten oder Dokumenten von Holocaust-Opfern oder aus der Zeit des Holocaust Handel treibt.“ Der angemessene Ort für solche historischen Zeugnisse seien Einrichtungen wie Yad Vashem, wo sie gründlich untersucht und professionell aufbewahrt werden könnten. Ein Sprecher erklärte zudem, Zilbershlag sei kein ranghoher Mitarbeiter von Yad Vashem, sondern von einem externen Forum ernannt worden. (dpa)
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