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Medien: Der Kandidat und sein Richter

Wochenlang hat Guido Westerwelle gedroht, am heutigen Mittwoch will er die Klage tatsächlich einreichen, die am Ende die öffentliche-rechtlichen Sender dazu zwingen soll, ihm, dem Kanzlerkandidaten der FDP, ein drittes Pult beim Fernseh-Duell hinzuzustellen. Die FDP sieht sich durch ein rechtswissenschaftliches Gutachten bestätigt.

Wochenlang hat Guido Westerwelle gedroht, am heutigen Mittwoch will er die Klage tatsächlich einreichen, die am Ende die öffentliche-rechtlichen Sender dazu zwingen soll, ihm, dem Kanzlerkandidaten der FDP, ein drittes Pult beim Fernseh-Duell hinzuzustellen. Die FDP sieht sich durch ein rechtswissenschaftliches Gutachten bestätigt. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben geprüft, ob ihre gegenteilige Position vor Gericht standhält, nämlich, dass Guido Westerwelle nicht mitdiskutieren darf. Wer also hat die besseren Argumente auf seiner Seite?

Bei den bevorstehenden Duellen geht es nicht nur um die Kanzlerkandidaten, sondern mit ihnen auch um die Chancengleichheit der politischen Parteien sowie um die Programm-Autonomie der Fernsehveranstalter. Während die Rundfunkgesetze diesen Konflikt etwa im Hinblick auf Sendezeiten für Wahlwerbespots sehr detailliert regeln, gelten für die Kandidaten-Debatten lediglich das Grundgesetz und der Paragraph 5 des Parteiengesetzes: Alle Parteien sind danach gleich zu behandeln. Etwas Explizites sagt das Gesetz nicht zu den Duellen, auch weil sie eine Premiere in Deutschland sind; sie laufen am 25. August auf RTL und Sat 1, am 8. September in der ARD und im ZDF.

Das Vorbild zum Politiker-Duell kommt aus den USA. Im amerikanischen Wahlkampf hat der Fernseh-Zweikampf zwischen den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und der Republikaner eine lange Tradition, allerdings ist die verfassungsrechtliche Situation auch grundverschieden: Während die Stimmabgabe der Bürger in den USA dem Präsidenten gilt, stehen im Herbst die Abgeordneten des Deutschen Bundestags zur Wahl. Erst sie wählen den Kanzler.

Obwohl sich auch in Deutschland die Wahlkämpfe immer stärker auf Personen beziehen, sind die Wahlen zum Bundestag nach wie vor Ausdruck der Parteiendemokratie. Das Verfassungsrecht kennt die Funktion des „Kanzlerkandidaten“ ohnehin nicht. Deswegen ebnet auch der FDP allein der Umstand, dass sie jetzt mit einem eigenen Kanzlerkandidaten antritt, nicht gleich den Weg ins Duell.

Hinzu kommt: Das Gleichbehandlungsgebot ist nicht in einem absoluten, formalen Sinn zu verstehen. Grundgesetz und Parteiengesetz erlauben Abstufungen – nach der Bedeutung einer Partei. Die „bemisst sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen“. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verlangt die Chancengleichheit nicht, dass Bedeutungsunterschiede der Parteien durch staatliche Maßnahmen ausgeglichen werden.

Der Kreis der Parteien, denen die Rundfunkanstalten aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Forum einräumen müssen, hat sich in den letzten Jahren erweitert. Nach dem Einzug der Grünen und der PDS in die meisten Parlamente und anderen überraschenden Erfolgen bei Landtagswahlen – in jüngerer Zeit etwa durch die DVU oder die Schill-Partei – waren die Gerichte mehrfach mit der Frage befasst, welche Parteien gewissermaßen miteinander auf einer „Bedeutungsstufe“ stehen.

Guido Westerwelle und der FDP hilft das jedoch nicht. Der Parteichef will ja nicht in großer Runde oder zusammen mit Joschka Fischer interviewt werden. Solche „Elefantenrunden“ wird es geben, ohne die Gerichte zu bemühen.

Wenn die Fernsehsender die Kanzlerkandidaten der SPD und der Union zum Rede-Duell bitten, machen sie grundsätzlich von ihrer Programmfreiheit in rechtmäßiger Weise Gebrauch. Eine Limitierung auf zwei Teilnehmer ergibt sich bereits aus dem Charakter eines Duells. Dass dazu gerade Schröder und Stoiber eingeladen werden, ist Ergebnis einer objektiv nachvollziehbaren Prognose: Nur diese beiden dürften eine Chance haben, Bundeskanzler zu werden. Die FDP lag nur bei wenigen, sehr lange zurückliegenden Landtagswahlen vor der SPD oder den Unionsparteien, bei Bundestagswahlen aber nie. Die reichlich strapazierte Formel von den beiden großen Volksparteien hat insoweit ihre Berechtigung. Die FDP gehört jedenfalls noch nicht dazu.

Wird sie auch niemals, wenn sie weiter diskriminiert wird, mag man einwenden. In der Tat birgt die jetzige Gesetzeslage angesichts der fortschreitenden Amerikanisierung des deutschen Wahlkampfs die Gefahr, dass sich die bestehenden parteipolitischen Kräfteverhältnisse zementieren. Die weitgehende Zuspitzung auf eine Personenwahl und insbesondere auf die Kanzlerkandidaten von SPD und Union könnte die derzeit weniger bedeutsamen Parteien rechtlich erheblich benachteiligen. Auch die Karlsruher Richter haben betont, dass sich die Bedeutung von Parteien wandelt, sie also auch wandelbar bleiben muss. Ob TV-Duelle der Kanzlerkandidaten von SPD und CDU/CSU die Wahlchancen der anderen Parteien langfristig schmälern, werden Politik- und Medienwissenschaftler beantworten müssen. Gegenwärtig aber dürften die Fernsehsender ihren rechtlichen Vielfalts- und Ausgewogenheitspflichten auch auf andere Weise nachkommen können als durch die Einladung des FDP-Kandidaten zum Fernseh-Duell. Andreas Neun

Der Autor hat im Rundfunkrecht promoviert und arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Gleiss Lutz, Berlin.

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