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Lädierter Kommissar: Jens Stellbrink (Devid Striesow) räumt nach dieser Episode den Schreibtisch, auf dem jetzt noch seine Kollegin Mia Emmrich (Sandra-Maren Schneider) sitzt.

© SR/Manuela Meyer

"Tatort: Der Pakt": Stellbrinks letzter Fall

Devid Striesow ermittelt in seinem letzten „Tatort“ in Saarbrücken. Sein Abschied wird zum Abschiebe-Krimi. Doch mit der Reihe hat er noch nicht abgeschlossen.

Die Debatte um die Abschiebung von Flüchtlingen kocht momentan wieder einmal hoch. Was ist ein „sicheres Herkunftsland“? Mit diesem brisanten Thema muss sich Devid Striesow in seinem letzten Auftritt als „Tatort“-Kommissar Jens Stellbrink (siehe unten) auseinandersetzen.

Die Geschichte ist im Umfeld der Pflegeberufe angesiedelt. Annika (Lucie Hollmann) absolviert gerade ihre Ausbildung als Krankenschwester. Mitschülerinnen beschreiben die junge Frau als „krass links“. Sie zeigte sogar ihre Lehrerin wegen „rassistischer Äußerungen im Unterricht“ an, weil die behauptet hatte, Migranten würden ausgestorbene Krankheiten wieder einführen. Das geht ihr gegen den Strich. Sie engagiert sich nämlich für untergetauchte Flüchtlinge. „Mediziner für Illegale“ nennt sich diese Anlaufstelle für Migranten ohne Duldungsstatus, die auf ihrer Flucht erkrankt sind, sich jedoch nicht an ein Hospital wenden wollen. Hier müssten sie nämlich ihre Personalien angeben und die sofortige Abschiebung befürchten.

Dieses heikle Thema dient als Aufhänger für einen Krimiplot: Annika bekommt zufällig mit, dass Kamal (El Mehdi Meskar), ein ägyptischer Flüchtling, der auch bei „Mediziner für Illegale“ aushilft, heimlich für die Ausländerbehörde spitzelt. Mit seiner Hilfe werden Illegale abgeschoben. Wütend stell Annika den Denunzianten zur Rede. Kurz darauf findet sie ihre Mitstudentin Vanessa – die ihr ähnelt wie eine Zwillingsschwester – tot auf, erdrosselt mit dem Gürtel eines Bademantels: Hat Kamal damit etwas zu tun?

Not und Komik

Diese Frage muss Stellbrink klären, der in seinem letzten Einsatz durch ein Wechselbad der Gefühle geht. Neben den Nöten der Migranten erlebt der Ermittler viele komische Momente. So wird er von einer frivolen, selbstbewussten Lehrerin bei der Vernehmung so offensiv angeflirtet, dass ihm beinahe die Spucke wegbleibt. Neben diesen heiteren Augenblicken, in denen Devid Striesow subtile Akzente setzt, zeichnet der Krimi des „Tatort“-Routiniers Zoltan Spirandelli, der auch am Drehbuch partizipiert, ein düsteres, aber auch überzeichnetes Bild. Auf der einen Seite zeigt der Film unsympathische Typen wie den zynischen Chef der Ausländerbehörde, der in seinem spießigen Eigenheimidyll wie ein Repräsentant des dunkeln Deutschlands anmutet. Der saturierte Bürokrat hebt mit erpresserischen Manövern die Abschiebungsquote an und verursacht dabei eine mörderische Katastrophe.

Auf der anderen Seite erzählt der Krimi von Geflüchteten wie dem verzweifelten Weißrussen, dessen Eltern nach der Abschiebung in ein offenbar nicht sicheres Herkunftsland von der dortigen Geheimpolizei ermordet wurden. Über diesen Migranten erfährt man leider ebenso wenig wie über die Schlüsselfigur Kamal, ein koptischer Christ, der in Ägypten wegen seines Glaubens verfolgt wurde und deshalb in Deutschland Zuflucht suchte. Die Charaktere sind interessant, werden aber nicht zu handelnden Figuren ausgebaut. Stattdessen verzettelt der Krimi sich mit einer entbehrlichen Parallelhandlung um eine gefälschte medizinische Approbation.

Geflüchtete, so der Subtext des ambitionierten, aber nicht durchweg überzeugenden Abschiebe-„Tatorts“, werden durch die korrumpierte Bürokratie in Verbrechen verwickelt. Oder sie werden gemobbt wie Kamals kleiner Bruder Raouf, der in der Schlüsselszene des Films in einem Kinderheim untergebracht wird, wo randalierende deutsche Teenager ihn mit sadistischer Inbrunst mobben. Nicht nur in dieser Szene zeigt der Krimi mehr Interesse an der Botschaft als an seinen Protagonisten, deren Zeichnung skizzenhaft bleibt. Schade eigentlich bei einem so relevanten Thema.

„Tatort: Der Pakt“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

Striesow als Kommissar auf Rügen?

Schauspieler Devid Striesow, 45, möchte als „Tatort“-Kommissar einmal an seinem Geburtsort, in Bergen auf der Insel Rügen, ermitteln. „Das wäre mir eine Herzensangelegenheit. Meinetwegen würde ich da auch mit dem Fahrrad unterwegs sein!“ Sollte es entsprechende Überlegungen und eine Anfrage des NDR geben, sei er jedenfalls interessiert. Striesow war seit 2013 als Hauptkommissar Stellbrink im „Tatort“ des Saarländischen Rundfunks zu sehen. Die Figur lasse er nur schweren Herzens gehen, sagte Striesow.

Das Publikum hat auf Stellbrink zunächst etwas befremdlich reagiert und eine Gewöhnungsphase benötigt. „Aber ich scheue mich nicht, den Zuschauern auch neue Betrachtungsmöglichkeiten vorzusetzen“, erklärte Striesow. Zudem habe sich sein Kommissar von einem Yoga-Anhänger und Vespa fahrenden, gut gelaunten Anfänger-Typ zu einem überzeugenden, souveränen Hauptkommissar entwickelt.

Striesow hofft, dass die Stellbrink-Ära den Zuschauern in positiver Erinnerung bleibt. „Es ist schön, wenn man etwas mit viel Empathie und Herzblut betrieben hat und die Menschen überzeugen kann. Das ist das, was hoffentlich haften bleibt.“ Darüber hinaus solle auch ein Kommissar in Erinnerung bleiben, über den man rückblickend sage: „Schade, dass er aufhört – irgendwie hat man ihn jetzt echt gern gehabt.“ (mit dpa)

Manfred Riepe

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