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Zwei Menschen sind bei der Amokfahrt ums Leben gekommen.

© IMAGO/Bihlmayerfotografie/IMAGO/Michael Bihlmayer

AfD-Accounts teilten falsche Dokumente: Unbeteiligter mit Migrationshintergrund zum Tatverdächtigen von Mannheim gemacht

Ein Deutscher ist in Mannheim in eine Menschengruppe gefahren. Kurz danach wird in sozialen Medien ein Unbeteiligter beschuldigt: ein Mann mit Migrationshintergrund. Auch AfD-Politiker beteiligen sich daran.

Stand:

Nach der Todesfahrt von Mannheim ist ein 33-jähriger Mann aus Heidelberg fälschlicherweise in sozialen Netzwerken als mutmaßlicher Täter an den Pranger gestellt worden. Am Montag war ein 40-jähriger Deutscher mit einem Auto mit hoher Geschwindigkeit in der Innenstadt in eine Menschengruppe gerast. Eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann waren dabei ums Leben gekommen. Elf weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

Kurz danach tauchte im Netz eine vermeintliche interne Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim auf, in der ein Mann mit „dunklem Hauttyp“ als Täter genannt wurde. Kurz darauf wurde in den sozialen Medien ein Foto herumgereicht, das Personalausweis und Führerschein einer Person zeigen soll, die von der Polizei verdächtigt wird. Die Angaben auf den Ausweisdokumenten waren nicht unkenntlich gemacht. Bei der abgebildeten Person handelte es sich um eine Person mit Migrationshintergrund und arabischem Namen.

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Eine Anfrage des Tagesspiegels bei der Polizei Mannheim wurde an das Landeskriminalamt in Stuttgart weitervermittelt. Beim LKA weiß man von dem Vorgang offenbar von nichts. Die Polizei Mannheim selbst veröffentlichte gestern allerdings selbst einen Post bei X und warnte vor Fake News. Es seien Fotos von Ausweisdokumenten einer Person im Umlauf, die nicht den tatsächlich Tatverdächtigen zeigen, heißt es.

Unter anderem der Kreisverband Hannover der AfD verbreitete die Falschinformation. Bei dem Bild handelt es sich vermutlich um eine selbstgebastelte Collage. „Focus Online“ hatte die Fotos der Ausweisdokumente nie veröffentlicht.

© Screenshot X

Die Falschinformation war zu diesem Zeitpunkt jedoch längst in Umlauf und wurde hundertfach geteilt. An den falschen Spekulationen beteiligten sich auch mehrere Accounts, etwa der des AfD-Kreisverbandes Hannover und solche, die der AfD nahestehen. Später wurden die Posts vielfach wieder gelöscht. Mehrere Accounts im Umfeld der Partei verbreiteten das Foto auch mit bezahlten Postings, um ihnen mehr Reichweite zu verschaffen.

Nach Recherchen von „t-online“ bezahlte etwa der neu in den Bundestag gewählte AfD-Politiker Maximilian Kneller für einen „sponsored post“, in dem er ein Video aus Mannheim mit den Worten kommentierte, er werde niemals akzeptieren, „dass das jetzt Alltag sein soll“.

Inzwischen ist klar, dass es sich bei dem Täter um einen 40-jährigen Deutschen aus Ludwigshafen handelt. Der Mann war Landschaftsgärtner. Ob er zum Tatzeitpunkt eine Arbeit hatte, wisse man nicht, sagt Staatsanwalt Romeo Schüssler der Nachrichtenagentur dpa. Er sei ledig, habe nach ersten Erkenntnissen der Ermittler keine Kinder und auch nicht in einer Partnerschaft gelebt. Man gehe davon aus, dass er alleinstehend war, so Schüssler.

Gestoppt wurde der Amokfahrer übereinstimmenden Medienberichten zufolge nach der Tat von einem Taxifahrer namens Afzal Muhammad. Der Fahrer mit pakistanischen Wurzeln habe die Tat beobachtet und sei anschließend dem Täter hinterhergefahren. In einer Sackgasse habe er seinen Wagen so hinter den des Täters gestellt, dass dieser nicht weiterfahren konnte. So schildert es Jürgen Schwarz, der Chef der Taxizentrale Mannheim. Anschließend sei der Täter zu Fuß geflüchtet und konnte kurz darauf festgenommen werden.

Der Mann ist mehrfach vorbestraft. Der Staatsanwalt berichtet von einer Körperverletzung, für die er vor mehr als zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüßt habe, außerdem habe es einen Fall von Trunkenheit im Verkehr gegeben. Bei der letzten Tat handle es sich um ein Hassrede-Delikt aus dem Jahr 2018: Damals sei der Mann für einen Facebook-Kommentar zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Nun wird gegen ihn wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes ermittelt. Bei seiner Festnahme soll sich der Mann mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben. Er liegt im Krankenhaus. Die Beamten hoffen, ihn am Dienstag vernehmen zu können. (mit Agenturen)

Richtigstellung: In einer früheren Fassung dieses Artikels haben wir den Eindruck erweckt, dass der AfD-Politiker Maximilian Kneller einen „sponsored post“ mit Fotos vom Personalausweis eines am Anschlag in Mannheim Unbeteiligten geschaltet habe und diesen später löschte. Dies ist unwahr. Richtig ist, dass er in diesen Post die Fotos nicht zeigte, sondern ein Video aus Mannheim kommentierte, er werde niemals akzeptieren, „dass das jetzt Alltag sein soll.“ Dieser Post ist auch weiterhin abrufbar. Wir haben den Text entsprechend geändert.

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