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Pelzig. Mit Stephan Pelger ist rumänische Mode in Europa angekommen.

© AFP

Rumänische Mode: Neues aus dem Osten

Mode aus Rumänien? Was soll das denn sein? Junge Designer zeigen in einer Sonderschau, dass sie international mitspielen können.

Mode aus Osteuropa, was soll das eigentlich sein? Graue, billig produzierte Ware aus Stoffen, die noch nicht einmal im letzten Jahrzehnt als tragbar galten? Auch gute 20 Jahre nach Beendigung des Ost-West-Konflikts bestehen Vorurteile, wenn es um die östlich der deutschen Staatsgrenze gelegenen Länder geht.

So sieht es zumindest Irina Schrotter. Die rumänische Designerin gründete 1990 unmittelbar nach der Zulassung privatwirtschaftlicher Betätigung ihr gleichnamiges Label. Heute beschäftigt sie die beachtliche Anzahl von 1000 Angestellten, sie betreibt sechs eigene Geschäfte, hat eine Vorliebe für Leder-, Pelz- und Glanzoptiken und gilt als größte Modedesignerin ihres Landes. Sie sagt: „Der Rest der Welt sieht in uns Osteuropäern noch immer etwas Kurioses, Befremdliches und wir wussten bislang nicht, wie wir beweisen sollen, dass wir mehr zu bieten haben als Straßenhunde, Armut und Zigeuner.“ Also suchte die 45-Jährige selbst nach einer Antwort – und fand eine. Der Name: „Romanian Designers Night“. Die Schau, die am Mittwochabend am Bebelplatz stattfand und auf der neben Irina Schrotter fünf weitere rumänische Labels ihre Kollektionen präsentierten, war ihre Idee.

Hat man die Rumänin mit der wilden blonden Mähne am Telefon, ist sie nicht zu bremsen. Sie spricht von einer regelrechten Explosion junger, kreativer Energie, die in Osteuropa zu spüren sei und die endlich auch der Rest Europas erkennen müsse: „Die Menschen in Westeuropa haben einfach zu wenig Zeit, sich in Ruhe anzuschauen, was bei uns passiert – also kommen wir zu ihnen.“ Der richtige Ansatz, wie die rumänische Botschaft fand: Um den Finanzierungsplan ihres Projekts musste die Designerin sich jedenfalls nicht lange sorgen.

Insofern läuft es für Schrotters Vision ziemlich gut. Ein Blick auf den Schauenplan der Fashion Week bestätigt dies. Das frisch gegründete Label für Damenmode, Maicco aus Georgien, zeigt in Berlin, genauso wie Lever Couture, ursprünglich aus der Ukraine, mittlerweile in Berlin ansässig und auf Abendroben spezialisiert, sowie Stephan Pelger, ein weiterer High-End-Designer aus Rumänien. So könnte man diesen Januar auch als Bestätigung einer oft proklamierten These werten: Berlin wird zur ersten Anlaufstelle der osteuropäischen Designerszene.

Doch was ist es nun, osteuropäisches Modedesign? Und warum ist Berlin der richtige Ort für dessen Präsentation? Einer der es wissen könnte, ist Stephan Pelger. Der 31-Jährige wuchs in Rumänien auf, stammt aus einem deutschen Elternhaus, studierte an der Modeschule Wien und arbeitete für verschiedene Modehäuser im Ausland, bevor er sich in Bukarest selbstständig machte. Er antwortet: „Ja, was soll das schon sein? Bei uns gibt es alles, wie in der internationalen Modewelt auch. Glamouröses, Schlichtes, Praktisches, Traditionelles.“ Er unterteilt die Designerszene seines Landes in die für massentaugliche und die für anspruchsvollere Mode. Letztere, so wird geschätzt, beläuft sich auf gute 50 Namen, genaue Zahlen gibt es keine. „Bukarest genoss schon immer den Ruf des Klein-Paris, hier spielt sich alles ab. An Mode sind nicht nur Frauen mit dicken Geldbörsen interessiert, selbst weniger gut situierte Damen machen stets das Beste aus sich.“ Im Gegensatz zu Irina Schrotter, die auch in Moskau, New York, London, Tokio verkauft, ist Rumänien Pelgers bislang einziger nennenswerter Absatzmarkt. Für junge, kreative Köpfe wie ihn sei Berlin das Schaufenster zur Welt. Für Paris oder London noch zu klein und unbekannt, ist die deutsche Hauptstadt der richtige Ort, erhält der kreative Nachwuchs hier mehr Aufmerksamkeit als anderswo.

Aufmerksamkeit war auch das Stichwort, als Stephan Pelger sich für die Teilnahme an der neuen Pro7-Reality-Show „Fashion & Fame“ entschied. Seit Donnerstag ist im Fernsehen zu verfolgen, wie er gegen sechs andere Teilnehmer um den Chefdesignerposten eines Modelabels kämpft.

Doch zurück zu Pelgers Werdegang: Viele Osteuropäer gehen zunächst ins Ausland, studieren, sammeln Arbeitserfahrung und kommen irgendwann zurück, um sich selbstständig zu machen. „Es ist günstiger und einfacher, hier ein Label aufzubauen, Angestellte zu finanzieren und langsam zu wachsen“, sagt Pelger. Zwar gibt es mittlerweile auch in Rumänien drei Modeschulen, jedoch könne man deren Standards nicht mit denen westlicher vergleichen: „Es gibt eine Menge Nachholbedarf, was die Kreativität der Professoren und die Ausstattung anbelangt.“

Irina Schrotter sieht genau dort auch Gefahrenpotenzial: Sie beobachtet, nicht nur in der Modebranche, wie viele Talente ins Ausland abwandern – und nicht zurückkommen. „Es macht mich sehr traurig, zu sehen, wie viele Rumänen in die USA oder nach China ziehen, da sie dort von Vornherein bessere Verdienstchancen haben.“ Und dann kommt sie darauf zu sprechen, was ihr besonders am Herzen liegt: Europa als Ganzes. „Wir Europäer müssen zusammenhalten, füreinander da sein, uns lieben. Viele Osteuropäer sind der Auffassung, dass wir dabei sind, unseren größten Trumpf zu verlieren: Nämlich unseren Schöpfergeist, also das, was uns dahin gebracht hat, wo wir heute stehen.“ Sie spricht von Frankreich, von England, von Italien, und davon, dass von dort so wenig Neues käme, außerdem der Nachwuchs nicht ausreichend gefördert werde. Außerdem versteht sie nicht, warum so viele der europäischen Modehäuser ihre Mode in Asien fertigen lassen. „In Osteuropa gibt es sehr viele Produktionsstätten, die exzellente Qualität liefern, die Arbeitskräfte sind günstig. Warum lassen wir unsere Gelder nicht hier?“ In Rumänien verdienen Angestellte in der Textilindustrie durchschnittlich 200 Euro, rund 400 000 Beschäftige zählt die Branche.

Doch Irina Schrotter ist optimistisch. Da in Asien derzeit die Gehälter in die Höhe schießen, orientiert sich manches Label neu. Die Anzahl der Bestellungen in manchen osteuropäischen Produktionsstätten sei in den in den letzten Monaten um 50 Prozent gestiegen.

Trotz allem Optimismus sagt Schrotter klar: „Die Organisation des Marktes ist noch immer schlecht.“ Es gibt keinerlei finanzielle Absicherungen, Rücklagen hat sie keine. „Jeder arbeitet auf eigenes Risiko. Wenn wir eine schlechte Kollektion machen, verlieren wir alles. Es bleibt viel zu tun.“

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