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In der Weite. Ab wann gilt man jenseits der Dorfgrenzen als Egoist? Wenn man 100 Flüchtlinge auf 52 Einwohner als zu viel empfindet? Fragen, die sich die Bewohner Borks seit Wochen stellen.

© picture alliance / dpa

Unterkünfte für Flüchtlinge: Fluchtpunkt Bork, ein Dorf in Aufregung

Die Verwaltung hat entschieden: Hundert Asylbewerber sollen nach Bork kommen, Brandenburger Hinterland. Viel Wald, einen Fluss - und 52 Einwohner. Ein Dorf in Aufregung. Lesen Sie hier einen Auszug, den ganzen Text gibt's im digitalen Kiosk Blendle.

Die Erkenntnis, dass es so etwas wie einen handlungsfähigen, zum Handeln auch entschlossenen Staat in Deutschland gibt, kam den Dörflern in den Morgenstunden des 29. Oktober. An jenem Donnerstag waren die Transparente weg. Der Ortsvorsteher, in Ausübung seines Amtes, rief die Polizei an: „Die Transparente sind weg.“

Ja, das wisse man schon. Die habe man nämlich selber abgemacht.

„Warum?“

Ein Streifenwagen sei durchs Dorf gefahren, dessen Besatzung habe die Transparente gesehen, das Ganze nach oben gemeldet und die Anweisung bekommen: Abmachen!

Auf dem größten der Transparente stand: „Wir wollen Integration“. „Weniger ist mehr“. Es hing zwischen zwei Bäumen am Ortseingang, und es war verdächtig. Genauso wie die anderen fünf, auf denen Ähnliches stand und die an Grundstückszäunen festgemacht waren. Die Dorfbewohner hatten sie am Abend zuvor angebracht, um damit die Asylbewerberpläne des Landkreises zu tadeln.

Und jetzt, gut drei Wochen später, sitzen sie hier. Eine Abordnung gewissermaßen, eine Handvoll Leute, versammelt an einem Tisch in einem der Häuser des brandenburgischen Dorfes Bork, gelegen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Es ist ein Ortsteil der Stadt Kyritz, „Kyritz an der Knatter“ genannt, obwohl der Fluss dort Jäglitz heißt, an dem aber einst Wassermühlen rumpelten und knatterten. Das Dorf Bork hat 70 Einwohner. „Offiziell“, sagt einer, „aber wenn ich hier von Haus zu Haus gehe und klingele, dann zähle ich 52, die dann wirklich aus der Tür kommen.“

Wer durchs Dorf geht, ohne zu klingeln, hat nach zehn Minuten alles abgelaufen. Bei Abendspaziergängen wird man von drei Hunden angebellt, ansonsten ist es vollkommen still.

Zu den 52 regelmäßig körperlich anwesenden Einwohnern sollten, das war der Landkreisplan, 100 Asylbewerber kommen. Und gewissermaßen nebenbei noch Sorgen und Angst und wachsende Zweifel daran, von der Politik und den Behörden ernst genommen zu werden.

Bork war das Ergebnis einer Suche nach dem Weg des geringsten Widerstandes. Die Not der an Europas Grenzen Ankommenden wird weitergereicht – auch die eigene Not der Obrigkeit – an die Nachbarländer, an untergebene Verwaltungen und Amtsträger. Es ist ein kontinentweit tadellos funktionierendes Verfahren, an dessen Ende irgendwann Orte wie Bork stehen. Hier schlug die organisierte Verantwortungslosigkeit und Überforderung dann um, und zwar in Unsicherheit und ins Wachsame. Und eben auch in jenes Überwachsame, das sich in der Polizeiaktion Ende Oktober zeigte.

Den ganzen Text (25 Cent) finden Sie hier, im digitalen Kiosk Blendle.

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