zum Hauptinhalt

Fernsehpreis: „Weissensee“ liegt bei Potsdam

Die erfolgreiche ARD-Serie geht in die zweite Staffel, mit denselben Darstellern. Ein Besuch am Set.

Die Mutter vermisst den Lieblingssohn. Er mag nicht mit ihr reden, also schickt sie den Ehemann vor. „Willst du nicht wenigstens mal mit ihr telefonieren?“ – „Na klar, mach ich. Für 2000 Mark West!“ Entgeistert starrt der Vater in die Augen seines Sohnes, aber der ist noch nicht fertig: „Wenn du willst, treffe ich mich auch mit ihr, und für 500 Mark mehr bring ich sogar Blumen mit.“

Martin Kupfer will raus aus der DDR. Er braucht das Geld für einen Fluchthelfer, und weil sein Vater ein hohes Tier im Ministerium für Staatssicherheit ist, verspricht das eine höchst komplizierte Angelegenheit zu werden – in „Weissensee“. Bis kurz vor Weihnachten laufen die Dreharbeiten für die Fortsetzung der ARD-Miniserie. Die erste Staffel über das Leben zweier Familien in der DDR hatte im Herbst 2010 mit bis zu sechs Millionen Zuschauern erstaunlich hohe Quoten und erhielt vor ein paar Wochen den Deutschen Fernsehpreis. Hier die Familie des Stasi-Offiziers Hans Kupfer (gespielt von Uwe Kockisch), dort seine ehemalige Geliebte, die regimekritische Künstlerin Dunja Hausmann (Katrin Sass). Und mittendrin deren Kinder Martin und Julia, die aneinander mehr Gefallen finden, als beiden Familien lieb ist.

Florian Lukas trägt ein graues Kunstlederjäckchen. Es ist nicht besonders hübsch, ein bisschen dünn für die sibirische Randlage am Sacrower See in der Nähe von Potsdam. Aber am Set geht Authentizität vor Wohlfühlen, also trotzt Florian Lukas der Kälte in einem Schmuckstück aus der Produktion des VEB Fortschritt Herrenbekleidung. Als Martin Kupfer ist er der gar nicht so heimliche Held der Serie. Einer, der sich dem System und der Familie dadurch verweigert, dass er als einfacher Volkspolizist durchs Leben geht. Ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Falk, den Jörg Hartmann als so wunderbar verschlagenen und komplexbeladenen Stasi-Major spielt, dass er dafür als bester Schauspieler ebenfalls mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde.

Als Florian Lukas Anfang September zum „Weissensee“-Set kam, „war es, als würde ich nach Hause kommen. Das Haus stand zwei Jahre lang leer, nichts hatte sich verändert. Die Einrichtung, das Licht, der Geruch – irgendwie kam es mir so vor, als wären wir erst gestern weggegangen.“ Die Villa mit der wuchtigen Klinkerfassade und der spießigen Blümchentapete ist der Wohnsitz der Familie Kupfer. Im Film steht diese Villa natürlich nicht am Sacrower See.

„Weissensee“ reloaded. Wie geht es weiter? Sechs Jahre sind vergangen, seitdem Julia Hausmann (Hannah Herzsprung) wegen Landesverrats verhaftet wurde und ihr Baby verloren hat. Julia sitzt im Knast, hat keinen Kontakt mehr zu Martin, der bei der Polizei gekündigt hat und denkt, seine Freundin sei in den Westen abgeschoben worden. „Am Anfang belügt jeder jeden“, erzählt Florian Lukas. „Es herrscht eine Atmosphäre tiefsten Misstrauens.“ Er wolle ja nicht zu viel verraten, aber „gehen Sie mal davon aus, dass es zu ein paar sehr einschneidenden Veränderungen kommt.“

Auch die Produzentin Regina Ziegler ist an das Set nach Sacrow gekommen und hat als Ehrengast den neuen Chef der Stasiunterlagenbehörde mitgebracht. Roland Jahn lobt die authentische Atmosphäre von „Weissensee“. Regina Ziegler erzählt von einer Reise nach New York: „Wir haben die erste Staffel im Museum of Modern Art gezeigt, da haben mehrere Hundert Leute zugeguckt. Keiner ist rausgegangen, obwohl wir die nur mit englischen Untertiteln vorführen konnten. Für die ,New York Times’ war ,Weissensee’ eine Hotspot-Story!“

Stasi läuft seit dem „Leben der Anderen“ immer gut – so gut, dass Florian Lukas sich am Anfang gefragt hat, „ob das denn jetzt schon wieder sein muss. Aber das war, bevor ich das Skript gelesen hatte“. Noch nie habe er so viele positive Reaktionen erlebt, „lange Briefe, in denen mir völlig unbekannte Menschen geschrieben haben, wie sehr sie ,Weissensee’ dazu bewegt hat, sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen“.

Der Mann vom Radio bittet um ein Interview. Er fragt: „Sie sind doch in West-Berlin aufgewachsen, oder?“ „Ähm, nein, in Ost-Berlin.“ Prenzlauer Berg, Greifswalder Straße. Florian Lukas wirkt ein wenig irritiert und sagt, dass er Ost und West ohnehin für überholte Begriffe halte. „Ich war 16, als die Mauer fiel, jetzt bin ich 38.“ Mit seinen Töchtern, neun und elf Jahre alt, hat er sich „Weissensee“ angeschaut, „und die hatten natürlich auch jede Menge Fragen. Obwohl die beiden sonst beim Thema DDR nur mit den Augen rollen.“ Florian Lukas redet sich langsam warm in der Kälte von Sacrow. Ja, am Ende der auf sechs Folgen angelegten zweiten Staffel werden Hannah und Martin sich wiedersehen, „aber nach sechs Jahren im Gefängnis ist sie natürlich ein anderer Mensch geworden“. Und: „Es wird die ganze Zeit die Frage im Raum stehen: Was ist mit dem gemeinsamen Baby passiert?“

Ja, was denn? Plötzlicher Kindstod? Zwangsadoption? Ein Räuspern beim Schauspieler, „das darf ich nicht verraten“. Einen ARD-Sendetermin gibt es noch nicht, aber den Gedanken an eine mögliche Fortsetzung. „Da bieten sich genug Handlungsstränge für eine dritte Staffel an“, sagt Florian Lukas.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false