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EU-Parlament votiert gegen Veggie-Fleisch: Den Verbrauchern ist das doch Wurst
Der EU-Streit über die Bezeichnungen von Fleischersatzprodukten geht an der Lebensrealität der Bevölkerung vorbei. Die ist auch nicht so doof, wie offenbar angenommen wird.

Stand:
Im EU-Parlament wurde heiß gestritten und dann entschieden, dass Fleischersatzprodukte künftig keine Fleischproduktbezeichnungen wie „Wurst“, „Schnitzel“, „Burger“ mehr tragen dürfen. In Deutschland halten es zugleich zwei Drittel der Bevölkerung für unwichtig, dass die demokratisch gewählte Vertretung fast ihres gesamten Kontinents sich mit dieser Frage überhaupt befasst hat.
Wie passt das zusammen? Genau, gar nicht. Vielmehr dürften die zwei Drittel sich an diesem Mittwochmittag abermals an den Kopf gefasst haben und sich womöglich darin bestätigt fühlen, dass auf EU-Ebene viel Mensch und Material für Überflüssiges eingesetzt wird.
Trotz des Votums, das den Streit nun in die EU-Länder abgibt, wo über die nationale Umsetzung entschieden werden muss, bleibt der Verdacht, dass es sich bei der Veggie-Wurst-Frage um ein Un-Thema handelt.
Jenseits philosophischer Grundsatzüberlegungen ist es doch wurscht, ob ein pflanzliches Fleischersatzprodukt Wurst, Schnitzel, Steak, Burger genannt wird oder nicht. Entsprechend dünn waren auch die Argumente, die für eine Beschränkung des Fleischprodukte-Wortschatzes auf echte Fleischprodukte waren.
Die Unterscheidung ist vor allem theoretisch
Eins davon: Verwechslungsgefahr. Als seien die Menschen in ihrer Masse zu doof, um zwischen einem bluttriefenden Filet am einen Ende des Kühlregals und dem graubraunsämigen Bratling am anderen zu unterscheiden.
Oder: Pflanzenbasierte Ersatzprodukte böten nicht die gleichen Nährwerte wie ihre tierischen Originale. Na und?, möchte man rufen. Wo ist das Problem? Dann tun sie das eben nicht. Vollmilch- und Bitterschokoladen enthalten auch nicht die gleichen Nährwerte, ohne dass jemand auf die Idee käme, eine von beiden nicht länger Schokolade zu nennen.
Diese Unterscheidung ist vor allem theoretisch. Praktisch ist sie folgenlos. Zumal angesichts einer Bevölkerung, die entweder ohne jede Ernährungskenntnisse wegmampft, was im Angebot ist, oder detailversessen höchst elaborierten Diäten anhängt.
Die Veggie-Wurst-Frage mag für die Fleischindustrie von prinzipieller Wichtigkeit und eine drohende Konkurrenz sein. Aber auch sie wird wissen, dass der Wert von in Deutschland produziertem Fleisch und Fleischerzeugnissen im Jahr 2023 nahezu das 80-Fache des Wertes der Fleischersatzprodukte betrug. Was stört es da den Mond, dass ihn der Hund anheult?
Und auch im EU-Parlament könnte man sich noch mal kurz besinnen, worum es in der Politik gehen sollte. Sicherlich muss nicht jedes Thema von weltpolitischer oder existenzieller Relevanz sein. Und doch wünschte man sich ein Mindestmaß an Bedeutsamkeit für die in der EU lebenden Menschen.
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