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Wählen die „Queen of Drags“: Olivia Jones (vorne) und ihre Mitjuroren Bill Kaulitz (v.l.n.r.), Heidi Klum und Conchita Wurst.

© Martin Ehleben/ProSieben/dpa

„Queen of Drags“ auf ProSieben: Jetzt kommt Germanys's Next Drag Queen

Am Donnerstag startet auf ProSieben „Queen of Drags“: Schon in der ersten Folge zeigt sich, warum Deutschland eine Heidi Klum wirklich noch braucht.

Zu Beginn der Sendung wird das Problem an den Haaren herbeigezogen: Heidi Klum selbst ist es, die ihre Rolle reflektiert, nachdem die queere Community kritisiert hatte, dass eine heterosexuelle Frau queere Kunst zelebrieren möchte. Doch, wie zu erwarten, ist da bei Heidi Klum nicht viel Verständnis. „Intolerant“ seien die Beschwerden. Um Toleranz geht es natürlich nicht. Und doch zeigt sich in der ersten Folge der ersten deutschen Drag-Show zur Prime Time, dass Deutschland eine Heidi Klum wohl wirklich noch braucht.

Doch worum geht es eigentlich? „Queen of Drags“ ist eine Drag-Show, die von Donnerstag an [„Queen of Drags“, ProSieben, donnerstags um 20 Uhr 15] wöchentlich auf ProSieben ausgestrahlt wird. Zehn Drag Queens aus Deutschland, Österreich und der Schweiz treten gegeneinander an, um die Königin zu werden – die Queen of Drags.

Während der Dreharbeiten leben sie zusammen in einer Villa in Los Angeles. Jede Woche müssen sie Performances absolvieren, die sich thematisch unterscheiden: Horror, Glamour, Witz.

Bewertet werden sie von einer Jury aus Heidi Klum, Bill Kaulitz, Conchita Wurst und einem Gastjuror. Das große Vorbild ist RuPaul’s „Drag Race“ aus den USA, das hierzulande bei Netflix läuft.

Heidi Klum steht für das Gegenteil von Drag

Das Vorbild unterstreicht das Problem. Denn „Drag Race“ wird gehostet von der Drag Queen RuPaul, die seit Jahrzehnten tief verwurzelt in der queeren Szene ist. Für Heidi Klum gilt das nicht. Sie steht in der Fernsehlandschaft für das Gegenteil des Drags. In ihrer Sendung „Germany’s Next Top Model“, die das Format von Queen of Drags augenscheinlich stark beeinflusst hat, geht es um normierte Frauenrollen.

Es geht um eine Definition des Weiblichen, um die Zementierung einer Schablone. Drag möchte das – eigentlich – auflösen. Drag will Geschlechter und ihre dazugehörigen Rollen so sehr überzeichnen, dass sie zerbrechen; sie ihrer eigenen Lächerlichkeit preisgeben.

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In der ersten Folge von „Queen of Drags“ aber geht es vor allem um das Privatleben der zehn Queens. Die kurzen Filmchen zeigen: Ja, das sind natürlich auch alles „normale Menschen“.

Eine Queen spricht über Rassismus

Dann sieht man etwa Katy Bähm, die in ihrem Nebenberuf als Fitnesstrainer auf einem Trampolin herumhüpft und dann – Schnitt – über ihre Probleme als queerer Muslim spricht. Darüber, nach dem Outing nicht mehr Kind des Vaters zu sein. Oder Catherrine Leclery, die über den Rassismus spricht, den sie als Person of Color noch immer erlebt, auch wenn der ja angeblich nicht mehr existiere.

Die zehn Kandidatinnen für "Queen of Drags" auf einen Blick.
Die zehn Kandidatinnen für "Queen of Drags" auf einen Blick.

© Pro Sieben

Es sind wichtige Momente, die auch Fragmente des queeren Spektrums zeigen, die sonst nicht im Mainstream zu sehen sind. Nur leider werden sie von einem Mann aus dem Off kommentiert. Natürlich sind alle Drag Queens mit ihren Geschichten und Persönlichkeiten das Highlight der Sendung. Sie sind grandios. Für sie allein sollte man sich das Format ansehen.

„Kitzler wie ’ne Bratwurst“

Aber spätestens bei der Bewertung der dargebotenen Performances durch die Jury zeigt sich, wer das queere Vokabular versteht – und dann sagt Heidi Klum auch noch was.

Gast-Jurorin der ersten Folge ist Olivia Jones, die mit jedem Satz zeigt, dass sie versteht. Dass sie verwoben ist mit der queeren Kultur und Subkultur. Dass sie Teil des Zeichensystems ist, das so lange ohne heteronormative Einschränkungen nicht existieren konnte – und es noch immer nicht kann. Den Tanz einer Queen bewertet sie als „DDR-Fernsehballett“. Den Tuck, also das Wegklemmen des Penis, einer anderen Queen kommentiert sie mit „Kitzler wie ’ne Bratwurst“.

Zum Schluss von "Queen of Drags" wird es politisch

Zum Schluss der Sendung wird es endlich politisch und subversiv. Bambi Mercury betritt die Bühne, performt „Who wants to live forever“ von Queen und schwingt die Regenbogen- und Trans-Flagge. Und in ihrem geschminkten Gesicht schwingt alles mit, was auch zum Drag gehört. Die Zerbrechlichkeit, die Trauer ob der vielen Jahren an Unterdrückung. Die Kämpfe, die so viele queere Menschen führen mussten und noch müssen. Diese brutalen Geschlechterrollen, in die sich so viele Menschen zu pressen haben. Dieser Auftritt schreibt queere Geschichte im deutschen Fernsehen.

Hass auf den Straßen Berlins gibt es noch immer sehr viel, sagt Candy Crash in einer ruhigeren Szene. Doch sie gehe trotzdem raus, zeige Gesicht. Und genau in diesem Sinne ist „Queen of Drags“ natürlich eine wichtige Sendung. Es trotzdem tun, Gesicht zeigen. Aber es wird deutlich, dass Deutschland wohl noch eine Heidi Klum nötig hat, die die Zuschauer an die Hand nimmt, ihnen zeigt: Ich habe auch keine Ahnung, aber ist doch ganz lustig alles. Wahrscheinlich braucht es noch immer eine Zeit, bis queeres Leben, queere Kunst auch ohne normatives Framing existieren kann.

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