zum Hauptinhalt
Der Badeanzug Otto von Lido hat leicht geraffte Träger.

© Promo

Hitzebeständige Mode: Hüte, Badeanzüge oder nackte Haut

Manche Frauen tragen Badekleidung auch im Alltag, durchtrainierte Männer ziehen das T-Shirt aus. Was die Menschen im Sommer tragen – oder nicht.

Der Badeanzug

Er ist so etwas wie das Grundmodell eines Badeanzugs: einfarbig, mit dünnen, am Rücken gekreuzten Trägern, einem tiefen, aber nicht zu aufreizenden Ausschnitt vorne und einem runden hinten, mit moderatem Beinausschnitt, der das Bein verlängert, aber nicht ordinär wirken lässt.

Als die in Italien aufgewachsene Polin Daria Stankiewicz vor sechs Jahren einen simplen Badeanzug suchte, dachte sie: „Warum macht das niemand?“ Ohne Glitzer, Push-Ups, ohne schmeichelnde Muster, Raffungen an Dekolletee und Hüfte, einfach nur einen Einteiler, mit dem man am Strand liegen, aber auch schwimmen kann und nicht im Wasser stehenbleibt, weil man Angst hat, dass alles verrutscht. Daria Stankiewicz nimmt keineswegs für sich in Anspruch, die Erste gewesen zu sein, die auf diese sehr einfache Idee kam. Sie kommt ja auch gar nicht aus der Mode. Es war also keine fachlich begründete Vorahnung, dass die Jahre nach der Gründung ihres Labels Lido in Venedig Badeanzugjahre werden würden. Ihren allerersten nannte sie Uno.

Sie dachte sich einfach: „Ich als moderne Großstädterin möchte auch am Meer so aussehen wie in der Stadt, wo ich meine Brüste auch nicht in gepolsterte Push-ups presse. Ich will am Strand so selbstverständlich gekleidet sein wie in Jeans und weißem T-Shirt in der Stadt. Und noch etwas bewegte die Politikwissenschaftlerin dazu, Badeanzug-Unternehmerin zu werden: „Ich liebe den Sommer!“

Wer genau hinschaut, sei es an heimischen Seen oder Meer, der wird entdecken, dass der Badeanzug sich in den vergangenen zwei Jahren gegen den lange Zeit unschlagbaren Bikini durchgesetzt hat. Das könnte auch mit einem sich veränderten Selbstbild vieler Frauen zu tun haben. „Es geht mir nicht darum, mich zu zeigen. Ich will einfach am Strand sein und mich wohlfühlen“, sagt Stankiewcz.

Darüber hinaus hat sie festgestellt, dass der Badeanzug sich, wie vieles aus der Sportswear, in den Alltag geschlichen hat. Ihre Badeanzüge werden zu Jeans oder Röcken auch in der Stadt getragen, womit sie ihr Ziel selbstverständlicher Kleidung erreicht hat .

In vielen Läden hängen ihre Einteiler inzwischen nicht mehr bei der Bademode, sondern bei der Kleidung. So ist es zum Beispiel auch bei Andreas Murkudis in der Potsdamer Straße, dort hängen die Lido-Modelle von Daria Stankiewicz neben Blusen und Hosen.

Immer noch ist Uno ihr meistverkaufter Badeanzug, der auch im nächsten Jahr in der Kollektion bleiben wird. Aber ansonsten setzt sie dann zum ersten Mal voll auf den Bikini. Sie sieht die Hochzeit des Badeanzugs zu Ende gehen. „Die Frauen wollen wieder mehr Haut freilegen, um sich zu bräunen“, glaubt Stankiewcz. Es könnte aber auch daran liegen, dass der Bauchnabel schon in diesem Sommer zu einem wichtigen Accessoires geworden ist.

Der klassische Fedora aus Stroh.
Der klassische Fedora aus Stroh.

© Nada Quenzel

Nackte Haut

Und da sind wir schon bei einem anderen Thema. Nämlich dem, was dieser heiße Sommer so alles freilegt. Das sind in diesem Jahr vor allem Bäuche, unter kurzen Tops und offenen Hemden zur Schau getragen. Umrahmt werden sie von Hosen und Röcken, die so hoch geschnitten sind, dass sie die Körpermitte gerade noch erahnen lassen. Lange Jahre blieb der Bauchnabel unter eher großen Oberteilen verborgen, was bei älteren Semestern entweder nostalgische Gefühle auslöst oder Erleichterung, diese Bloßlegung nie wieder mitmachen zu müssen. Ob man nun an die sehr junge Britney Spears oder Paris Hilton denkt – irgendwie sieht das mit der Zurschaustellung heute lockerer aus. Der Bauch ist, im Gegensatz zu den frühen 2000ern, eher zu erahnen. Und auch wenn die Rückkehr der sehr tief sitzenden Hüftjeans schon im vergangenen Jahr ausgerufen wurde, ist davon bisher auf den Straßen wenig zu sehen. Bisher sind es also nur die Oberteile, die nach oben gerutscht sind.

Auch die Bäuche drumherum sind vielfältiger geworden, Stichwort „Body positivity“, was so viel bedeutet wie „jeder Körper ist schön“. Was allerdings nicht für Männer gilt, die zurzeit ihren kompletten Oberkörper auch gerne mitten in der Stadt freilegen. Der durchtrainierte Körper wird bei heißen Temperaturen noch lieber vorgezeigt als jedes T-Shirt.

Kurze Hosen an Männerbeinen gelten ja inzwischen als akzeptiert. Spätestens seit Corona hat sich das mit der formellen Kleidung für den Mann ohnehin fast erledigt. Nichts wurde in diesem Sommer so viel verkauft wie Shorts für Männer. Der Gentleman Sir Hardy Amies schrieb in seinem Ratgeber von 1964: „Kurze Hosen trägt man ausschließlich am Rande des Wassers“, nackte Oberkörper in der Öffentlichkeit hätte der Brite sich nicht einmal zu träumen gewagt. Wir Stadtbewohner fangen schon an, uns daran zu gewöhnen.

Die Stoffe für die Kleider von Zen Ethic werden in Paris entworfen und in Indien bedruckt und gefertigt.
Die Stoffe für die Kleider von Zen Ethic werden in Paris entworfen und in Indien bedruckt und gefertigt.

© promo

Der Hut

Wenn Kunden ihr kleines Atelier besuchen, räumt Nada Quenzel den Küchentisch und die Fensterbank ab, um all ihre Hüte präsentieren zu können. Jetzt, bei der Hitze, sind es vor allem solche aus Stroh: ein klassischer Fedora mit einem eingearbeiteten Kniff aus der leichten Faser des Affenbrotbaums. Oder ein Trilby in dunkelgrün mit kleiner Krempe, wie ihn die Blues Brothers trugen. Oder eine Kreissäge aus einem zu einem eher lockeren Muster verflochtenen, breiten Halm. Dieses Material nennt man Florentiner, das gibt es heute nur noch selten. Der Rand ist mit schwarzen Ripsband eingefasst. Nada Quenzels Kappen mit rundem Schirm sind aus gedrehtem Papier. Die Produktdesignerin mag klare, puristische Formen, viele ihrer Hüte verkauft sie genau so gut an Männer wie an Frauen.

Ihre Rohlinge kauft sie in der ganzen Welt ein. „Es ist nicht einfach, gutes Material zu finden“, sagt sie, „ob das nun feinstes Kaninchenhaar oder eine besonders geflochtene Strohart ist, die sich zu weichen und flexiblen Hüten verarbeiten lässt.“ Wenn eine Hutmacherin ihren Laden aufgibt, versucht sie, die Bestände aufzukaufen. In Paris hat sie einen Laden entdeckt, der altes Hutband verkauft. „Das sind Schätze von hoher Qualität, das merkt man spätestens wenn man den Rohling über die Hutform stülpt, um den Hut zu formen“, sagt sie. Mit Formen steht bei ihr ein ganzes Regal voll, viele hat sie auf Ebay ersteigert. Gerade formt ein Stumpen aus den dreißiger Jahren honigfarbenes Stroh zu einer Schiebermütze.

Die meisten Hüte werden heute getragen, um sich von der Masse abzuheben. Das ist mit dem richtigen Hut ganz leicht, findet Nada Quenzel: „Es ist erstaunlich, wie ein Hut ein Gesicht verändern kann. Mit der richtigen Form kann man seine Persönlichkeit unterstreichen.“ Den richtigen zu finden, ist manchmal ein langer Prozess. Vielen ihrer Kunden fehlt schlicht das Gefühl, welcher Hut ihnen steht.

Woher sollen sie es auch wissen? Hüte sind komplett aus der Mode gekommen, seitdem die Menschen zu Autofahrern geworden sind. Das ändert sich gerade, das Interesse an ihren Produkten wächst von Jahr zu Jahr. Es kommen sogar Kunden, die von ihrem Arzt zu ihr geschickt werden, weil sie ihren Kopf vor der Sonne schützen sollen.

Das Kleid

Wie es auch im Berliner Stil steht, kann die richtige Kleidung mitunter besser kühlen, als gar nichts anzuhaben. Ganz abgesehen davon, dass nackte Haut Sonnenbränden Vorschub leistet, ist es unangenehm, mit dem nackten Rücken oder den Oberschenkeln am U-Bahn-Polster zu kleben.

Zum Kühlen an heißen Sommertagen sind die Kleider von Zen Ethic genau richtig. Sie sind aus leichter Baumwolle, aus Leinen oder Seide gefertigt. Die Muster werden in Paris entworfen und in kleinen Handwerksbetrieben in Indien auf die Stoffe gedruckt. Die französische Firma legt großen Wert auf Umwelt- und Sozialverträglichkeit und entwickelt seit über 20 Jahren ethnische Kleidung in schickem, zeitgemäßem Stil. Die Schnitte der Kleider, Blusen und Hosen sind elegant und feminin und bringen die farbenfrohen Stoffe schön zum Schwingen.

Die Badeanzüge von Lido gibt es in Berlin bei Andreas Murkudis in der Potsdamer Straße 81 und bei „The Store“ in der Torstraße1. Die Hüte von Nada Quenzel kann man sich in ihrem Atelier anschauen. Die Kleider von Zen Ethic verkauft Magazzino in Wilmersdorf.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false