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Gefährliches Aufräumen. Arbeiter bei der Dekontaminierung von Schrott aus dem ehemaligen Kernkraftwerk Greifswald.

© SWR/Pier53 Filmproduktion

TV-Doku zu Atomkraft und Energiewende: Restrisiken und Abschalttermine

Eine ARD-Dokumentation verrechnet die Gefahr der Kernkraft mit der Problematik des Atomausstiegs.

In diesem Jahr sollen die letzten drei Atommeiler vom Netz gehen. Die Gegner dieser Stromerzeugung jubeln. Fachleute und Parteien von FDP bis CDU bekommen unterdessen tiefe Sorgenfalten auf der Stirn. In seiner aufwendigen Langzeitbeobachtung stellt Carsten Rau zwei konträre Themenbereiche einander gegenüber: Wie effektiv ist erneuerbare Energieerzeugung tatsächlich? Und welch immenser Aufwand ist mit dem Rückbau der Atomanlagen sowie der Entsorgung des radioaktiven Mülls verbunden?

Als Protagonist durch „Atomkraft Forever“ führt Jörg Meyer. Der Ingenieur verantwortet die Stilllegung maschinentechnischer Ausrüstung im Kernkraftwerk Greifswald. Archivfilme des DDR-Fernsehens zeigen, mit welch stolz geschwellter Brust die Anlage in den 1970er-Jahren in Betrieb genommen wurde: „Wer das entwickeln und bauen kann, steht in vorderster Reihe der Kernenergetiker der Welt“, so die sozialistische Propaganda, die hinzufügte: „Das Atom sei Arbeiter und nicht Soldat“.

[„Atomkraft Forever", ARD, Mittwoch, 22 Uhr 20]

In Greifswald stand aber nur eines von mehreren deutschen Kernkraftwerken. Deshalb erweitert der Film die Perspektive auf die Frage, wohin eigentlich der verstrahlte Müll aus all diesen Anlagen hierzulande überhaupt verbracht werden soll.

Im Gespräch mit Steffen Kanitz, Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung, wird deutlich, welche Fragen hier noch ausgehandelt werden müssen. Nach dem Aus für das heftig umkämpfte Endlager Gorleben soll die Suche nach einem geeigneten Standort, an dem Brennstäbe deutscher Atomkraftwerke entsorgt werden können, wissenschaftlich seriös und zugleich bürgernah durchgeführt werden.

Skeptische Stimmen

Der Film wiederholt nicht nur bekannte Argumente für den Atomausstieg. Mit Joachim Vanzetta, Direktor der Netzführung bei Amprion, dem zweitgrößten deutschen Hochspannungs-Stromnetzbetreiber, kommt eine skeptische Stimme zu Wort.

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Vanzetta rechnet vor, dass es wenige Tage gibt, an denen Wind- und Solarkraftwerke „nur ein Prozent“ des benötigten Stroms liefern.

Sehenswert ist dieser komplex argumentierende Dokumentarfilm auf jeden Fall. Er beleuchtet nämlich beide Seiten. Carsten Rau verschließt keineswegs die Augen vor den Risiken einer möglichen Verstrahlung. Auf eine angenehm unaufgeregte Art und Weise deutet er ebenso an, dass die Energiewende in Deutschland, so notwendig sie auch immer sein mag, möglicherweise doch übereilt in die Wege geleitet wurde.

Manfred Riepe

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