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Diese Produkte gibt es nicht einzeln: Turnschuhe mit den passenden Socken von Adidas, entworfen von Raf Simons.

© Voo-Store

Mode im Vorratspack: Dürfen’s ein paar mehr sein?

Männer, die ihre Kleidungsstücke im Vorratspack kauften, dienten lange als Vorlage für lahme geschlechtsspezifische Witze. Der Kauf von „drei zum Preis von einem“ war als modische Ignoranz verpönt. Neuerdings hat sich dies verändert: Der Multipack ist in!

Kleidung im Sammelpack ist heute en vogue. Aber nicht aus der Kaufhalle für 19,95 Euro, sondern von Prada, Jil Sander oder der Skatermarke Supreme, die sich in den letzten Jahren zum Distinktionsmerkmal ultimativer Coolness entwickelt hat. Beim Voo Store in Kreuzberg wurden gerade heiß begehrte Turnschuhe, die der Designer Raf Simons für Adidas entwarf, in einer Box mit drei passenden Paar Socken geliefert.

Das italienische Luxushaus Prada wirbt auf einem Dreierpack weißer Shirts mit den Slogans „Experiencing luxury through simplicity“ und „Embracing esthetic pragmatism“ – was wohl bedeuten soll: Luxus, aber nicht pompös, pragmatisch, aber stilsicher. Dafür bekommt man drei weiße Baumwoll-T-Shirts zum Preis von 180 Euro. Ein besonderes „Bundling“-Konzept hat man sich bei Jil Sander überlegt: Sieben Hemden für sieben Tage gibt es dort, der Stückpreis liegt hier allerdings zwischen 550 und 730 Euro. Ein echtes Schnäppchen stellt dagegen das Shirt-Set von Supreme dar: Zwei weiße oder schwarze T-Shirts kosten dort im Doppelpack 28 Euro.

Bitte bevorraten Sie sich. T-Shirts im Dreierpack von Prada.

© Voo-Store

„Immer mehr Leute sind überwältigt von dem Überangebot, das der Markt bietet. Deswegen setzen manche auf eine Art Uniform, bestehend aus Klassikern. Das macht es auch einfacher, ein Kleidungsstück nachzukaufen“, sagt Herbert Hofmann, Chefeinkäufer des Voo Stores. Er sieht in der Tendenz zum Multipack eine logische Entwicklung: „Warum muss man denn jede Saison das Rad neu erfinden? Wenn etwas gut ist, wollen die Leute es wieder kaufen, sobald es abgetragen ist.“

Zusammenhängen könnte der Aufstieg des simplen Designs im Vorratspack mit dem Megatrend Normcore. Dieser Begriff wurde schon 2013 von einem New Yorker Trendforschungs-Kollektiv geprägt. Er beschreibt, wie sich Menschen anziehen, um zu beweisen, dass sie es aufgegeben haben, individuell sein zu wollen. Dazu passen Outfits aus möglichst unauffälligen Jeans, weiße T-Shirts ohne Aufdruck, Kappen mit Werbeaufschrift und Birkenstock-Latschen oder Retro-Turnschuhe. Seither hat sich an diesem Look nicht viel verändert es lohnt sich also auch weiterhin, sich mit Klassikern wie weißen T-Shirts zu bevorraten.

Die schwedische Modemarke Asket setzt genau auf diese Erkenntnis und hat sich zum Ziel gesetzt, das perfekte weiße T-Shirt für Männer anzubieten. Rundhalsausschnitt, Premium-Baumwolle aus Ägypten, gefertigt in Portugal – zwei Jahre hat die Suche nach diesem Rezept gedauert. Noch ist das Shirt, anders als die Unterhosen der Marke, allerdings nicht im Multipack erhältlich. Pro Stück kostet es 35 Euro.

Das weiße T-Shirt ist in der minimalistisch ausgerichteten Garderobe so etwas wie der heilige Gral. Einmal gefunden, kann es immer wieder nachgekauft werden. „Die Menschen suchen nach Minimalismus, weil sie nicht lange vor dem Kleiderschrank stehen und überlegen wollen. Und auch der Nachhaltigkeitsgedanke spielt dabei eine Rolle“, sagt Hofmann.

Übrigens spricht dieser Minimalismus im Kleiderschrank nicht nur Männer an: „Zunehmend wollen auch Frauen diese Bequemlichkeit. Diese Nachfrage wurde aber noch nicht so von den Marken erhört wie bei den Männern. Auch Frauen fragen bei uns nach Stücken, die sie schon einmal hatten, oder kaufen manches gleich zweimal.“

Das Bedürfnis nach minimalistischen Produkten steht einer anderen Tendenz entgegen, der der Guccifizierung. Seit Alessandro Michele für Gucci Kleidung entwirft, die gar nicht auffällig genug sein kann, explodieren in der Mode gerade Farben und Muster. In Berlin setzt sich das aber nicht durch. Hofmann sieht es im Berliner Lebensgefühl begründet: „Setzt sich eine Berlinerin mit so einem teuren Gucci-Kleid in den Park und trinkt ein Bier? Kaum. In Paris oder Mailand passt das ins Stadtbild. Aber am Kottbusser Tor mit High Heels und wild gemustertem Kleid? Das kann schnell in die falsche Richtung gehen.“

Wenn man Produkte im Multipack verkaufen will, spielt natürlich auch Geld eine Rolle. Bei Yeezy, der Streetstylemarke von US-Musiker Kanye West, kann man ganze Outfits im Set kaufen. Der Grund dafür: Die Turnschuhe der Marke werden sofort nach dem „Drop“ (so heißt es, wenn bei den gehypten Streetwear-Marken eine neue Lieferung in die Läden kommt) auf dem Schwarzmarkt für ein Vielfaches des ursprünglichen Preises gehandelt. Um dem entgegenzuwirken, gibt es nun die Yeezy-Schuhe nur bei zusätzlichem Kauf zweier unifarbener Sweatshirts, die beim Weiterverkauf schlechter weggehen als die Turnschuhe. So sichert sich die Marke einen höheren Anteil an dem, was die Konsumenten auf dem Schwarzmarkt auszugeben bereit sind.

Wie in der Mode üblich findet sich aber auch ein Gegentrend zum Kombi-Kauf. Was früher gang und gäbe war, nämlich das Bikini-Set, bestehend aus Bikiniober- und -unterteil zusammen zu kaufen, scheint heute fast unmöglich. Ein Blick auf die Zalando- oder H&M-Website verrät: Stets geht es entweder um Ober- oder Unterteil. Dabei, so wollen die Unternehmen glauben machen, geht es um die Freiheit der Konsumentin, BH und Höschen nach Belieben zu kombinieren. Selbstredend zu dem Stückpreis, den früher einmal beides zusammen gekostet hat.

Voo Store, Oranienstr. 24, Kreuzberg, Mo bis Fr von 10 bis 20 Uhr. Produkte von Asket kann man online kaufen: www.asket.com

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