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Medien: Seid nett zur Revolution!

Das ZDF diskutiert über neue Bedingungen für das alte Medium Fernsehen

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Zeitsouverän und mobil – so wird das neue Fernsehen sein. Auf vielfältigen Wegen kommt es zum Endkunden. Der ruft es ab, wann er will, wie er will und wo er will. Im Internet, das zur universellen Infrastruktur geworden ist, hat der „iconic turn“ weg vom Text hin zum Video längst stattgefunden.

Zum vierzigsten Mal lud das ZDF auf den Mainzer Lerchenberg zu den „Tagen der Fernsehkritik“, um diesmal die Folgen dieser „zweiten digitalen Welle“ für die Öffentlichkeit und die klassischen Medienproduzenten zu erörtern. Als der erste Referent zahlreiche Beispiele audiovisueller Aktionen aus dem Netz vorführen wollte, streikte prompt die Technik. So etwas passiert auf vielen Konferenzen, hier aber wurden die technischen Probleme als Metapher verstanden. Gerade einmal fünf Prozent der Anwesenden kannten zum Beispiel den „Spreeblick“Videoblogger Toni Mahoni. So eine Konferenz ist nicht der Ort, an dem sich die Pioniere, Amateure und Entrepreneure der neuen Medien tummeln. Da beraten eher die etablierten Kräfte, wie sie mit dem unübersichtlichen Neuen umgehen sollen. Von einer „Herausforderung“ ist dann die Rede und davon, dass man die Jugend nicht verlieren wolle. Viele trösten sich und haben auch Zahlenmaterial zum Beleg dafür zur Hand. „Revolutionär“ verändere sich allenfalls die Technik. Noch lange werde das gute alte Fernsehen dominieren. Über gesamtgesellschaftliche Relevanz entscheide noch immer der kundige Journalismus. Ja, wenn es nur so wäre.

Der Hausherr, ZDF-Intendant Markus Schächter, mochte sich auf solchen Trost nicht verlassen. Das eigene Haus soll als „Marke“ oder „Leuchtturm“ auch in der digitalen Zukunft eine Rolle spielen. Zwar drohe „kein Tsunami“, aber eine „Flut des Neuen“ sieht er schon. Mit der will er aber auf keinen Fall defensiv umgehen. Schächter will gestalten, man könnte auch sagen, die anrollende Revolution sanft umarmen. Zur künftigen Kanalvielfalt entwickelte er Forderungen zur diskriminierungsfreien, unverschlüsselten und auffindbaren Distribution. Vor allem aber weiß das ZDF, dass die Tage des „linearen Echtzeitfernsehens“ gezählt sind. Mit Beginn der Internationalen Funkausstellung am 1. September startet die nächste Stufe der „Mediathek“: Etwa die Hälfte des Programms soll sieben Tage lang kostenlos abrufbar sein. Die jetzt schon möglichen zeitversetzten Abrufe, etwa bei der Krimiserie „KDD“, nutzen vor allem jüngere Zuschauer. Ab Jahresende gibt es als Muster für „public value“ zusätzlich ein kostenloses Portal für Schüler und Schulen. Die Eckpunkte der ZDF-Strategie sind sichtbar. In diese Portale soll auch Geld gesteckt werden. Die Summe von zunächst vier Millionen Euro mochte niemand dementieren oder bestätigen. Das Gesetz sieht vor, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nur 0,75 Prozent der Gebühren für ihre Online-Aktivitäten ausgeben dürfen. Offiziell hält man sich daran. Diese Sperre wird Ende 2008 mit dem jetzigen Runkfunkstaatsvertrag fallen. Der SPD-Vorsitzende und oberste Medienpolitiker Kurt Beck sagte, dies sei notwendig und schon mit der EU abgestimmt. Der CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger sah es genauso und plädierte für eine „maßvolle Gebührenerhöhung“. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff und ZDF-Intendant Markus Schächter freuten sich.

Bedeckt hielten sich während der Konferenz dagegen die dynamischen Vertreter anderer großer Medienhäuser. Wird die Telekom ein gigantisches Fernsehen aufbauen? Wie wird Kabel Deutschland agieren? Plant Google ein deutsches Youtube? Einfache Fragen wurden behandelt wie Staatsgeheimnisse, und die föderale ARD scheint noch sehr mit dem Koordinieren befasst zu sein. Schwer tun sich auch noch kostenpflichtige DownloadPortale für Film und Video wie zum Beispiel „Maxdome“. Von Burda bis RTL, von Pro 7 bis zur Produktionsfirma Ufa, die ihre erste Krimiserie fürs Handy mitbrachte, bemühen sich alle und erproben einiges.

In dieser Phase nehmen vorübergehend kleine, frische „Communities“ wie der Kölner Heimatsender Center-TV oder die Internet-Ableger der großen Print-Marken „Spiegel“, „Focus“ und „Süddeutsche“ die Rolle der „Lokomotiven des Fortschritts“ ein. Einige können aus Werbeeinnahmen den Betrieb finanzieren. Viel mehr noch nicht. Deshalb haben sie Furcht vor kraftvollen Investitionen der starken Player. Nicht allein das Fernsehen, sondern die gesamte Medienlandschaft könne dann öffentlich-rechtlich geprägt sein, fürchtet „Spiegel-Online“-Chef Mathias Müller von Blumencron. Tatsächlich aber liegen Tagesschau.de, ARD.de oder „Heute Online“ weit hinter Youtube und „Spiegel-Online“. Die Großen tun sich schwer. Revolutionen beginnen an den Rändern. Die vierzigsten Mainzer Tage dienten der Selbstverständigung einer aufgeschlossenen Mitte.

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