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Sandra Maischberger gab am Mittwochabend ihr Debüt auf neuem Sendeplatz.

© Britta Pedersen/dpa

"Maischberger" über Köln und Istanbul: Erst Schreckviertelstunde - dann richtig guter Talk

Syrien, Recklinghausen, Paris, Köln: Bei Sandra Maischberger lief erst einiges durcheinander. Bis die Moderatorin daraus doch noch eine zivilisierte Debatte machte - auch dank einer 18-Jährigen.

Das sah am Anfang gar nicht gut aus: Für ihr erstes Mal am neuen Sendeplatz Mittwochabend hatte Sandra Maischberger ganz tief Luft geholt – oder vielmehr den  ganz großen Staubsauger angeworfen – um ja keinen der aktuell wirbelnden Aufreger auszulassen: Gleich sechs Studio-Diskutantinnen und –diskutanten, dazu der aus London zugeschaltete Terror-Experte Peter Neumann vom King's College, durften sich dem Anschlag in Istanbul und zwei Wochen Köln-Hauptbahnhof widmen.

"Angstrepublik Deutschland", das mochte sich so noch verbinden lassen, doch es wurde nach wenigen Minuten ergänzt um den frischen Syrien-Einsatz der Bundeswehr, es folgte der in Paris erschossene IS-Sympathisant, der doch zeitweise in Recklinghausen ... Und als man gerade unwillkürlich ans benachbarte Wuppertal, den Papst und Loriots berühmte Herrenbutike dachte, erlöste Sandra Maischberger sich und ihre Gäste aus dem selbstgewurstelten Themenknäuel und konzentrierte die Debatte endlich.

Das kann sie, eine geradezu ideale Moderatorin, die die Zügel in der Hand hält, aber nicht hektisch an ihnen zieht, die präsent ist, ohne ihre Gäste zu verschatten. Wohl auch dafür hat sie am Mittwoch den „Deutschen Fernsehpreis“  bekommen.

Und so folgte der ersten Schreckviertelstunde in „Maischberger“ noch richtig guter Talk. Kein Aufreger, vieles hat man schon oft gehört, aber eine zivilisierte Debatte, eine kleine Oase im Post-Köln-Gebrüll.

Dabei versprach die Versuchsanordnung eher Krawall: Neben dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, die „Emma“-Redakteurin Chantal Louis, deren Blatt seit geraumer Zeit den Frauenhass bevorzugt unterm Kopftuch und in muslimischen Männerkörpern sucht, der Kriminologe Christian Pfeiffer, dessen Institut ihn dort auch schon fand, und, als Streithansel geradezu gesetzt, Ellbogen an Ellbogen, der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

Doch es geschahen kleine Wunder: Scheuer, der Mazyek lobte („tut unglaublich viel“), der Grüne und der Schwarze, die sich lieber ergänzten als bekämpften – ein kurzes Scharmützel gab’s nur um die Frage, ob die Dauerverschärfungen im Asylrecht mehr bringen als Druckerschwärze ins Bundesgesetzblatt – und eine gemeinsame Aktion, als Professor Pfeiffer zum wiederholten Mal auf die Frustration junger nahöstlicher Männer abhob, die „seit Monaten keine Möglichkeit eines Kontakts zu Frauen ...“ – weiter kam er nicht, Scheuer fiel ihm ins Wort. Dass Testosteron und Frustration keine gute Erklärung für sexualisierte Gewalt sind, hat sich inzwischen bis ins Christsoziale  herumgesprochen.

Betroffene schildert Kölner Übergriffe - und Desinteresse danach

Am meisten verdankte die Sendung der 18-jährigen Studentin Michelle – ihren Familiennamen wollte sie nicht genannt sehen – die in der fatalen Silvesternacht mit zehn Freundinnen und Freunden in die Fänge des „Sex-Mobs“ (Bild-Zeitung) vor dem Kölner Hauptbahnhof geriet.

Wie sie hineingezogen und -getrieben wurden, obwohl sie an der Masse vorbei wollten, wie sie binnen Sekunden von den männlichen Freunden getrennt und fast bewegungslos waren und es den jungen Frauen nur noch mit Mühe gelang, beieinander zu bleiben: Das schilderte Michelle sachlich, anschaulich und begreifbar.

Ihr Beitrag ließ auch verstehen, was im Land immer noch schief läuft, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Nicht nur die Polizisten hätten sich nur für die Diebstähle interessiert, berichtete Michelle. Auch von den Freundinnen meldeten sich tagelang nur die, die zudem bestohlen wurden. Selbst im Jahr 2016 halten junge Frauen in Deutschland das geklaute iPhone noch für die aussichtsreichere Anzeige als diese brutale Verletzung ihrer Selbstbestimmung. Wozu Christian Pfeiffers Hinweis passte, dass nur 15 Prozent der Vergewaltigungen angezeigt würden.

Michelle hatte auch das letzte Wort der Sendung: Sie lässt sich die Straße nicht versperren. „Traurig“ sei es, dass einige Freundinnen sie jetzt mieden oder auf Wunsch ihrer Familien meiden müssten. Michelle will an Karneval dabei sein: „Ich werde hingehen, weil ich denen diese Macht nicht geben will.“

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