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Szene aus "Futur Drei", dem Eröffnungsfilm der Reihe "rbb queer".

© rbb - Rundfunk Berlin-Brandenbur/rbb/Salzgeber/obs

LGBTIQ-Filme im RBB und im BR: Ein wunderbarer, queerer Fernsehsommer

Zeig, wer und was ihr seid: Der RBB zeigt zum fünften Mal im Sommer queere Filme, mit einigen echten Knallern.

35 Jahre nachdem in der „Lindenstraße“ der erste schwule Kuss auf deutschen Bildschirmen gezeigt wurde, ist es mit der Queerness im hiesigen Fernsehen, zumal im öffentlich-rechtlichen, noch immer nicht allzu weit her. Hier mal ein nicht-heterosexuelles Opfer im „Tatort“, dort eine junge, auf Diversität setzende Serie, die für die Mediathek produziert wurde: LGBTQIA+-Themen sind bis heute stets die Ausnahme, nie die Regel.

Nur im Sommer ändert sich das seit fünf Jahren stets für einige Wochen. Denn so lange gibt es nun schon die wunderbare Reihe rbb Queer.

Viele Erstausstrahlungen bei rbb Queer

Anderthalb Monate lang werden ab dem 2. Juli auch in diesem Jahr wieder jeden Samstagabend ab 23.30 Uhr Höhepunkte des internationalen Queer Cinemas der letzten Jahre gezeigt, darunter viele Filme, die im deutschen Fernsehen bislang noch nie zu sehen waren. Als weltweit einzigartige Programmreihe bezeichnet Björn Koll rbb Queer, der Geschäftsführer des Berliner Filmverleihs Salzgeber, der von Beginn an einen Großteil der gezeigten Werke beisteuert: „Hier wird Fernseh- und Kulturgeschichte geschrieben!“

Auf die Frage, was vor fünf Jahren den Ausschlag gab, die (größtenteils auch in der Mediathek verfügbare) Reihe ins Leben zu rufen, lautet die Antwort einigermaßen schlicht: es wurde einfach Zeit.

„Am Anfang stand die Überlegung im Raum, dass es im Bereich der queeren fiktionalen Inhalte im rbb Fernsehen rein quantitativ noch Luft nach oben gibt – gerade in unserem Sendegebiet mit Berlin als eine der queeren Hochburgen in Deutschland“, sagt Till Burandt von Kameke, der seitens der rbb Filmredaktion verantwortlich zeichnet. „Die Idee einer queeren Filmreihe im Sommer, ausgehend vom Pride Month, war geboren und stieß im Haus sofort auf offene Ohren.“

Filme erst am späten Abend

Dass die Filme samstags erst zu sehr später Stunde laufen, liegt nicht daran, dass der Sender Angst vor der eigenen Courage hat und queere Themen doch lieber verstecken möchte. Es ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass Spielfilme in den ARD-Anstalten schon lange unter ferner liefen rangieren.

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„Unser Programmschema sieht für Spielfilme zwei späte Sendeplätze pro Woche vor, am Donnerstag- sowie am Samstagabend, jeweils nach 23 Uhr“, sagt Burandt von Kameke. „Aber diese spätere Sendezeit muss nicht zwangsläufig ein Nachteil sein, gerade nicht im Sommer, wie die Akzeptanz der Reihe während der vergangenen vier Jahre gezeigt hat.“ 

Wunderbarer Auftakt mit „Futur Drei“

In diesem Jahr nun startet rbb Queer direkt mit einem echten Knaller. „Futur Drei“, das autobiografisch inspirierte Regiedebüt des in Köln geborenen Filmemachers Faraz Shariat und seiner sich als Kollektiv verstehenden Produktionsfirma Jünglinge Film, ist nämlich ein kleines Meisterwerk, wie es das hiesige Kino nicht häufig hervorbringt.

"Futur Drei": ein Meisterwerk, das im deutschen Kino selten ist.
"Futur Drei": ein Meisterwerk, das im deutschen Kino selten ist.

© rbb/Salzgeber

Parvis (Benjamin Radjaipour), Sohn eines iranischen Einwandererpaares, führt ein recht typisches Millenial-Leben, zwischen Kinderzimmer im bürgerlichen Elternhaus, langweiligen Provinz-Partys und anonymen Sex-Dates. Die unbedarfte Selbstverständlichkeit dieser Existenz gerät allerdings ins Wanken, als er zu Sozialstunden in einer Unterkunft für Geflüchtete verurteilt wird, wo er das iranische Geschwisterpaar Banafshe (Banafshe Hourmazdi) und Amon (Eidin Jalali) kennen und lieben lernt.

Thematisch wie visuell ist „Futur Drei“, der über zwei Jahre nach der Weltpremiere als deutscher Erstausstrahlung läuft, im deutschen Kino eine echte Ausnahmeerscheinung – und hoffentlich auch eine Zeitenwende. So queer und so divers, so cool und wahrhaftig, so stilbewusst und emotional, frisch und Pop-affin kann man eben doch auch hierzulande erzählen, wenn man will.

Kein Wunder, dass Shariat dafür unter anderem den Teddy Award auf der Berlinale sowie den First Steps Award gewann und inzwischen längst international arbeitet. Im Juli etwa startet bei Sky die britische Serie „The Baby“, bei der er einer von mehreren Regisseur*innen ist.

Ein weiteres Glanzlicht: das Militärdienstdrama "Moffie".
Ein weiteres Glanzlicht: das Militärdienstdrama "Moffie".

© rbb/Salzgeber

Zu den weiteren Glanzlichtern des diesjährigen, durch Abwechslungsreichtum bestechenden Programms gehören außerdem das eindringliche Militärdienst-Drama „Moffie“ des Südafrikaners Oliver Hermanus, die bezaubernde Teenie-Selbstfindungsgeschichte „Princess Cyd“ von Stephen Cone oder die dänische Tragikomödie „Eine total normale Familie“, die auf wundervolle Weise von der elfjährigen Emma erzählt, deren Vater sich eines Tages als trans outet und als Frau leben möchte.

Aber auch eine klassische Coming-Out-Geschichte, dieses Mal angesiedelt im jüdisch-orthodoxen Milieu des New Yorks der 1980er Jahre, ist dank „Minjan“ von Eric Steele vertreten.

Bezaubernde Teenie-Selbstfindungsgeschichte: "Princess Cyd".
Bezaubernde Teenie-Selbstfindungsgeschichte: "Princess Cyd".

© rbb/Salzgeber

Besonders erfreulich an der diesjährigen rbb Queer-Auflage: die Idee hat Schule gemacht. Ausgerechnet der Bayerische Rundfunk, wo man im Umgang mit queeren Filmen wahrlich keine rühmliche Geschichte hat (und Werke wie Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ oder auch „Die Konsequenz“ von Wolfgang Petersen zunächst nicht ausgestrahlt wurden), zeigt unter dem Namen BR Queer den Juli über ebenfalls sechs dezidiert nicht-heterosexuelle Filme.

Auch der Bayrische Rundfunk macht mit

„Die Resonanz der Filmreihe hat sich auch innerhalb der ARD herumgesprochen“, berichtet Burandt von Kameke mit Blick auf das Programm in Süddeutschland, wo teilweise die gleichen Filme (neben „Eine total normale Familie“ auch der holländische Sommerfilm „Zomer – Nichts wie raus“) gezeigt werden - aber zum Beispiel auch Xavier Dolans großartiger „Sag nicht, wer du bist“ oder der moderne Lesben-Klassiker „Küss mich“ aus Schweden laufen.

„Der Kolleginnen und Kollegen beim BR haben uns frühzeitig vor der diesjährigen Ausgabe signalisiert, dass sie dieses Jahr gern mit von der Partie wären.“ Ob sich künftig auch andere Dritte Programme der ARD anschließen und um das queere Kino verdient machen wollen? Auszuschließen, so fügt er hinzu, ist das für die Zukunft keinesfalls.

Patrick Heidmann

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