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Fußfesseln, Bohnen, Psychospiele: Wie ein 25-Jähriger aus Sachsen-Anhalt für 16 Tage im US-Abschiebegefängnis landete
Im Januar besuchte Lucas Sielaff seine Verlobte in Las Vegas. Gemeinsam fuhr das Paar nach Mexiko – und plötzlich befand sich der 25-Jährige mit Fußfesseln auf dem Weg ins Gefängnis.
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Lucas Sielaff führt seit drei Jahren eine Fernbeziehung mit einer US-Amerikanerin. Seine Verlobte lebt in Las Vegas, er im sachsen-anhaltinischen Bad Bibra. Der 25-Jährige hat sie schon mehrere Male in den USA besucht. Mit einem ESTA-Visum darf man zwei Jahre lang einreisen und bis zu 90 Tage bleiben. Das lief bisher ohne Probleme.
Doch im Februar, als er gerade zum vierten Mal in den USA war, landete er plötzlich in einem Abschiebegefängnis. Ähnliches erlebten auch zwei andere Deutsche. Dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hat Sielaff nun erzählt, wie es aus seiner Sicht dazu gekommen ist.
Alles begann mit einer Fahrt nach Mexiko. Sielaff sei gerade zu Besuch bei seiner Verlobten gewesen, deren Hund erkrankt sei. Im südlichen Nachbarland sei es einfacher, einen Termin beim Tierarzt zu bekommen, also beschlossen sie, über die Grenze zu fahren. Nach vier Tagen wollten sie wieder zurück in die USA fahren.
Es sollte anders kommen. Bei der Rückreise wurde das Paar an der Grenze kontrolliert, und Sielaff sei nach seiner deutschen Herkunft gefragt worden. Der Beamte sei aggressiv gewesen, berichtet er. Er habe ihm erklärt, dass er in Las Vegas wohne, wobei es zu einem Missverständnis gekommen sei. Sielaff vermutet, dass man ihn als vermeintlich illegal in den USA lebenden Deutschen gesehen habe.
Kette um den Bauch, Handschellen und Fußfesseln
Gemeinsam mit seiner Verlobten habe er versucht, zu erklären, dass er nur zu Besuch sei und ihren Wohnort deshalb als seine Adresse angegeben habe. Ohne Erfolg. Das Paar musste aus dem Auto aussteigen und wurde in getrennte Räume zu einer Befragung gebracht. Dabei sei Sielaff durchsucht und anschließend mit Handschellen an einer Bank festgemacht worden.
Erst Stunden nach seiner Befragung – die er ohne Übersetzer habe machen müssen – habe er zum Auto gehen dürfen, um dem Hund Wasser zu geben. Frei kam er an diesem Tag aber nicht mehr. Der Deutsche sei in eine Zelle gebracht worden. Seiner Verlobten wurde mitgeteilt, dass sie gehen dürfe, wenn sie sofort nach Las Vegas fahren würde. Sie informierte Sielaffs Familie in Deutschland.
Nach zwei Tagen in der Zelle an der Grenzkontrollstelle wurde Lucas Sielaff in ein Abschiebegefängnis nahe San Diego gebracht – mit einer Kette um den Bauch, Handschellen und Fußfesseln, erzählt er. Im „Otay Mesa Detention Center“ seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden, er habe Papiere unterschreiben und seine Kleidung abgeben müssen.
Er kam in eine Zelle mit 128 Männern – unter anderem aus Russland, Kosovo, Somalia, der Türkei und Venezuela. Um fünf Uhr morgens seien er und die Männer täglich geweckt worden, zweimal am Tag habe er in einen Innenhof an die frische Luft dürfen, die drei Mahlzeiten hätten fast immer aus Reis und Bohnen bestanden. Die Zeit habe er sich mit Filmen, Sport und Kartenspielen vertrieben.
Wie lange das so bleiben sollte, sei ihm nicht gesagt worden. Die Wärter hätten gemeint, es könne Tage, Wochen oder Monate dauern, berichtet Sielaff: „Das waren richtige Psychospiele. Man muss seinen Kopf irgendwie versuchen, darauf vorzubereiten, dass das erstmal so bleibt.“
Zur Deutschen Jessica Bösche, die zur selben Zeit im Gefängnis gesessen habe, hatte er keinen Kontakt.
Seine Verlobte und die Familie in Deutschland kämpften indessen um seine Freilassung – mit Kontakt zu Medien und zur deutschen Botschaft. Doch diese habe dazu keine Auskunft geben können, wie sie in einer Mail geschrieben habe. Ein Anwalt wurde Sielaff ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt, da es keinen Prozesstermin gegeben habe.
Es dauerte 16 Tage, bis Lucas Sielaff freigekommen sei. Plötzlich wurde sein Name aufgerufen und ihm sei mitgeteilt worden, dass er gehen könne, wenn er jetzt einen Flug nach Deutschland buche. Für 2800 Dollar habe seine Verlobte die Rückkehr nach Deutschland organisiert. Am 6. März flog er nach München. Zuvor wurde er – erneut in Ketten – zum Flughafen gebracht, der Reisepass sei dem Flugpersonal übergeben worden. Immerhin hätten die Polizisten der Crew erklärt, dass er nicht gefährlich sei.
Bis heute quälen ihn Albträume von der Verhaftung und der Zeit im Gefängnis, erzählt Lucas Sielaff. Auch Essen sei für ihn problematisch. In die USA werde er dennoch irgendwann wieder zurückkehren, er wolle seine Verlobte wiedersehen. (Tsp)
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