zum Hauptinhalt
Einsatz in Afrika.

© arte

Arte-Doku zur Verteidigungspolitik: Braucht Europa eine Armee?“

Eine europäische Armee? Die Idee mutet antiquiert an: Eine Arte-Dokumentation über die Fallstricke europäischer Verteidigungspolitik

2014 annektierte Russland die Krim. Europa schaute zu. Die bis dahin geltende Grundannahme, man könne mit Putin kooperieren, erwies sich als falsch. Das war, so Claudia Major vom Deutschen Institut für Sicherheit und Politik, der erste Schock, der „die Grundfesten der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zutiefst erschüttert hat“. Es folgte die Wahl des US-Präsidenten Donald Trump. Dessen „America First“-Politik brachte das bis dahin unerschütterlich scheinende transatlantische Bündnis ins Wanken. Mit dem Brexit wurde die internationale Lage noch unberechenbarer. Die EU, so scheint es, ist plötzlich auf sich alleine gestellt. Europa muss als geopolitischer Akteur erwachsen werden. Dazu zählen auch strategische und militärische Konzepte.

In seinem Film zeichnet der Franzose Jean Crépu die wechselvolle Geschichte der europäischen Verteidigung als „Drama in vielen Akten“ nach. Nach zwei Weltkriegen mit 70 Millionen Toten sollte der 1949 unterzeichnete Nordatlantikpakt, genannt NATO, zweierlei bewirken. Er fungierte als Verteidigungsbündnis gegen den Ostblock. Gleichzeitig sollte er „das militärische, strategische Denken in der DNA der Europäer unterbinden“.

Dieses Modell erwies sich als erfolgreich – vielleicht sogar zu erfolgreich. Sorglos und mit reinem Gewissen avancierte Europa zu einer der führenden Handelsmächte. „Die Weltpolitik überlässt man den anderen“, so Nicole Gnesotto, Professorin am Lehrstuhl Europäische Union. Diese Sorglosigkeit lähmte alle militärischen Pläne in der EU-Geschichte. So trafen Frankreich und Großbritannien 1998 das Abkommen von Saint Malo. Die Rede war von 60.000 EU-Soldaten. Doch nach dem 11. September 2001 zerbröselte dieses Konzept.

2003 konnte die EU-Mission Artemis eine Konfliktregion im Kongo befrieden. Im Jahr darauf wurde die Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) gegründet. Handlungsfähigkeit? Null. Der Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2007 zielte schließlich auf eine „gemeinsame europäische Verteidigungspolitik“. Ab 2009 kürzten jedoch alle europäischen Haushalte aufgrund der globalen Finanzkrise ihre Verteidigungsbudgets. Wieder nichts.

Mit der Permanent Structured Cooperation (PESCO) wurde 2017 die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU verbindlicher gestaltet. Doch dieses europäische Rüstungsprogramm brüskiert den amerikanischen Bündnispartner. Ein Handelskonflikt ist programmiert. Wie man es dreht und wendet: Europa und eine autonome Militärmacht – das scheint nicht zusammen zu passen.   

Wir haben, so das Resümee der Dokumentation, ein starkes Europa, das fast alle Politikbereiche abdeckt. Verteidigung wurde jedoch immer outgesourced. Kann Europa diese beiden Entwicklungsstränge wieder vereinen? Der ausgewogene Film, der die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner ebenso zu Wort kommen lässt wie Militärbefürworter, plädiert dafür.

„Wenn Europa keine Macht wird“, so der ehemalige französische Außenminister Hubert Védrine, „wird es machtlos sein, von anderen abhängen“.

Manfred Riepe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false