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Das Bild zeigt die Auslage eines Waffengeschäfts.

© picture alliance/dpa

Debatte nach Amoklauf in Graz: Warum es in Österreich pro Einwohner mehr legale Schusswaffen als in Deutschland gibt

Der Erwerb von Waffen ist in der Alpenrepublik viel leichter als hierzulande. Der mutmaßliche Täter besaß seine nach Angaben der Polizei legal. Nun wird in Österreich über die Auflagen diskutiert.

Stand:

Der Amoklauf an einer Schule in Graz erschüttert Österreich. Er wirft neben dem ungeklärten Motiv auch die Frage nach den Sicherheitsstandards in der Alpenrepublik auf. Wie konnte der 21-jährige mutmaßliche Täter an seine Waffen kommen?

Offiziell bestätigt ist bisher, dass der junge Mann eine Lang- und eine Faustfeuerwaffe verwendete. Nach Angaben der „Salzburger Nachrichten“ schoss er mit einer Pistole der Marke Glock und einer Schrotflinte.

Waffenhändler in Österreich spricht von „Super-Gau“

Nach Ansicht des Geschäftsführers des Wiener Waffenhandels Euroguns lässt sich die Frage relativ leicht beantworten. In der Alpenrepublik sei der legale Erwerb von Waffen deutlich einfacher als im besonders strengen Deutschland, sagte Markus Schwaiger der Nachrichtenagentur dpa. „In Deutschland wird fast keine Waffenbesitzkarte mehr ausgestellt.“

Anders in Österreich: Jeder mindestens 18-jährige EU-Bürger mit Wohnsitz in Österreich, gegen den kein Waffenverbot verhängt wurde, dürfe bestimmte Gewehre nach mehrtägiger Wartefrist und Registrierung kaufen.

Im Fall des 21-jährigen Amokschützen von Graz wird die Sache noch brisanter. Nach Angaben der Polizei hatte der junge Mann eine Waffenbesitzkarte, wie sie für eine Pistole zwingend nötig ist.

Das heißt, er musste einen sogenannten Waffen-Führerschein erwerben – eine umfassende theoretische und praktische Schulung – und einen Test beim Psychologen bestehen. Ein Amokläufer mit einer Waffenbesitzkarte – „das ist so eine Art Super-Gau“, sagte Schwaiger.

Bisher hätten Amokläufer oder auch der Schütze beim islamistischen Anschlag in Wien im November 2020 Langwaffen oder illegale Waffen verwendet, so der Waffenhändler. Was jetzt passiert sei, sei nach seinem Wissen eine Premiere, so Schwaiger weiter.

Millionen Schusswaffen in Österreich im Umlauf

Insgesamt liegen in Österreich bezogen auf die Einwohnerzahl dem Bericht zufolge viel mehr Waffen in den Schränken und Tresoren ihrer Besitzer als in Deutschland. Dem Innenministerium in Wien zufolge waren vor wenigen Jahren 1,1 Millionen Schusswaffen registriert – in der neunmal bevölkerungsreicheren Bundesrepublik sind es sechs Millionen.

In Medien ist die Rede von aktuell mindestens 1,5 Millionen legalen Schusswaffen, demnach alleine 220.000 in der Steiermark – Graz ist die Hauptstadt des südösterreichischen Bundeslandes. Die Zahl der illegalen Waffen in Österreich schätzen Experten demnach auf mindestens eine Million, wenn nicht mehrere Millionen.

370.000
Besitzer legaler Waffen soll es in Österreich geben.

„Die Zahl der Waffenbesitzer beläuft sich auf circa 370.000 Personen“, schreibt das Portal „Puls24“ unter Berufung auf die offiziellen Angaben. Österreich liege weltweit gesehen auf dem zwölften Platz, wenn es um privaten Waffenbesitz geht.

30 Schusswaffen kommen dem „Small Arms Survey 2017“ zufolge auf 100 Einwohner, heißt es weiter. Der vermehrte Waffenkauf wird demnach auch mit einem sinkenden „subjektiven Sicherheitsgefühl“ begründet.

Drei Waffenkategorien in Österreich

Wie leicht oder schwer es ist, in Österreich an eine Waffe zu kommen, hänge von deren Kategorie ab, schreibt die „Kleine Zeitung“. In die Kategorie C fallen demnach Büchsen, Flinten und andere Jagdwaffen, die auch im EU-Vergleich besonders leicht zu bekommen seien.

Einzige Voraussetzung: Volljährigkeit, kein für die Person geltendes Waffenverbot und eine dreitägige „Abkühlphase“ zwischen Kauf und Erhalt. Auch ein Limit für den Besitz dieser Waffen gibt es nicht.

Anders sehe es in der Kategorie B aus. Darunter fallen demnach Faustfeuerwaffen wie Revolver und Pistolen sowie Repetierflinten und halbautomatische Schusswaffen.

Wer ein solches Exemplar besitzen wolle, brauche eine entsprechende Waffenbesitzkarte. Die bekomme man unter Vorlage eines psychologischen Gutachtens und dem Nachweis eines Waffenführerscheins, der zeigt, dass man mit der Waffe sachgemäß umgehen kann.

Grazer Täter soll Pistole erst kurz zuvor gekauft haben

Der Besitz sei hier anfangs auf zwei Exemplare beschränkt, könne jedoch über die Jahre ausgeweitet werden. Wer entsprechende Dokumente vorweise, könne in jedem Waffengeschäft einkaufen.

Der Grazer Amokschütze soll seine Faustfeuerwaffe erst wenige Tage vor der Tat gekauft haben. Waffen der Kategorie A, unter anderem Pumpguns, vollautomatische Maschinengewehre oder anderes Kriegsmaterial, gebe es nur mit Sondergenehmigung.

Ein Waffenbesitzrecht bedeute aber nicht, dass die Modelle mitgeführt werden, sondern lediglich in den eigenen vier Wänden verwahrt werden dürften. Wer die Waffe mitführen will, braucht dafür streng geregelte Dokumente, die beispielsweise nachweisen, dass die Person die Waffe dienstlich braucht, eine Gefahr besteht oder der Betroffene Jäger oder Sportschütze ist.

Die Bürgermeisterin der Stadt Graz, Elke Kahr (KPÖ), forderte bereits am Dienstagabend ein Waffenverbot im privaten Bereich. Ihrer Meinung nach werden Waffenscheine „einfach zu schnell vergeben“.

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, spricht bei einer Pressekonferenz.

© dpa/Alex Halada

Der österreichische Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, sagte der Zeitung „Standard“ zufolge am Dienstabend im TV, der junge Mann hätte die Waffen nur daheim aufbewahren, aber nicht mitnehmen durfte: Mit einer Waffenbesitzkarte, wie der Täter sie hatte, „darf man Waffen nicht führen, das ist rechtswidrig“.

Er finde das österreichische Waffenrecht „streng“, sagte Ruf demnach, um später hinzuzufügen: „Wenn es Lücken gibt, muss man sie schließen.“

Die Grünen fordern seit Jahren eine Verschärfung, unter anderem schlägt die Partei eine Verlässlichkeitsüberprüfung für Waffenbesitzer alle fünf Jahre sowie einen psychologischen Eignungstest auch für Waffen der Kategorie C vor.

Paul Plener, Klinikvorstand an der Wiener Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, zeigt sich dem Bericht zufolge überrascht von der Zahl der Waffen im Land. Österreichs Waffengesetz sei ganz eindeutig zu liberal, sagte er demnach. Verschärfungen hätten international Wirkung gezeigt.

„Die Verfügbarkeit von Waffen hat mit der Zahl von Homiziden und Suiziden zu tun.“ Australien etwa habe sie nach dem Massaker von Port Arthur, einem Amoklauf im Jahr 1996, „massiv verschärft“, so Plener.

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