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Türkei verlangt Lizenzantrag: Deutsche Welle legt Widerspruch ein
Die Türkei macht Ernst. Auslandssender müssen Lizenzen beantragen. Auch Voice of America legt dagegen Widerspruch ein.
Stand:
Der Deutschen Welle (DW) droht in der Türkei eine Sperre des Online-Angebots. Wie bereits vor anderthalb Wochen angekündigt, wurde der deutsche Auslandssender am Montag aufgefordert, eine Lizenz für die auf der Webseite der Deutschen Welle angebotenen On-Demand-Inhalte zu beantragen. Die Deutsche Welle will gegen das Vorgehen Widerspruch einlegen und vor türkischen Gerichten den Rechtsweg beschreiten, kündigte DW-Intendant Peter Limbourg am Dienstagnachmittag an.
Der Deutsche Welle wurde Anfang Februar gerade erst ein Sende- und Arbeitsverbot in Russland erteilt.
Dafür wurde dem Sender, der in der Türkei nicht über das lineare TV-Programm verbreitet wird, von der Rundfunkbehörde des Landes (RTÜK) eine Frist von 72 Stunden gesetzt. Andernfalls werde bei Gericht die Sperrung angefordert.
Die Aufforderung zur Lizenzbeantragung beruht auf einer 2019 in Kraft getretenen Regelung, berichtet dpa. Die Regierung hat darüber die weitreichende Kontrolle von Internet-Plattformen eingeführt, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten. Regierungsnahe Vertreter haben eine Mehrheit in dem RTÜK-Gremium.
Dem Sender bleibt eine Frist von 72 Stunden
Die Behörde hatte die Entscheidung bei einem Treffen am 9. Februar getroffen, die Frist beginnt allerdings erst mit der jetzigen Veröffentlichung der Entscheidung.
Betroffen sind auch die türkischen Ableger des US-Auslandssenders Voice of America und des europäischen Senders Euronews. Voice of America hatte bereits vor anderthalb Wochen angekündigt, keine Lizenz beantragen zu wollen.
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„Nachdem die lokalen Medien in der Türkei bereits einer umfassenden Regulierung unterliegen, folgt nun der Versuch, internationale Medien in ihrer Berichterstattung einzuschränken", kommentierte Limbourg die Lizenzpflicht. Diese Maßnahme beziehe sich eben nicht auf formelle Aspekte der Verbreitung von Programmen, sondern auf die journalistischen Inhalte selbst. "Sie gibt den türkischen Behörden die Möglichkeit, aufgrund einzelner, kritischer Berichte das gesamte Angebot zu sperren, wenn diese Berichte nicht gelöscht werden. Damit würde die Möglichkeit einer Zensur eröffnet“, sagte Limbourg und kündigte den Widerspruch seines Senders an.
Die DW hatte gemäß dem 2019 erlassenen Gesetz ein Verbindungsbüro in der Türkei eingerichtet und ist seit Februar 2020 bei dem zuständigen türkischen Ministerium registriert. Diese Registrierung ist unabhängig vom Korrespondentenbüro der DW in Istanbul.
Kontrolle über unabhängige Medien verstärkt
Über die Regulierungsbehörde RTÜK kontrolliert die türkische Regierung bereits 90 Prozent der nationalen Medien, nun will sie ganz unverhohlen auch ihre Kontrolle über die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien verstärken, bewertet die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) den Vorgang. Jegliche publizistische Vielfalt, die ja auch Kritik an Erdogan persönlich und an der Politik seiner Regierung beinhalten würde, soll erstickt werden.
Wenn es um die Pressefreiheit gehe, sei die Türkei mittlerweile einer der repressivsten Staaten der Welt, sagte eine ROG-Sprecher auf Anfrage. "Wenn die Deutsche Welle, Voice of America oder auch Euronews verstummen, wäre die unabhängige Medienlandschaft wieder ein Stück kleiner geworden, wären unabhängige, nicht durch die Regierung oder regierungsnahe Geschäftsleute kontrollierte Nachrichten noch schwieriger zu bekommen als ohnehin schon." Auch außerhalb staatlicher Repression lebten Journalistinnen und Reporter in der Türkei gefährlich: Erst vor wenigen Tagen sei der Lokaljournalist Güngör Arslan vor seiner Redaktion in der Stadt Izmit erschossen worden, erinnerte die Journalistenorganisation. (mit dpa)
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