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Jeannine Koch ist geschäftsführende Vorstandsvorsitzende des Netzwerkvereins medianet berlinbrandenburg der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft in der Hauptstadtregion.

© Foto: Emily Timm / Die Hoffotografen/Promo

medienbarometer 2022: Beweglich aus der Krise

Interview mit medianet-Chefin Jeannine Koch über die teilweise verbesserten Aussichten der Medien-, IT- und Kreativbranche.

Frau Koch, am Dienstag wird das neue medien.barometer für Berlin und Brandenburg vorgestellt. Daraus geht unter anderem hervor, dass das Geschäftsklima wieder auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie liegt. Ist die Krise also vorbei?

Dass die Krise bereits überstanden ist, ist leider noch nicht der Fall. Aber wir sehen zum einen, dass es seit dem letzten Frühjahr keinen harten Lockdown mehr gab. Ich denke zum Beispiel an all die Kinos, Theater usw., die vorher monatelang komplett geschlossen bleiben mussten. Von daher gab es im vergangenen Frühjahr und Sommer vielerorts ein Aufatmen, auch wenn die Häuser noch keine 100-prozentige Auslastung fahren durften und das auch aktuell immer noch eine große – vor allem finanzielle – Herausforderung darstellt. Dies betrifft natürlich auch alle Clubbetreiber*innen und Veranstalter*innen.

Wie sieht es im Medien-, Kreativ- und Digitalbereich aus?
Wir haben festgestellt – und genau dies wollten wir mit dem aktuellen medien.barometer herausfinden –, dass sich diese Branchen als sehr beweglich erwiesen haben. Viele Unternehmen haben neue Geschäftsfelder aufgebaut, sind Kooperationen mit angrenzenden Industrien eingegangen und haben neue Produkte und Dienstleitungen auf den Markt gebracht. Die Zufriedenheit über den Geschäftsverlauf ist im Vergleich zum Vorjahr spürbar gestiegen. Die konkreten Zahlen und Daten dazu beleuchten wir am Dienstag bei der offiziellen Ergebnispräsentation.

[Der Tagesspiegel ist Mitglied des medianet berlinbrandenburg und unterstützt die Präsentation des medien.barometer. Die offizielle Veröffentlichung der Ergebnisse des medien.barometer findet am Dienstag um zehn Uhr statt und kann im Livestream unter https://www.youtube.com/medianetbb verfolgt werden. Das vollständige medien.barometer 2021/22 mit allen Auswertungen, Statistiken und Vergleichen sowie alle Informationen zum aktuellen Geschäftsklimaindex finden Sie ab heute Nachmittag hier unter „medien.barometer & forsa-Umfragen“ zum Download.]

Das klingt zunächst einmal sehr positiv.
Die Digital- und Games-Wirtschaft waren und sind von der Krise am wenigsten betroffen. In Pandemiezeiten sind digitale Dienstleistungen und spielerische Freizeitbetätigungen natürlich sehr gefragt. Schwieriger verhält es sich im Musik- und Veranstaltungssegment, da vor allem viele Indoor-Events wie Konzerte und Partys derzeit kaum umsetzbar sind. Aber auch hier zeigen unsere ermittelten Zahlen, dass diese Branchen für die kommenden zwölf Monate eine Erholung erwarten und somit Licht am Ende des Tunnels sehen. Die Filmbranche erlebt weiterhin herausfordernde Zeiten. Die Kinobesucherzahlen haben noch nicht das alte Niveau erreicht, aktuell mangelt es gar an Fachkräften hinter den Kulissen am Set. Was besonders herausfordernd ist, denn es werden derzeit sehr viele Filme und Serien produziert. Hier ist auch eine zeitnahe Verbesserung nicht in Sicht. Im Bereich Aus- und Weiterbildungen muss dringend nachgebessert werden, um Fachkräfte für alle erwähnten Teilmärkte der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft zu gewinnen.

Eine große Sorge war, dass die Pandemie Unternehmen aus der Medien-, IT- und Kreativwirtschaft in die Insolvenz treiben könnte. In welchem Ausmaß ist es zu Firmenpleiten gekommen?
Das medien.barometer liefert Informationen nur zu den Unternehmen, die die Krise bis heute überstanden haben. Keine der befragten Firmen musste dauerhaft schließen. Und auch bei den Mitgliedern unseres Netzwerkvereins konnten wir erfreulicherweise keine nennenswerte Zahl an Geschäftsaufgaben feststellen. Unternehmen, die schließen mussten, oder Geschäftsleute, die jetzt in anderen Berufen und Branchen arbeiten, konnten wir mit der Befragung nicht erreichen. Über die Investitionsbank Berlin wissen wir aber, dass es zumindest bis Sommer 2020 durch die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht keine erhöhte Zahl an Insolvenzen gab.

Gemeinsam am Set: Die ZDF-Komödie „Mein Freund, das Ekel“ mit Dieter (links) und seinem Sohn Johannes Hallervorden entstand in Berlin – wie so viele andere Filme auch. Mitunter fehlen bei Dreharbeiten inzwischen Fachkräfte.
Gemeinsam am Set: Die ZDF-Komödie „Mein Freund, das Ekel“ mit Dieter (links) und seinem Sohn Johannes Hallervorden entstand in Berlin – wie so viele andere Filme auch. Mitunter fehlen bei Dreharbeiten inzwischen Fachkräfte.

© Conny Klein/ZDF

Der Radiomarkt gehörte zu Beginn der Corona-Pandemie zu den Teilbereichen der Medienbranche, die auf finanzielle Hilfen angewiesen waren. In welchen Sektoren wird weiterhin eine Förderung benötigt?
Dies gilt vor allem für die Veranstaltungsbranche. Dazu gehört je ein großer Rattenschwanz: Von Musiker*innen und Locations bis hin zu Technikzulieferern und Catering. Es gibt weiterhin mehrere Hilfen von staatlicher Seite, wie zum Beispiel die Überbrückungshilfe 4 und die Neustarthilfe. Auch die Selbständigen werden noch eine Weile auf Unterstützung angewiesen sein.

Wo besteht der größte Förderbedarf?
In unserer Studie haben die Unternehmen vor allem angegeben, dass sie sich mehr Fördermittel – und hier vor allem einen vereinfachten Zugang dazu – wünschen. Außerdem werden mehr Weiterbildungsangebote und eine gezieltere Förderung von Netzwerken und Kooperationen gefordert. Auch die Forcierung des Breitbandausbaus und der Digitalisierung sowie der Bürokratieabbau, insbesondere in der Öffentlichen Verwaltung, sind Punkte, die die Unternehmen berücksichtigt sehen wollen. Die neu formierte Berliner Landesregierung muss sich nun den Branchen annehmen, die es am schwersten getroffen hat. Es gibt aber bereits einige Signale aus der Politik, dass die Bedarfe erkannt wurden und weitere Unterstützung vorgesehen ist.

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Flexible Unternehmen haben die Krise offenbar besser überstanden, indem neue Geschäftsfelder erschlossen wurde. Welche Beispiele haben Sie besonders beeindruckt?
Da gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Um nur einige zu nennen: Mehrere Unternehmen haben auf Consulting umgestellt. Presseagenturen haben aus analogen Events und Pressetagen digitale und hybride Formate entwickelt, die bleiben werden. Filme wurden, anstatt im geschlossenen Kino, auf Streaming-Plattformen veröffentlicht.

In einigen Branchen haben die Unternehmen nach der beginnenden Erholung Probleme bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter bekommen. In welchen Bereichen der Medien-, IT- und Kreativbranche drohen ebenfalls Engpässe?
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen hat angegeben, in den kommenden zwölf Monaten zusätzliches Personal einstellen zu wollen. Das zeigt, das auch in unseren Branchen eine hohe Nachfrage nach Fachkräften zu erwarten ist. Und dieser große Bedarf ist jetzt schon zu spüren, wie mit Blick auf fehlendes Personal bei Filmdreharbeiten erwähnt. Es wurde auch in den letzten zwölf Monaten bereits Personal aufgestockt. Was wir dringend benötigen, ist eine stärkere Orientierung der beruflichen und der Hochschulausbildung am Bedarf der Wirtschaft. Hier hängen wir deutlich hinterher.

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