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Fernsehen: Hitler, eine Medienkarriere

Lange Zeit herrschte in der Bundesrepublik eine Art Bilderverbot, was Adolf Hitler anging. Was früher verboten war, muss heute jedoch umso exzessiver praktiziert werden. Anderswo hatte man diese Nazi-Scheu nie.

Wieder einmal steht das Nazithema auf der deutschen Tagesordnung, dafür hat Eva Herman gesorgt. Doch auch jeder andere Anlass wäre diesem Land wohl recht gewesen, kehrt das N-Wort doch, wie einem verborgenen Zyklus folgend, immer wieder an die Oberfläche des deutschen Bewusstseins zurück. Für Film und Fernsehen ist Nazideutschland schon seit einiger Zeit eine Welle, auf der die Medien stets gut und quotenreich reiten, und besonders angetan hat es ihnen da Adolf Hitler selbst. Gerade erst am Samstag lief die Dokumentation "Hitler und Mussolini – Eine brutale Freundschaft“ im Fernsehen, heute Abend zeigt ein Film im Dritten, wie sich Deutschland unter Hitler um wirtschaftliche Autarkie bemühte. Der Titel „Der Führer trank keinen Muckefuck“ tut so, als ob allein so eine unerhört private Enthüllung über Hitler die Zuschauer vor die Fernsehgeräte bannen könne.

Offenbar hat die deutsche Film- und Fernsehlandschaft Nachholbedarf. Lange Zeit herrschte in der Bundesrepublik eine Art Bilderverbot, was Adolf Hitler anging. In der DDR hatte man – mit Fritz Diez als Defa-Hitler – diese Scheu nicht. Man gab sich schuldfrei und verortete die Nazis, alt und neu, ausschließlich im Westen. In der Bundesrepublik dagegen inszenierte Rainer Werner Fassbinder in „Lili Marleen“ noch 1980 die Begegnung der Protagonistin mit Hitler als Leerstelle: Sie steigt die Treppe hinauf, eine Tür geht auf, der Zuschauer weiß, dass dahinter Hitler steht, doch er sieht ihn nicht.

Österreich zeigt 1955 den ersten Film mit Hitler

Vielleicht speiste sich diese Zurückhaltung aus der Erfahrung der verhängnisvollen Strahlkraft von Leni Riefenstahls Hitler-Inszenierungen, derer man sich noch lange danach schämte. Vielleicht wirkte aber unbewusst auch ein Verbot des Diktators selbst nach: Im Gegensatz zu Stalin, der – meist verkörpert durch den Schauspieler Micheil Gelowani – die Spielfilminszenierung seiner Person schätzte, hatte Hitler sie untersagt. Eine böse Lesart der Beweggründe der Deutschen, Hitler nicht zu zeigen, könnte man meinen. Doch liegt sie nahe, wenn man an die ablehnenden Reaktionen auf Georg Wilhelm Pabsts „Der letzte Akt“ denkt, der, nach einem Drehbuch von Erich Maria Remarque, die letzten Bunkertage Hitlers kritisch in Szene setzte.

Der österreichische Film von 1955 war die erste deutschsprachige Spielfilmproduktion, in der Hitler als Figur auftauchte, dargestellt vom Österreicher Albin Skoda. Nach kurzer Zeit schon verschwand der Film aus den deutschen Kinos, und die Filmbewertungsstelle verweigerte ihm das Prädikat „besonders wertvoll“. In der Begründung hieß es fast beleidigt, die im Film vertretene Ansicht über Hitler stehe in einem „historisch nicht ganz überblickbaren Raum“, und manche Szenen wie die Darstellungen von Orgien im Bunker ließen gar eine „bewusste Meinungslenkung“ vermuten. In Deutschland nicht erfolgreich, verkaufte sich der Film 52 Mal ins Ausland.

Chaplin hätte den "großen Diktator" nicht gedreht

Dort hatte man sich schon viel früher dem Thema Hitler genähert, anfangs in Form der Satire, deren bekanntestes Beispiel Charlie Chaplins „Der große Diktator“ von 1940 ist. Doch fanden solche Filme in den USA zunächst keinen Anklang. Bis zum Angriff auf Pearl Harbour 1941 ließ das Bemühen um Neutralität kaum Platz für kritisches Kino, und in der McCarthy-Ära ab 1948 waren die Amerikaner vollauf mit Kommunisten beschäftigt, ihr Interesse an Nazis war entsprechend gering.

Auch Chaplin selbst äußerte sich nach 1945 kritisch über seinen Film, aber aus einem anderen Grund: Hätte er um die Gräuel in den Konzentrationslagern gewusst, hätte er „Der große Diktator“ nicht gedreht. Schon Chaplin bewegte also die Frage, ob man über Hitler lachen darf. Diese wurde in Deutschland 60 Jahre später mit der Bühnen-Persiflage von Harald Schmidt auf die Hitler-Darstellung von Bruno Ganz im „Untergang“ oder auch mit Dani Levys „Mein Führer“ aktueller.

Heute vermehrt menschelnde Darstellung Hitlers

Den Weg zu diesem Film war ein weiter. Als Hitler in Deutschland zur Filmfigur wurde, bediente man sich der Vorlagen, die ausländische Filme geliefert hatten. Das Historiendrama „Der Untergang“ fiktionalisiert die letzten Bunkertage Hitlers, wie es – nach „Der letzte Akt“ – 1973 die britisch-italienische Koproduktion „Die letzten zehn Tage“ und 1981 George Schaefers „The Bunker“ getan hatten. Dani Levys Komödie „Mein Führer“ wies Anleihen aus Gordon Douglas’ „The devil with Hitler“ von 1942 auf. In dieser US-amerikanischen Posse besucht der Teufel Hitler, als dieser gerade eine Rede in der Badewanne probt – der gleiche Ort, an dem Levy seinen Hitler mit Plastikschiffchen Kriegsherr spielen lässt.

Die Deutschen haben es noch weiter getrieben. Hier ist Hitler vom Starmonster zum Nachbarn geworden, dem man endlich einmal in die Wohnräume spähen will. „Wie war Hitler als Junge, Sohn, Klassenkamerad und Freund?“ lautete der Begleittext zur Fernsehdokumentation „Jugend eines Diktators“ in einer Zeitschrift. Zusätzlich angeregt worden ist diese Tendenz zur menschelnden Hitler-Darstellung durch Guido Knopps TV-Dokus wie „Hitlers Frauen“.

Hitlers Publikumswirksamkeit war auch Thema in der US-Serie „South Park“. In einer Folge verkleidet sich einer der Charaktere zu Halloween als Hitler. Davon verspricht er sich großen Erfolg: Wer besonders gekonnt erschreckt, heimst, so ist es Tradition bei dem Kinderfest, die meisten Süßigkeiten ein.

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