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Das Center am Gesundbrunnen war Ziel eines ursprünglich geplanten Anschlags von Anis Amri.

© Paul Zinken/dpa

Breitscheidplatz-Attentat: Amri plante mit Komplizen Anschläge in mehreren Städten

Eigentlich wollten die Terroristen in Berlin, Brüssel und Paris gleichzeitig angreifen. Am Ende wurde Anis Amri doch alleine tätig.

Der Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri plante mit Komplizen offenbar einen zeitgleichen Anschlag in Berlin, Brüssel und Paris. Das zeigen Erkenntnisse der Ermittler, die mutmaßlich auch Eingang in die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen den Amri-Bekannten Magomed-Ali C. gefunden haben. Sie zeichnen nach, wie sich der Anschlagsplan über die Zeit wandelte, wie Amri kurz vor der Tat noch per WhatsApp Kontakt zu einem Komplizen suchte – und wie er am Schluss doch allein tätig wurde.

Bereits Ende vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass Amri ursprünglich ein Attentat mit dem hochexplosiven Sprengstoff TATP plante – gemeinsam mit seinem Komplizen Clément B., einem französischen Staatsbürger. Eingebunden in die Planung für den Sprengstoffanschlag war auch der Russe Magomed Ali C., in dessen Wohnung der Sprengstoff nach Erkenntnissen der Ermittler hergestellt wurde. Amri lernte Clément B. in der Berliner Fussilet Moschee wahrscheinlich schon im Dezember 2015 kennen.

Das Ziel des geplanten Sprengstoff-Attentats war, wie sich später herausstellte, das Berliner Gesundbrunnen-Center. Dass der Plan nicht realisiert wurde, war eher einem Zufall zu verdanken: Am 28. Oktober 2016 führte das Berliner LKA eine Gefährder-Ansprache beim Russen C. durch. Die Beamten wussten aber nicht, dass in seiner Wohnung Sprengstoff hergestellt wurde. Allerdings wurde B., der sich ebenfalls gerade in der Wohnung aufhielt, durch den Besuch aufgeschreckt. Er verließ Berlin aus Angst vor Entdeckung Richtung Frankreich. Allerdings nicht, ohne sich kurz vor der Abreise noch mit Amri zu treffen.

Nachdem sich der Sprengstoff-Plan zerschlagen hatte, sahen die neuen Planungen vor, dass Clement B. in Frankreich mit einem weiteren Komplizen einen Anschlag verüben würde. Amri sollte in Berlin ein Attentat begehen. Nach Erkenntnissen der Ermittler spähte Amri ab November 2016 den Breitscheidplatz aus und hielt sich dann bald täglich am Friedrich-Krause-Ufer in Berlin auf, um zu sehen, ob er dort einen LKW als Tatwaffe stehlen könnte. Am 12. Dezember 2016 hatte er, während er auf dem Weg zum Breitscheidplatz war, mit seinem Komplizen B. telefonischen Kontakt.

„Wo bist du? Wo bist du? Bruder ... “

Am 19. Dezember 2016 beging Amri dann den verheerenden Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Er hatte offenbar kurz zuvor nochmals versucht, sich mit B. abzustimmen. Das erzählte B. später im Gefängnis seinem Vater, wie Protokolle der Haftüberwachung zeigen. „Zwei Tage, bevor er den Anschlag verübt hat, hat er mir eine Nachricht via WhatsApp geschickt: ,Wo bist du? Wo bist du? Bruder, wir müssen uns schnell sehen’“. Clément B. sagte, er habe die Nachricht nicht gelesen. Auch sei er nicht rangegangen, als Amri versucht habe, ihn via WhatsApp anzurufen. Am Tag vor dem Anschlag habe Amri noch einmal versucht sich zu melden. Laut Protokoll berichtete Clément B. seinem Vater dazu flüsternd: „Wir sollten gemeinsam zuschlagen, und da ich ihn nicht angerufen hatte, hat er nicht auf mich gewartet, verstehst du? (…) Er hat sich gesagt: ,Ich mache es jetzt, ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen.’“

Clément B. plante später einen Anschlag in Frankreich, der aber verhindert werden konnte.

Im Breitscheidplatz-Untersuchungsausschuss des Bundestages stößt es auf Interesse, dass Amri kurz vor dem Anschlag versuchte, sich mit seinem Kumpan C. zu koordinieren. „Die These vom ,einsamen Wolf', vom Einzeltäter Anis Amri, lässt sich nicht mehr halten. Er hatte Komplizen, mit denen er sogar an mehreren Stellen gleichzeitig zuschlagen wollte“, sagt der Obmann der FDP im Ausschuss, Benjamin Strasser. Er kritisiert, dass Amri offenbar im Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrum der Sicherheitsbehörden unterschätzt wurde – „oder es haben nicht alle Behörden ihr Wissen über ihn preisgegeben“.

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