
© dpa/Soeren Stache
Um Gottes willen, ARD!: Muss das „ARD-Mittagsmagazin“ nach Baden-Baden umziehen?
Opfert die ARD politischen Journalismus in Berlin? Das Redaktionsteam des werktäglichen Mittagsjournals schlägt Alarm – sehr zu Recht.
Stand:
In ihren Pressemitteilungen stellt sich die ARD gerne als toller Haufen dar. Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks und amtierender ARD-Vorsitzender, unterlegte die ARD-Anmeldung bei der Beitragskommission also mit hehren Worten: „Wir wollen gerade in einer digitalisierten Welt nah bei den Menschen in den Regionen sein und gemeinsam den Blick in die Welt richten. Dafür müssen wir in exzellenten Journalismus investieren.“
Pleite in Eigenregie
Das ist schneller gesagt als gemacht. Denn was da im ARD-Rund und im ersten Programm droht, sieht nach einer Pleite in Eigenregie aus. Das Redaktionsteam des „ARD-Mittagsmagazins“ warnt jedenfalls davor, „politischen Journalismus in Berlin zu opfern“. Nach den Erkenntnissen der Mitarbeitenden sollen die Intendanten der ARD in ihren Verhandlungen Berlin als Standort des „Mittagsmagazins“ aufgegeben haben.
Die werktägliche Sendung wird im wöchentlichen Wechsel mit dem „ZDF-Mittagsmagazin“ ausgestrahlt. Produziert, finanziert und redaktionell betreut wird sie vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Zwischen 1989 und 2017 kam das „ARD-Mittagsmagazin“ vom Bayerischen Rundfunk. Der wollte dann nicht länger, was die damalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger als große Chance sah, den RBB zum „Hauptstadtsender“ aufzurüsten. Seit 2018 wird die Sendung im Hauptstadtstudio des ZDF produziert, das seinerseits die Redaktion von Mainz nach Berlin umgezogen und mit der Redaktion des „ZDF-Morgenmagazins“ zusammengeführt hatte.
Die Kooperation zwischen ARD/RBB und ZDF galt und gilt als mustergültig für die kostensparende Zusammenarbeit beider Systeme bei gleichzeitiger Betonung der jeweiligen Eigenständigkeit. Die amtierende RBB-Intendantin Katrin hat ihren Vertrag mit dem ZDF gekündigt mit der Begründung, dass der unter Spardruck stehende RBB sich dieses Engagement nicht länger leisten könne.
Das ZDF ist irritiert, die Rest-ARD nicht amüsiert. Erst wollte der Sender für Berlin-Brandenburg unbedingt, jetzt will er unbedingt nicht mehr. Die ARD wirkt aktuell ratlos, wie das „Mittagsmagazin“ fortgesetzt werden soll: als Gemeinschaftsaufgabe aller neun Sender, womit die Kosten je nach Beitragsaufkommen verteilt würden. Oder doch in der Verantwortung eines Senders, der eben nicht RBB heißt.
Das Redaktionsteam will vernommen haben, dass die Sendung „in ein Unterhaltungs- und Verbraucherprogramm am Vormittag integriert werden“ soll, das beim SWR in Baden-Baden angesiedelt ist: das ARD-Buffet. „Wir sagen: Ein medienpolitisches Desaster, wenn sich das bewahrheitet.“
Nachrichten aus dem Osten
Wer will ernsthaft widersprechen? Mit dem „Mittagsmagazin“ aus Baden-Baden würde die einzige Nachrichtensendung aus dem Osten der Republik und damit die Repräsentanz ostdeutscher Themen und Belange aus dem ARD-Programm verschwinden. Nichts gegen die Kurstadt an der Oos, aber die Musik für das „ARD-Mittagsmagazin“ wird in der Hauptstadt, am Regierungssitz, in Berlin gespielt. „Wir fragen uns“, wird in einem Papier des rund 100-köpfigen Redaktionsteam formuliert, „wie das den Beitragszahlern vermittelbar sein soll.“
Das „ARD-Mittagsmagazin“ hat nach eigener Berechnung mit 3,2 Millionen Zuschauern eine sehr respektable Reichweite, nicht nur in der Eigenwahrnehmung ist es ein sehr erfolgreiches Nachrichtenmagazin mit hintergründigen, politischen Inhalten.
Diese durch Unterhaltung und Service zu verwässern, würde den immer wieder behaupteten Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ad absurdum führen. Der Standort macht den entscheidenden Unterschied aus.
Jedem in der ARD muss klar sein, dass die Aufgabe der Kooperation mit dem ZDF die Kosten treiben würde. Auch würde die Medienpolitik den Kopf schütteln, wenn hier ein Modellbeispiel gelungener Kooperation aufs Spiel gesetzt würde.
Das Redaktionsteam hat jetzt sehr laut Alarm geschlagen – und sehr zu Recht. Und natürlich ist noch nichts entschieden. Die Intendantinnen und Intendanten der ARD müssen jetzt nur entscheiden, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen sein wollen: ein „ARD-Mittagsmagazin“ aus der Hauptstadt und in Zusammenarbeit mit dem ZDF auszustrahlen. An der Oos ist nix los.
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