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Serie Bundestagswahlen: 1957: Der gekaufte Sieg

Wie Konrad Adenauer die Union 1957 zur absoluten Mehrheit führte – und warum die Niederlage für die SPD gar nicht so schlecht war.

Die Bundestagswahl vom 15. September 1957 – sie war Konrad Adenauers großer Triumph. „Keine Experimente“ – so lautete der Slogan der Union, und das zog im Wirtschafswunderland. Es war Adenauers dritter Sieg nach 1949 und 1953, und dem mittlerweile schon 81-jährigen Kanzler gelang das Kunststück, sich selber noch einmal zu übertreffen. Adenauer holte für die CDU/CSU die absolute Mehrheit der Stimmen; bis heute hat das kein Regierungschef der Bundesrepublik wiederholen können.

Der Kuchenausschuss tagt

Es war aber nicht allein die Person des Kanzlers, dem man sein Alter schon anmerkte und der die jüngere Generation kaum noch erreichte, in der sich langsam ein Unbehagen an der selbstgefällig werdenden Nierentischdemokratie zu regen begann. Nein, die Regierung hatte begonnen, den wirtschaftlichen Erfolg auszuschütten. Der Bundesrepublik ging es wirtschaftlich prächtig, jedenfalls im europäischen Vergleich, vom Wohlstand der Nordamerikaner war man noch weit entfernt. Aber die Überschüsse im Haushalt wuchsen, und nun wurde das Füllhorn mal so richtig geöffnet. Eine Runde von Politikern der schwarz-gelben Koalition, „Kuchenausschuss“ genannt, baldowerte in den beiden Jahren vor der Wahl eine Mischung aus Steuersenkungen, Subventionen und Sozialleistungen aus, die sich für die Union als ungemein einträglich erwies („Wohlstand für alle“ lautete einer ihrer Plakatsprüche).

Rentenreform als Wahlkampfschlager

Kernstück des Kuchens war die große Rentenreform, mit der die bis heute bestehende Umlagefinanzierung eingeführt wurde. Künftig sollten die Renten sicher sein. Und vor allem höher. Mit der Reform stiegen die Renten um durchschnittlich 60 Prozent. Und sie sollten künftig mit der Einkommensentwicklung weiter steigen. Das zog bei den Alten, die bis dato vom Boom nicht wirklich profitiert hatten. Die Union heimste 50,2 Prozent der Stimmen ein, es war ein gekaufter Wahlsieg. Sie bildete eine Alleinregierung, in die noch die Abgeordneten der konservativen Deutschen Partei eingebunden wurden, die dank ihrer sechs Direktmandate letztmals in den Bundestag kam. Die FDP fiel auf 7,7 Prozent. Sie saß nun mit der SPD in der Opposition (was einer Jungriege um einen gewissen Walter Scheel gar nicht unrecht war, denn die peilte sozialliberale Bündnisse an).

SPD im Lernprozess

Die Sozialdemokraten hatten sich – abermals angeführt vom braven Parteisoldaten Erich Ollenhauer – immerhin leicht auf 31,1 Prozent verbessert (und damit erstmals die Dreißigermarke überwunden). Die Kooperation mit der Union bei der Rentenreform hatte sich aber nicht rentiert. Das Ergebnis von 1957 war folgenreich für die Partei – die Sozialdemokraten erkannten, das sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen mussten. Die Niederlage war so gesehen ein Gewinn. Die Zeiten der sich selbst genügenden Arbeiterpartei waren endgültig vorbei. Die SPD musste sich breiter aufstellen, sie musste Volkspartei werden. Die programmatische Erneuerung wurde nun schnell vorangebracht, gipfelnd im Godesberger Programm von 1959. Und sie brauchte ein Gesicht. Die SPD, traditionell am Führungskollektiv hängend (heute gern Troika genannt), hatte erkennen müssen, dass in der Kanzlerdemokratie Personalisierung eine gewisse Rolle spielte.

1957 markierte so eine doppelte Wende. Adenauers Triumph war zugleich der Beginn des Abstiegs des greisen Kanzlers, und in der sich erneuernden SPD eröffnete die Niederlage einem Mann den Weg nach oben, der in jenem Jahr Regierender Bürgermeister von Berlin geworden war und der Partei im folgenden Jahrzehnt das Gesicht gab: Willy Brandt.

Die weiteren Teile der Serie zu den Bundestagswahlen lesen sie hier.

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