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Rangliste der Pressefreiheit weltweit: Deutschland rutscht ab
Gesetze, Gewalt, abnehmende Medienvielfalt: „Reporter ohne Grenzen“ stuft Deutschland herunter.
Stand:
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat Deutschland in der weltweiten „Rangliste der Pressefreiheit“ erneut herabgestuft. Die Bundesrepublik rangiert nun drei Plätze tiefer auf Rang 16 – hinter Ländern wie Litauen, Jamaika und den Seychellen. RSF begründete das Abrutschen Deutschlands mit gleich mehreren Negativ-Faktoren. „Für diese Entwicklung sind drei Gründe zentral: eine Gesetzgebung, die Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Quellen gefährdet, abnehmende Medienvielfalt sowie allen voran Gewalt bei Demonstrationen.“ Die Zahl der gewaltsamen Angriffe habe mit 80 verifizierten Fällen so hoch wie noch nie seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2013 gelegen. Bereits im Vorjahr sei mit 65 Fällen ein Negativrekord erreicht worden, teilte die Organisation mit.
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„Die meisten der Angriffe (52 von 80) ereigneten sich bei Protesten des ,Querdenken’-Spektrums gegen Corona-Maßnahmen, an denen regelmäßig gewaltbereite Neonazis und extrem rechte Gruppen teilnahmen.“ Medienschaffende seien bespuckt, getreten, bewusstlos geschlagen worden. Zudem wurden zwölf Angriffe der Polizei auf die Presse dokumentiert. Deutschland war 2021 erstmals aus der Spitzengruppe geflogen. Seitdem gilt die Lage der Pressefreiheit in Deutschland nicht mehr als „gut“, sondern nur noch als „zufriedenstellend“.
Krisen, Kriege, Gewalt
Krisen, Kriege und Gewalt bestimmen die Lage der Pressefreiheit weltweit. Nach dem Militärputsch in Myanmar (Rang 176) und der Rückeroberung Afghanistans (156) durch die Taliban ist unabhängiger Journalismus in beiden Ländern kaum noch möglich. Russland (155) hat nach dem Überfall auf die Ukraine die Pressefreiheit im eigenen Land de facto abgeschafft, in der Ukraine (106) starben durch die Kriegshandlungen sieben Medienschaffende. Ende März legte Präsident Wolodymyr Selenskyj die landesweiten Fernsehsender per Dekret zusammen, um eine einheitliche Informationspolitik verfolgen zu können.
Mexiko (127) ist seit Jahren eines der tödlichsten Länder der Welt für Journalistinnen und Journalisten, doch die Mordserie seit Anfang des Jahres ist auch für mexikanische Verhältnisse erschütternd. Auch im Verlauf des Israel-Gaza-Konflikts wurden in den Palästinensischen Gebieten (170) Journalisten getötet und verletzt, Israel steht auf Platz 86.
Hongkong fällt ganz weit ab
In Hongkong (148), einst eine Bastion der Pressefreiheit in Ostasien, wird Chinas (175) Modell der Informationskontrolle unbarmherzig umgesetzt, werden Redaktionen geschlossen und Medienschaffende verhaftet.
Wie in den vergangenen Jahren machen die skandinavischen Länder die Spitzenplätze unter sich aus: Zum sechsten Mal in Folge liegt Norwegen auf Platz 1, unter anderem aufgrund eines großen Medienpluralismus, großer Unabhängigkeit der Medien von der Politik, starker Informationsfreiheitsgesetze und eines trotz gelegentlicher Online-Attacken journalistenfreundlichen Klimas. Es folgen Dänemark (2) und Schweden (3). Mit Estland (4) ist erstmals eine ehemalige Sowjetrepublik unter den Top 5. Finnland folgt auf Platz 5. Drei totalitäre Regime, die seit Jahren die letzten drei Plätze unter sich ausmachten, stehen erneut am Ende der Tabelle: Turkmenistan (177), Eritrea (179) und Nordkorea (180).
Die Rangliste der Pressefreiheit vergleicht die Situation für Journalistinnen, Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Joachim Huber
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