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Deutsche Publikationen über die Ukraine und Ukrainer: 100 Jahre Krieg und Frieden
Am 24. August begeht die Ukraine den Tag der Unabhängigkeit. Wie die Medienwelt auf das Land schaut.
Stand:
Vor genau 100 Jahren, am 24. August 1922 veröffentlichten das „Berliner Tageblatt“ und die „Handels-Zeitung“ die Einladung zum Besuch des Theaterstücks „Der weiße Bär und die schwarze Pantherkatze“ des berühmten ukrainischen Schriftstellers und politischen Aktivisten Wolodymyr Wynnytschenko. Er lebte von 1921 bis 1923 in Berlin.
Der 24. August ist ein besonderer Tag für die Ukraine: Auf diesem Tag im Jahr 1991 datiert die formale Unabhängigkeitserklärung, es ist zugleich der Tag, an dem vor einem halben Jahr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann. In diesem Beitrag wird ein Überblick darüber gegeben, wie die Medienwelt in den vergangenen 100 Jahren auf die Ukraine geblickt hat.
Die Aufführungen seiner Werke waren in den 1920er Jahren auf den Berliner Theaterbühnen sehr beliebt. Sein Stück „Die Lüge“ wurde in den Berliner Theatern – insbesondere in der „Volksbühne“ – mehr als 60 Mal aufgeführt, seine „Schwarze Pantherkatze“ 1922 verfilmt.
[Die Autorin nimmt am Hilfsprojekt des Tagesspiegels für geflüchtete ukrainische Journalisten und Journalistinnen teil]
Im Nachkriegseuropa der 1920er Jahre erschien die ukrainische Emigrantenpresse zunächst in den Lagern, in denen ukrainische Soldaten interniert waren, und später in den wichtigsten europäischen Zentren, in denen Emigranten aus der ukrainischen Sowjetrepublik Zuflucht fanden. Die Presse, die emigriert war, genoss hier alle demokratischen Freiheiten, doch materielle und finanzielle Engpässe schränkten ihre Möglichkeiten erheblich ein. Mit besonderem Enthusiasmus, dem Glauben an die nationale Idee und einem Gefühl tiefen Patriotismus wurden handgeschriebene oder gedruckte Materialien produziert.
Es gab viele aktive Organisationen in Berlin. Darunter ukrainische Verlage (insbesondere „Ukrainisches Wort“). Zeitungen und Zeitschriften „Litopis“, „Politik“, „Ukrainische Flagge“, „Ukrainische Jugend“ wurden herausgegeben. Dank der Unterstützung des früheren Staatsoberhauptes Pavlo Skoropadskyi wurde das Ukrainische Wissenschaftliche Institut mit vier Forschungsabteilungen 1926 eröffnet.
In den deutschen Kinos liefen Filme wie „Arsenal“ des ukrainischen Regisseurs Oleksandr Dovschenko. Er arbeitete in Berlin als Sekretär der Konsularabteilung in der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland. Anna Sten wurde bei der führenden deutschen Filmgesellschaft UFA zum Star des europäischen Kinos, auch nach Hollywood wurde sie eingeladen.
Als Zwangsarbeiter in Nazi-Deutschland
Zwischen 1939 und 1945 arbeiteten in Berlin wie auch in ganz Deutschland in Privathaushalten, Familien oder in der Industrie Tausende von Zwangsarbeiter:innen aus Osteuropa sowie aus dem Gebiet der heutigen Ukraine. Insgesamt wurden bis zu 20 Millionen Menschen nach Deutschland und in die besetzten Gebiete deportiert. Mindestens 2,5 Millionen von ihnen stammten aus dem Gebiet der heutigen Ukraine.
Am 24. August 1943 veröffentlichte der badische Staatsanzeiger „Der Führer – Hauptorgan der NSDAP Gau Baden“ einen Artikel über Melonen. Der Autor behauptet, dass ukrainische Melonen nicht so lecker und süß sind wie deutsche. Als Hauptgrund sieht er die Unterschiede in Boden, Technik und Saatgutqualität.
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1944 betrug die Gesamtauflage aller deutschen Zeitungen 25 Millionen Exemplare. Methodisch konzentrierte sich die Propaganda der Nationalsozialisten auf wenige Themen, die sie zu einprägsamen, an die Gefühle appellierende Parolen verarbeitete. Der scheinbar unschuldige Artikel, der mit einer Beschreibung saftiger und duftender Melonen beginnt, steht in direktem Zusammenhang mit der Idee der Überlegenheit der „deutschen Rasse“, die Hitler als „arische Überrasse“ bezeichnete.
Nach den Feindseligkeiten auf dem Territorium des besiegten Deutschlands befanden sich viele Ukrainer in Lagern für Vertriebene. Insbesondere in Mittenwald wurden Ukrainer konzentriert. In diesen Lagern gab es ein aktives kulturelles Leben, insbesondere eine Organisation wie die Ukrainische Kunstbewegung vereinte talentierte Schriftsteller und Künstler, die im Exil waren. Nach dem Krieg wurde die Ukrainische Freie Universität nach München verlegt, die bis heute eine anerkannte Hochschule in Deutschland ist.

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Die Aktivitäten der ukrainischen Partisanenarmee UPA konzentrierten sich auf München, Radio Svoboda sendet von hier aus auf Ukrainisch. Es gab einen ukrainischen Verlag in München, eine Reihe von Zeitschriften wurden herausgegeben, darunter Titel wie „Ukrainische Tribüne“, „Weg des Sieges“.
Die ukrainische Emigration zeigt der Welt weiterhin ein Beispiel für Einheit und Organisation. In den 1950er Jahren wurden in Deutschland 280 Zeitungen und Zeitschriften sowie Rundschreiben auf Ukrainisch herausgegeben.
Im August 1961 veröffentlichte die Monatszeitschrift der ukrainischen Emigration „Suchasnist“ neue Werke ukrainischer Künstler und Materialien über nationale Politik, ukrainische Zusammenarbeit und jüdische Probleme. Die Analyse der Ereignisse in der UdSSR und der ukrainischen SSR auf den Seiten der Zeitschrift „Suchasnist“, insbesondere die Kritik an der Politik der nationalen Diskriminierung und der Russifizierung nicht russischsprachiger Republiken, führte zu häufigen Angriffen der sowjetischen Presse.
Als Teil der Sowjetarmee in der DDR
In der DDR dienten viele Ukrainer in der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Ein erheblicher Teil blieb hier, um mit ihren Familien zu leben. Ein Kinderbuchverlag in Berlin veröffentlichte Kinderbücher auf Ukrainisch.
Am 24. August 1971 veröffentlichte das SED-Blatt „Neues Deutschland“ Materialien über gute Taten zum 50. Jahrestag der UdSSR und den politischen Konflikten im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in München. Im Sommer 1972 publizierte der Ukrainische Jugendverband einen Aufruf an die Jugend der freien Welt. Die Ukrainer waren bei den Olympischen Spielen nicht als eigene nationale Gruppe vertreten. Die Aneignung der Siege einer Nation auf Kosten einer anderen ist eine grobe Verletzung der Rechte des ukrainischen Volkes. Der emotionale Protest wurde in drei Sprachen gedruckt.
Unabhängigkeitsbestrebungen führten nach der Perestroika 1991 im Zuge der Auflösung der Sowjetunion zur erneuten staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine. Unter dem Eindruck des gescheiterten Augustputschs in Moskau verabschiedete die Werchowna Rada, das Parlament der Ukraine, am 24. August 1991 eine formale Unabhängigkeitserklärung, die am 1. Dezember 1991 in einem Referendum mit großer Mehrheit bestätigt wurde.
Nach der Orangenen Revolution 2004 stieg die Zahl der Ukrainedeutschen und Publikationen um das Hundertfache. Im Jahr 2016 verlieh der Präsident der Ukraine die Jubiläumsmedaille „25 Jahre Unabhängigkeit der Ukraine“ an ausländische Staatsbürger. Unter den Preisträgern sind viele aktive Persönlichkeiten Deutschlands – darunter die Direktorin des Berliner Mauermuseums „Checkpoint Charlie“, Oleksandra Hildebrandt. 1997 wurde im Museum eine ukrainische Ausstellung eröffnet. 2022 wurde es mit Exponaten zum Krieg in der Ukraine erheblich erweitert.
Oksana Meleshchenko
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