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Auf der Dom-Platte: Die Obdachlose Monika Keller (Rike Eckermann, links) kümmert sich um Ella Jung (Ricarda Seifried), die vor ihrem gewalttätigen Mann geflohen ist.

© WDR/Martin Valentin Menke

Der „Tatort“ aus Köln: Meister des Mitgefühls

Mord am Rande der Gesellschaft: Der Kölner „Tatort“ bleibt Empathie-Zentrum des deutschen Fernseh-Krimis.

Ein schreckliches Bild wie dieses ist leider kein Produkt der Fantasie: Ein obdachloser Mensch wird angezündet, erleidet schwerste Verletzungen oder stirbt in den Flammen. Solche Fälle hat es in Berlin ebenso gegeben wie in Hamburg oder zuletzt im Dezember 2020 in Köln. Im Kölner „Tatort“ mit dem Titel „Wie alle anderen auch“ wird Monika Keller (Rike Eckermann) Opfer eines solchen bösartigen Brandanschlags. Sie stirbt unter einer Rheinbrücke, unweit schauen andere Obdachlose untätig zu.

Monika Keller gehörte zu den Obdachlosen, die sich trotz ihrer prekären Lage ihre Menschlichkeit bewahrt haben. Immer wieder hat sie anderen Frauen, die ihre Wohnung und damit häufig auch ihren Platz auf der guten Seite des Lebens verloren haben, dabei geholfen, mit ihrer neuen Situation zurecht zu kommen. So wie zuletzt Ella Jung (Ricarda Seifried). Die junge Frau konnte mit allergrößter Mühe ihrem gewalttätigen Mann entfliehen. Weil sie ihn dabei schwer verletzte, sah sie die Straße als einzigen Ausweg an. Und weil Ella Jung eine der letzten Personen waren, mit denen die getötete Obdachlose Monika Keller gesehen wurde, müsste sie nun eigentlich zu den Hauptverdächtigen gehören.

[„Tatort: Wie alle anderen auch“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15]

Ein Tötungsdelikt unter Obdachlosen, ein Opfer und eine Verdächtige, ein einfacher Fall – könnte man meinen. Aber nicht im „Tatort“ aus Köln, dem Empathie-Zentrum des deutschen Fernseh-Krimis. In kaum einem anderen der ARD-Regionalkrimis am Sonntag ist Mitgefühl so zuhause wie hier. Und nur bei wenigen anderen TV-Kommissaren neben Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) kann man so sicher sein, dass die Polizei unabhängig von der Person des Opfers allen Spuren nachgeht, um nicht nur einen Täter zu finden, sondern zugleich Licht ins Dunkel der Motive zu bringen. In Köln haben selbst die abgebrühtesten Drogenfahnder wie Norbert Jütte (Roland Riebeling) noch ihr Herz am rechten Fleck und opfern gerne ihren Feierabend, um der Gerechtigkeit und vor allem der Menschlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Da mögen sich die Ermittler in anderen Krimis nur vor allem in die Gedankenwelt der Täter hineinversetzen, um ihnen das Handwerk zu legen. Ballauf und Schenk verlieren die Opfer nie aus dem Blick, die toten ebenso wie die lebenden. Am Ende schaffen sie es sogar, selbst im Täter ein Opfer zu sehen.

Autor Jürgen Werner und Regisseurin Nina Wolfrum: Ein starkes Team

Die Frage, wer denn nun für das Ableben von Monika Keller verantwortlich war, gerät in „Wie alle anderen auch“ streckenweise etwas weit aus dem Blick. Autor Jürgen Werner und Regisseurin Nina Wolfrum (die bereits im vergangenen Jahr die Kölner „Tatort“-Folge „Niemals ohne mich“ mit dem Mord an einer Mitarbeiterin des Jugendamtes gestemmt hatten) nutzen die anderthalb Stunden, um auf ein Thema aufmerksam zu machen, das in jeder größeren Stadt zugleich überall vorhanden ist, aber oftmals doch übersehen wird. Obdachlosigkeit ist ein Schicksal, das einen schneller treffen kann als man glaubt.

Das gilt auch für Katja Fischer (Jana Julia Roth). Obwohl die Altenpflegerin einen Job hat, wohnt sie in ihrem Auto, weil ihr die Wohnung wegen Eigenbedarf gekündigt wurde, sie aber wegen eines negativen Schufa-Eintrags nach einem vermurksten Versuch in die Selbstständigkeit keine neue Bleibe findet. Ella Jung scheint zumindest etwas mehr Glück zu haben. In einem Café lernt sie den Tellerwäscher Axel Fahl (Niklas Kohrt) kennen, bei dem sie zumindest übergangsweise unterschlüpfen kann.

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Doch mit dem Verlust der Wohnung droht nicht nur der soziale Abstieg. Für Frauen wächst zugleich die Gefahr, Opfer von männlicher, sexueller Gewalt zu werden. Wenn dieser „Tatort“ aus Köln etwas besonders gut vermittelt, dann ist es diese Schutzlosigkeit, die für obdachlose Frauen sehr real ist.

Das Thema Corona kommt übrigens nicht vor, obwohl diese Episode aus dem Jahr 2020 stammt. Was nicht schlecht sein muss. Auch wenn man es derzeit mitunter leicht vergessen könnte: es gibt durchaus noch andere Probleme.

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