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"11 Freunde"

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Sport-Magazine: Der zwölfte Mann

Sonderhefte zu Fußball-Turnieren sind sehr beliebt – trotz des Hypes um die Europameisterschaft in Fernsehen und Internet. Welches Magazin ist das Beste?

Stand:

Welches hätten Sie denn gerne? Der Fan weiß es nicht recht, jetzt, da sich die Sonderhefte zum bevorstehenden Sportevent wieder in den Zeitschriftenläden stapeln. Natürlich will er vorbereitet sein, wenn in knapp zwei Wochen die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine startet. Ob der Fan aber auch den allerletzten Fußballschuh erkunden möchte, ist eine andere Sache. Wer interessiert sich dafür, wie groß der Ire Stephen Hunt ist (1,72 Meter), oder wo Griechenlands Mittelfeldspieler Kostantinos Katsouranis zur Welt kam (Patra)? Und überhaupt: Will man sich angesichts des medialen (Über-)Angebots in Fernsehen und Internet noch durch so viele Informationen quälen?

200 Seiten stark ist die EM-Sonderausgabe des „Kicker“ und damit zumindest in Sachen Heftdicke an der Spitze. Das Konkurrenzprodukt der „Sport Bild“ kommt mit 148 Seiten auf den Markt. Es sind die beiden Klassiker unter den Sonderheften. Ordentlich sind sie hier aufgelistet, die Gruppen und die Mannschaften und die Stadien. Dagegen wirkt die Sonderausgabe von „11 Freunde“ auf ihren 162 Seiten beinahe schon anarchisch. „Intensive und aufwendige Recherchen sowie innovative Geschichten“, verspricht Nils Oberschelp, der Geschäftsführer des 11 Freunde Verlags. Das hat seinen Preis.

Das „Sport Bild“-Sonderheft hat eine Auflage von 450 000.

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Die „11 Freunde“-Sonderausgabe kostet 5,50 Euro – 50 Cent mehr als das Pendant des „Kicker“. Wer sich für die „Sport Bild“ entscheidet, zahlt verhältnismäßig günstige 3,90 Euro. Dafür erhält der Leser die wesentlichen – oder im Fall der deutschen Mannschaft nahezu alle – Informationen über die Teams und ein Interview mit Bundestrainer Joachim Löw. Das birgt zwar keine neuen oder originellen Erkenntnisse, ist dafür jedoch exklusiv. Überraschungen sind ohnehin kaum vorhanden im Repertoire der beiden großen Magazine – es lebe die Tradition. Beim „Kicker“ noch mehr als in der „Sport Bild“.

Noch ein bisschen systematischer und übersichtlicher geht es zu beim Magazin, das die Sonderpublikationen zu Fußballturnieren einst begründet hat. Oder um es mit dem verantwortlichen „Kicker“-Redakteur Manfred Münchrath zu sagen: „Wir machen das, was von uns erwartet wird.“ Taktische Analyse und Statistiken, die jeden Fußball-Nerd entzücken dürften. „Im Idealfall sitzen die Leute mit unserem Heft auf dem Schoß vorm Fernseher“, sagt Münchrath. Es sind Leute, denen es ums Spiel an sich geht, ums Fachliche. Jene, die nicht unbedingt eine Reportage zu den Lebensumständen in Charkow oder Lwiw im Heft brauchen.

Dass diese Geschichten durchaus spannend sein können, zeigt „11 Freunde“ in Porträts über alle Austragungsorte. Dazu gibt es im Heft unter anderem eine witzige Fantypologie und EM-Geschichte in Bildern. Bewusst anders, bewusst provokativ, aber dennoch auf Ballhöhe und nah am Fanherz. Ähnlich ist es bei „11 Freunde täglich“: Wie bei den zurückliegenden Turnieren wird der Tagesspiegel die Fußball-EM wieder mit Sonderseiten begleiten – mit prominenten Kolumnisten, Berichten und Hintergründen zu den Spielen und den dazugehörigen Partys.

Das Geschäft mit den Sonderheften

"Kicker"

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Während die Verkaufszahlen der meisten Magazine in den vergangenen Jahren eher zurückgegangen sind, laufen die Sonderausgaben bemerkenswerterweise prächtig. „11 Freunde“ zum Beispiel verzeichnet bei den Schwerpunktheften nach eigenen Angaben einen Zuwachs von 35 bis 60 Prozent im Vergleich zum Jahresdurchschnitt – im vergangenen Jahr verkaufte das Magazin im Schnitt knapp 76 000 Exemplare. „Kicker“ und „Sport Bild“ wollen keine konkreten Zahlen nennen, sprechen allerdings beide ebenso von „großen Erfolgen“, wenn es sich um ihre Spezialhefte dreht.

Nicht umsonst hat in der Vergangenheit schon so manches neue Magazin versucht, auf dem Spielfeld der Sonderpublikationen mitzuspielen. Der jüngste Versuch trägt den Namen „Goal“ und will sich vor allem mit seiner internationalen Ausrichtung von der Konkurrenz absetzen. In der Mai-Ausgabe, die mit 150 000 Stück aufgelegt wurde, kümmert sich das Magazin schwerpunktmäßig, natürlich, um das Großereignis. Zwar war „Goal“ vor allen anderen Spezialausgaben auf dem Markt, fraglich ist angesichts des mäßigen Erfolgs zurückliegender Produkte aber trotzdem, wie lange sich dieses Magazin wird halten können.

Geht es um das Lieblingskind Fußball, werden die Deutschen offenbar zu konservativen Mediennutzern – sie sammeln und horten. Viele greifen schon aus Gewohnheit zur selben Marke. Manche heben sich die Sonderausgaben und Stickeralben außerdem auf, um sich auf diese Weise auch in Jahrzehnten noch an dieses oder jenes Turnier zu erinnern. Wie hat Südafrika doch gleich zum Auftakt der Weltmeisterschaft 2010 gespielt? Und wer hat das erste Tor damals geschossen? Genau: Tshabalala.

Sonderhefte mutieren so zum gesammelten, geballten Fußballwissen. Klar kann man solche Einzelheiten im Videotext/Fernsehen oder auch im Internet nachschauen, die persönliche Note allerdings erfährt die Fußball-Leidenschaft aber erst mit den Kritzeleien im Spielplan, welcher in „Sport Bild“ und „11 Freunde“ als Poster beiliegt. Es sind eben auch immer wieder die besonderen Extras, mit denen die Sonderausgaben nach vorn getrieben werden: die Stecktabelle und die Zusatz-DVD vom „Kicker“ oder der „11 Freunde“-Taschenplan, bei dem es auf einmal dann doch richtig übersichtlich und geordnet zugeht.

Wer ein etwas anders aufgelegtes Magazin haben, aber nicht gänzlich auf Informationen verzichten will, wird deshalb wohl „11 Freunde“ wählen. Die Ordnungsliebhaber allerdings, oder jene, die sich einfach nicht von ihrer alten Liebe trennen können, sollten sich mit der „Sport Bild“ oder dem „Kicker“ wohlfühlen.

Es ist Fußball-EM. Und jeder liest mit.

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