
© dpa/Moritz Frankenberg
Entlassung von Maddie-Verdächtigem naht: Christian B. verweigert offenbar Befragung durch britische Polizei
Christian B. wird verdächtigt, für das Verschwinden von Maddie McCann verantwortlich zu sein. Die Londoner Polizei wollte ihn dazu befragen. Die deutsche Staatsanwaltschaft hält ihn weiter für gefährlich.
Stand:
Die Londoner Polizei hat versucht, den Verdächtigen im Fall Maddie, Christian B., zu befragen. Die sei aber an dessen mangelnder Kooperation gescheitert, teilte Scotland Yard kurz vor der voraussichtlichen Haftentlassung des 48-Jährigen mit. B. soll laut Staatsanwaltschaft Braunschweig spätestens am 17. September ein freier Mann sein. Dann hat der Deutsche eine Gefängnisstrafe abgesessen, zu der ihn das Landgericht Braunschweig 2019 wegen Vergewaltigung verurteilt hatte.
Sowohl für die deutschen als auch für die britischen Ermittler gilt Christian B. als Verdächtiger im Fall Madeleine „Maddie“ McCann. Das damals drei Jahre alte britische Mädchen verschwand im Jahr 2007 spurlos während eines Familienurlaubs im portugiesischen Praia da Luz. Im selben Ort vergewaltigte B. im Jahr 2005 laut Urteil eine 72 Jahre alte US-Amerikanerin. Für diese Tat saß er mehrere Jahre in Haft, die nun endet.
Die britische Polizei ermittelt in Bezug auf Maddie weiterhin in einem Vermisstenfall. Eine Befragung sei aus rechtlichen Gründen nur über ein Rechtshilfeersuchen möglich, hieß es in einer Mitteilung der Metropolitan Police. Dieses sei gestellt worden, der verdächtige Deutsche habe die Aussage jedoch verweigert. „Auch ohne ein Verhör werden wir trotzdem weiterhin allen erfolgversprechenden Ermittlungsansätzen nachgehen“, so die Mitteilung weiter.
Stichtag für Entlassung ist Mittwoch
Laut der Staatsanwaltschaft Braunschweig gilt der Mittwoch als Stichtag, eine Entlassung an einem anderen Tag gilt allgemein aber als möglich. Offizielle Angaben dazu gibt es unter Verweis auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz nicht.
Der mehrfach einschlägig vorbestrafte Christian B. wurde im vergangenen Jahr in einem weiteren Prozess um mehrere mutmaßliche Vergewaltigungen in Portugal von dem Landgericht freigesprochen. Mit dem Fall Maddie hatte keines dieser Verfahren zu tun.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig betrachtet B. aber als Verdächtigen im Fall des Verschwindens des dreijährigen britischen Mädchens und ermittelt wegen Mordverdachts gegen ihn. Anklage erhob sie deshalb bislang nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Mit Blick auf den inzwischen seit mehr als fünf Jahren im Raum stehenden Verdacht im Fall Maddie sprach B.s Verteidiger Friedrich Fülscher von einer „massiven Vorverurteilungskampagne“. „Hätte ein hinreichender Tatverdacht bestanden, so wäre längst Anklage erhoben worden“, sagte Fülscher vor kurzem der dpa.
Wegen sexuellen Kindesmissbrauchs vorbestraft
B. hatte deutschen Ermittlern zufolge früher zeitweise in Portugal gelebt, um dort Gelegenheitsjobs nachzugehen und Einbrüche etwa in Hotels und Ferienanlagen zu begehen. Er ist unter anderem wegen sexuellen Kindesmissbrauchs und Drogenbesitzes vorbestraft. B. lebte früher außerdem unter anderem in Braunschweig, deshalb waren die Justizbehörden dort für ihn zuständig.
Maddie verschwand am 3. Mai 2007 kurz vor ihrem vierten Geburtstag aus der Ferienwohnung ihrer Familie in einer Ferienanlage in Praia da Luz an der portugiesischen Algarveküste, während ihre Eltern in einem nahen Restaurant zu Abend aßen. Trotz großangelegter jahrelanger internationaler Fahndung und zahlreicher Aufrufe ihrer Eltern fehlt von dem Mädchen weiter jede Spur.
Führungsaufsicht beauftragt
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hält B. weiterhin für gefährlich und beantragte deshalb bei Gericht eine sogenannte Führungsaufsicht. B. soll demnach unter anderem auch eine elektronische Fußfessel zur permanenten Aufenthaltsbestimmung tragen. „Aus unserer Sicht muss man davon ausgehen, dass er wieder rückfällig wird“, sagte Behördensprecher Christian Wolters jüngst der Nachrichtenagentur AFP. Das entspreche der Einschätzung eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen im letzten gegen B. geführten Strafprozess.
Andere Möglichkeiten der Einwirkung auf B. als die Führungsaufsicht hätten die Justizbehörden nicht, betonte Wolters. Dieser habe seine Strafe nun verbüßt. „Solange es keinen anderen Haftbefehl gibt, und den gibt es im Moment nicht, ist er ein freier Mann und kann machen, was er will.“
Derzeit sitzt B. noch in einer Justizvollzugsanstalt im niedersächsischen Sehnde ein, für Entscheidungen im Rahmen der Strafvollstreckung und damit auch der Führungsaufsicht ist das Landgericht Hildesheim zuständig. Ob und wie dieses in Sachen Fußfessel entschied, ist öffentlich aber nicht bekannt.
Im Fall Maddie gab es im Lauf der Jahre verschiedene Verdächtige, auch die portugiesischen und britischen Polizei- und Justizbehörden ermittelten intensiv. Auf Betreiben deutscher Ermittler wurden in den vergangenen Jahren wiederholt noch einmal großangelegte Suchaktionen an der Algarveküste gestartet. Beamte aus Deutschland und Portugal durchkämmten zuletzt im Mai Berichten zufolge unter anderem verlassene Grundstücke, Brunnen und Wälder. (dpa/AFP)
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