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Der künftige US-Präsident Joe Biden hat nun auch im Senat eine Mehrheit.

© Jim Watson/AFP

Demokraten erobern die Mehrheit im US-Senat: Trumps zweite Niederlage

Der Doppelsieg in der Stichwahl in Georgia erleichtert Präsident Biden die Wende. Zum Durchregieren reicht er jedoch nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Demokraten dürfen erleichtert sein, mehr nicht. Dabei hat ihr Erfolg in Georgia historische Dimensionen. Doch zu Übermut haben sie wenig Anlass, auch wenn sie nun alle drei Machtzentren kontrollieren werden: das Weiße Haus, das Repräsentantenhaus und den Senat. Ihre Macht ist eng begrenzt.

Die Republikaner trifft die Niederlage ins Mark, mehr noch als Donald Trumps Niederlage gegen Joe Biden. Die Demokraten Raphael Warnock und Jon Ossoff besiegen die Republikaner Kelly Loeffler und David Perdue unerwartet deutlich. Das ist ein Debakel für die Grand Old Party. Georgia galt wie die meisten Südstaaten der USA seit Jahrzehnten als ihr Terrain. Unter den aus der Vor-Trump-Zeit gewohnten Umständen hätten sie beide Rennen klar gewinnen müssen.

Dieser Verlauf macht unübersehbar: Trumps Strategie der Polarisierung rettet nicht den Sieg, sondern beschleunigt den Machtverlust. Nicht nur auf der nationalen Ebene, sondern auch in bislang verlässlich konservativen Staaten.

Biden hat nun freie Hand für die Regierungsbildung

Mit der – freilich denkbar knappen – Mehrheit im Senat wird der Amtsantritt für den 46. Präsidenten Joe Biden deutlich einfacher. Er ist bei der Zusammensetzung seiner Regierungsmannschaft nicht auf den guten Willen der Republikaner angewiesen. Ob Minister, Behördenleiter oder Botschafter: Jeder Ernennung muss der Senat zustimmen.

Dazu sind die Demokraten dank des Doppelsiegs nun aus eigener Kraft in der Lage. Die Republikaner können sie nicht systematisch blockieren. Bei Stimmengleichheit – jedes Lager verfügt über 50 Sitze – gibt die Stimme der Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag.

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Das ist auch für Deutschland und andere Verbündete der USA eine gute Perspektive. Sie werden schneller Ansprechpartner in Washington für die diversen Gebiete der Zusammenarbeit bekommen als bei einem anderen Ausgang in Georgia.

Erstmals ein schwarzer Senator aus Georgia

Für ein „Durchregieren“ wird dieses Patt mit Vizepräsidentin Harris als "Tiebreaker" allerdings nicht reichen. Joe Biden hat keine freie Hand für die Umsetzung zentraler Wahlkampfversprechen wie eine ehrgeizige Klimapolitik oder höhere Steuern.

Wenn auch nur eine Senatorin oder ein Senator der Demokraten einem umstrittenen Projekt die Zustimmung verweigert, fehlt Biden die gesetzgeberische Mehrheit. Das zwingt ihn zu Moderation und Kompromissen.

Erstmals ein schwarzer Senator aus dem Südstaat Georgia: Pfarrer Raphael Warnock.
Erstmals ein schwarzer Senator aus dem Südstaat Georgia: Pfarrer Raphael Warnock.

© Jim Watson/AFP

Alles in allem ist der Wahlverlauf in Georgia ermutigend. Erstmals vertritt ein Afroamerikaner den Südstaat im Senat, ein historischer Triumph mit hoher Symbolkraft. Raphael Warnock leitet die legendäre Ebenizer Baptist Church in Atlanta, wo einst der Bürgerrechtler Martin Luther King predigte.

Der andere Sieger, Jon Ossoff, ist ein 33 Jahre junger Dokumentarfilmer jüdischer Abstammung. Er wird der jüngste Senator seit 1973, als Biden im Alter von 30 Jahren Senator von Delaware wurde. Die vielen Stimmen für Warnock und Ossoff illustrieren den gesellschaftlichen Wandel in den USA.

Amerika zeigt: Es befreit sich aus dem Griff des Trumpschen Populismus. Langsam zwar und mit äußerst knappen Wahlergebnissen. Aber Georgia hat den Auftrag der Nation an Biden zum Wechsel in Stil, Rhetorik und Substanz bekräftigt.

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