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Hochzeit in der U-Bahn - das geht gar nicht mehr. Ein Bild aus Istanbul aus dem Jahr 2016.

© dpa picture-alliance.

Corona-Hotspot Hochzeiten: In der Türkei wird der schönste Tag im Leben zum Albtraum

Weil die Infektionszahlen in der Türkei dramatisch ansteigen, werden neue Verbotsmaßnahmen geprüft. Hochzeitsfeiern stehen an oberster Stelle.

Zu einer richtigen türkischen Hochzeit gehören viele Menschen. Verwandte und Freunde reisen aus dem ganzen Land an, es wird gegessen, gelacht und getanzt, und die Braut bekommt von den Gästen traditionell Goldmünzen ans Kleid geheftet. Wenn die Brautleute aus Großfamilien kommen, werden bei den Feiern mehrere Schafe geschlachtet und kiloweise Gold verschenkt.

Im Frühjahr waren Hochzeitsfeiern wegen der Corona-Pandemie monatelang verboten. Seit Juli darf zwar wieder festlich geheiratet werden, doch jetzt prüfen die Behörden ein neues Verbot, denn die Feiern werden zu Corona-Hotspots.

Bei Lockerung der Veranstaltungsverbote und Ausgangssperren im Juni und Juli kalkulierte die Regierung einen gewissen Anstieg der Infektionsfälle ein. Aber seit einigen Wochen steigen die Zahlen so stark, dass einige Experten warnen, das Virus sei außer Kontrolle.

Laut den täglichen Mitteilungen von Gesundheitsminister Fahrettin Koca registrieren die Behörden derzeit jeden Tag rund 1500 neue Fälle und mehr als 40 Tote, aber nur rund 1000 Genesungen. Insgesamt sind rund 270.000 Menschen in der Türkei erkrankt, 7,5 Prozent davon schwer. Rund 6400 Menschen sind an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.

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Ärzte und Ärztekammer in einigen Landesteilen berichten von überfüllten Intensivstationen und Opferzahlen, die weit über die amtlichen Angaben der Regierung in Ankara hinausgehen. Der Infektionsspezialist Mehmet Ceyhan sagte dem Fernsehsender Habertürk, in vielen Ländern liege die tatsächliche Zahl der Erkrankungen zehnmal höher als offiziell angegeben. In der Türkei aber liege sie wahrscheinlich zwanzigmal so hoch. Das Land müsse es schaffen, die Zahl der täglichen Neuinfektionen unter die Zahl der Genesenen zu drücken.

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Weil die Türkei davon weit entfernt ist, lässt Minister Koca neue Verbote prüfen. Dabei stehen die Hochzeitsfeiern an oberster Stelle. Bei einer einzigen Hochzeit in Anatolien infizierten sich kürzlich 32 Menschen: Die Gäste saßen auf dem Weg zur Feier stundenlang zusammen in Autos, griffen beim Schminken in einen gemeinsamen Tiegel und ignorierten die Abstandsregeln. „Wir können den Kampf nur gewinnen, wenn alle mitmachen“, schrieb Koca auf Twitter.

In Istanbul, der mit 16 Millionen Menschen größten Stadt des Landes, sind Hochzeits-, Verlobungs- und Beschneidungsfeiern seit Anfang der Woche nur noch mit großen Einschränkungen erlaubt. Entfernte Verwandte über 65 Jahre und Kinder unter 15 Jahren dürfen nicht mehr mitfeiern, die Gäste dürfen nur mit Wasser bewirtet werden, tanzen ist verboten.

Eine Stunde Hochzeit feiern, dann ist wegen Corona wieder Schluss

In anderen türkischen Provinzen dürfen Hochzeitsfeiern nicht mehr länger als eine Stunde dauern. Ein komplettes neues Verbot der Feiern würde viele Paare schwer treffen: Sie brauchen die Goldgeschenke, um einen Hausstand gründen zu können.

Die türkische Hochzeitsbranche ist bestürzt. Die Veranstalter von Hochzeitsfeiern befürchten zum zweiten Mal in diesem Jahr schwere Einnahmeeinbußen durch die neuen Verbote. Bei einer Protestkundgebung im nordwesttürkischen Bursa, an der einige Frauen im Brautkleid teilnahmen, beklagten Branchevertreter, schuld am Anstieg der Infektionszahlen seien nicht die organisierten Feiern, sondern „unverantwortliche und unregulierte Straßen-Hochzeiten“.

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Streit gibt es nicht nur um Hochzeiten. Regierungskritiker beklagten, bei einer Veranstaltung von Präsident Recep Tayyip Erdogan an der Schwarzmeerküste hätten sich viele Menschen vor dem Lautsprecherwagen des Staatschefs gedrängt, ohne dass irgendjemand auf die Abstandsregeln geachtet habe.

Auch die Ankunft russischer Touristen an türkischen Stränden seit Anfang August weckt Befürchtungen: Die Urlauber würden bei der Ankunft in der Türkei trotz eines offiziell verkündeten Hygienekonzeptes nicht auf Corona getestet, kritisierte Nursel Sahin, die Vorsitzende der Ärztekammer in der Ferienprovinz Antalya.

Als Folge steige die Zahl der Infektionen bei Hotelmitarbeitern in der Region an. In Antalya gebe es derzeit mehr Infektionen als zum Höhepunkt der ersten Krankheitswelle im März.

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