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Schwieriges Erbe: Kriminaltechnikerin Viktoria (Claudia Eisinger) findet im Keller des Onkels einen Toten.

© ARD Degeto/Krzysztof Wiktor

Neue Krimireihe in der ARD: Mit der sprichwörtlichen Leiche im Keller

Im neuen „Masuren-Krimi“ der ARD ermittelt eine Berliner Kriminaltechnikerin mit echter Spürnase in Polen. Auf politische Anspielungen wird verzichtet.

Zumindest in einem Punkt sind sich alle einig: Mit den Tausenden Seen und dichten Wäldern bietet Masuren eine unvergleichliche Naturlandschaft, die von mittelalterlichen Städten und adligen Gutshöfen bereichert wird. „Masuren – wo die Welt noch in Ordnung ist“, so wird auf einschlägigen Tourismusseiten für die Schönheiten der polnischen Region geworben. Eine Region mit einer schwierigen Vergangenheit. Auf die Teilung des Landes und deutsche Kriegsverbrechen folgten Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung, die wiederum zu revanchistischen Forderungen auf den Jahrestreffen der Landsmannschaften führten.

Diese Zeiten sind mittlerweile vorbei, auch Rufe nach der Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 sind selten geworden. Und auch die Busladungen von Heimatvertriebenen und ihren Nachkommen auf der Suche nach ihren ehemaligen Besitztümern sollen der Vergangenheit angehören.

Im Verhältnis der Deutschen und Polen liegen dennoch weiterhin einige mediale Minen. Das musste besonders das ZDF erfahren. Im Streit um den TV-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ von 2013 verurteilte ein polnisches Gericht den deutschen Sender dazu, sich bei der polnischen Heimatarmee zu entschuldigen. Nach Ansicht eines Mitglieds der Untergrundarmee wurde diese als Bande antisemitischer Wüstlinge beleidigt.

Solche Probleme und Befindlichkeiten haben die ARD Degeto allerdings nicht davon abgehalten, es mit der neuen Krimireihe „Der Masuren-Krimi“ zu versuchen. Im deutsch-polnischen Grenzgebiet ist ja schließlich auch der RBB-"Polizeiruf" unterwegs, auch wenn Maria Simon dort ihren Abschied genommen hat. Beim "Masuren-Krimi" laufen zunächst mit „Fryderyks Erbe“ und „Fangschuss“ zwei Pilotfolgen. Wie es weitergeht, hängt vom Erfolg der Ausstrahlungen ab.

[„Der Masuren-Krimi“, ARD; „Fryderyks Erbe“ an diesem Donnerstag, „Fangschuss“ am kommenden Donnerstag, jeweils 20 Uhr 15]

Im Zentrum der Handlung des „Masuren-Krimi“ stehen die Berliner Kriminaltechnikerin Dr. Viktoria Wex (Claudia Eisinger) und der polnische Polizist Leon Pawlak (Sebastian Hülk). Im näheren Umfeld wurden Viktoria Wex’ Onkel Fryderyk (Wieslaw Zanowicz) und Tante Marta (Natalia Bobyleva) positioniert sowie Pawlaks Ex-Frau Zofia Kowalska (Karolina Lodyga). Als Kriminalkommissarin steht sie im Rang sogar über ihrem Ex-Mann, der früher selbst bei der Kripo gearbeitet hat, sich aber hat degradieren lassen, um sich besser um seine Tochter Emilia kümmern zu können. Viktoria Wex war in Berlin ebenfalls mit einem Polizisten liiert, der aber im Einsatz ums Leben kam. Überhaupt sind die zwischenmenschlichen Beziehungen in dieser Reihe mindestens ebenso wichtig wie die Kriminalfälle.

Eine Erbschaft ohne Leiche

In der Auftaktfolge kehrt die Kriminaltechnikerin in den Ort Pasym zurück, um das Erbe ihres Onkels anzutreten. In ihrer Kindheit hat dieser die Rolle eines Ersatzvaters übernommen. Allerdings fehlt bislang Fryderyks Leiche. Dafür findet Viktoria im Keller von Fryderyks Haus die sprichwörtliche Leiche eines anderen Mannes. Es handelt sich um einen Investor, der ein Hotel mit angrenzender Golf- und Tennisanlage bauen wollte und dafür unbedingt das Seegrundstück von Viktorias Onkel benötigte. Doch der wollte nicht verkaufen.

Dr. Viktoria Wex ist nicht nur eine begnadete Kriminaltechnikerin, sie verfügt – auch wieder wortwörtlich – über eine ausgezeichnete Spürnase. Wie inzwischen in diversen Krimis und Thrillern schwingt auch bei ihr ein Hauch von Asperger mit. Denn so genial sie in beruflichen Dingen ist, so gehemmt tritt sie in emotionalen Situationen auf. Was sie nicht davon abhält, zusammen mit Ortspolizist Leon eigene Ermittlungen aufzunehmen, ganz zum Missfallen seiner Ex, der Kommissarin.

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Zuletzt hatte Volker Kutscher seinen Kommissar Gereon Rath in „Die Akte Vaterland“ – dem vierten Band der Reihe, auf der die TV-Serie „Babylon Berlin“ mit Volker Bruch und Liv Lisa Fries basiert – zu Ermittlungen nach Masuren beordert. Abseits der Krimihandlung gibt der Roman einen aufschlussreichen Blick auf die Spannungen zwischen der polnischen Republik und den Menschen in Ostpreußen zu Anfang der 1930er Jahre.

Ein Rathaus im Burgenstil und ein Militärjeep

Im „Masuren-Krimi“ der ARD spielt die schwierige Historie allerdings keine Rolle. Die Pilotfolgen enthalten sich aller politischen Kommentare und Klischees. Abgesehen von den Pasymer Ortsansichten – imposant ist besonders das burgähnliche Rathaus – hätte man allerdings selbst die idyllischen Aufnahmen von über den Gewässern rund um die Stadt vermutlich auch in Mecklenburg-Vorpommern hinbekommen. Einen alten Polski Fiat und sowjetischen Militärjeep hätte man sicherlich auch hier auftreiben können. Und selbst die Wisente, die in der zweiten Folge „Fangschuss“ eine Rolle spielen, gibt es zum Beispiel im Naturschutzgebiet des Damerower Werder.

Hinzu kommt, dass die Hauptdarsteller – egal ob nun in Istanbul, Lissabon, der Bretagne oder in Masuren – ohnehin überall bestes Hochdeutsch sprechen. Immerhin hört man in einigen Nebenrollen einen einheimischen Akzent heraus. Ein Teil des Ensembles wurde mit polnischen Schauspielern besetzt. Diese Authentizität ist Regisseur Anno Saul wichtig, um eigene Akzente zu setzen, aber auch, um dem Besonderen des Landes näherzukommen – zumal in Zeiten, in denen Reisen schwierig ist. Masuren hat Saul durch die Filme erst kennengelernt. Er schätzt an dem Landstrich neben der rauen Schönheit der unberührten Natur auch „die bewegende Geschichte mit vielen sensiblen Schaltstellen im deutsch-polnischen Verhältnis“.

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